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Humanismus – ein Fremdwort im Zeitalter des Homo digitalis?

Humanismus – ein Fremdwort im Zeitalter des Homo digitalis?

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Von Frank Bertemes
«Die Versuchung zur freundlichen Unverbindlichkeit
ist die Ursünde des modernen Menschen.»  -Albert Camus

Erster Teil

«Ich verbinde damit die weiter entwickelte Zukunft bzw. die moderne Hochtechnologie… Werden wir alle als Signale enden? Aber vorerst noch anders: War es damals nicht schön, als der Egoist noch ganz einfach ein … Egoist war!? Heute wird man vom (digitalen) Egoisten so belästigt wie noch nie zuvor, der «vernetzte Egoist», der moderne Homo digitalis – das sagt alles.» So jedenfalls eine persönliche Interpretation zu diesem durchaus aktuellen, einleitenden Zitat von Albert Camus. Der Homo sapiens, der zum Homo digitalis mutieren wird … Mit allen Konsequenzen! Vor allem jener der gesellschaftlichen Verarmung …

Dieser Diskussionsbeitrag des kulturissimo soll eine Mahnung vor einer kommenden Enthumanisierung des Homo sapiens auf seinem eingeschlagenen (Irr-) Weg hin zum modernen Homo digitalis sein – ein strammer Marsch in Richtung menschlicher Abgrund?

Verbunden mit der Fragestellung: Frisst der moderne Homo digitalis, der, oft ins Leere starrend, mit Kopfhörern und Smartphones ausgerüstet, alles um sich herum nicht mehr wahrnehmend in der Gegend herumläuft, kritiklos wirklich so ziemlich alles, was das neoliberale Diktat der Eliten diverser Art ihm oder ihr so aufzwingen will? Sind wir am Ende des Humanismus angekommen?

Darf Humanismus, das erklärte Ziel der Aufklärer, wirklich nur mehr eine pure Illusion sein? Humanismus, ein Begriff, der auch die Notion von Humanität, meint «das Menschentum, das Mensch sein» an sich beinhaltet, wie in diesem Kontext durchaus betont sein soll. Zählt der Wert des Menschen im Zeitalter des Homo digitalis überhaupt nicht mehr? Wie weit sind wir gesunken?

Tiefpunkt alles Menschlichen

Oder ist der Tiefpunkt alles Menschlichen etwa noch ob des zunehmenden Einsatzes der digitalen Technik und der Roboter in der Tat noch zu unterbieten? Alles nur Panikmache, radikaler Defaitismus derjenigen, die man ganz einfach als ewig gestrige, unverbesserliche Fortschrittsfeinde, als todernste Spaßbremsen innerhalb der modernen «Kommunikationsgesellschaft», der digitalen Spaßgesellschaft ansieht, meint verachtet?
«Ich gehe davon aus, dass etwa die Hälfte aller Aufgaben in den nächsten 20 Jahren von Maschinen oder Computern erledigt werden können», so Achim Berg, Präsident des Digitalverbandes Bitkom anlässlich eines Interviews mit einer wenig bekannten Online-Zeitung, die man nicht nennen (und auch nicht kennen) muss. Es lässt sich zwar so halbwegs erkennen, zu welchen Themen er das Interview führte, dummerweise aber nicht so recht warum.
Egal wie, auch eine Online-Zeitung muss mit Themen aufwarten, die geringfügig übers Wetter hinausgehen. Den Nimbus von Seriosität kann man aufzubauen und zu erhalten suchen, indem Personen, die beliebig weit von der Masse bzw. Mehrheit agieren, als sogenannte, jedoch höchst fragwürdige «Autoritäten» vorgeführt werden. Wen soll man auch sonst zum Tagesgeschehen befragen, wenn die Politiker in ihrem höchst penibel geführten Egokult, der in letzter Zeit schon ans Lächerliche grenzt, selbst vieles nicht wissen – und sich ob unserer schnelllebigen Zeit mit irgendeinen Risiken, die bei gewissen Themenbereichen für die nahe oder ferne Zukunft bestehen, überhaupt nicht mehr abgeben (wollen) – die absichtliche Ignoranz der IT-Sicherheit schon mal garantiert.

Damit sollen sich gefälligst andere beschäftigen, besonders mit gewissen (Reiz-) Themen, die elektoral mit Risiken behaftet sein könnten.

Man wartet eben ab, was Volkes Stimme so von sich gibt – ein präventives Verantwortungsgefühl der politischen Klasse ist heuer ob elektoraler Imagepflege mittels ent sprechender Polittheatervor stellungen ein absolutes Fremdwort. Und die Herrschaft der Wirtschaft über die Politik – und damit über die gesellschaftliche Humanität – hat man selbst redend längst akzeptiert, sogar jene, die vor einigen Jahren noch als ausdrücklich linke «Grün-Alternative» tatsächlich noch von Solidarität oder auch Basisdemokratie gefaselt haben, neuerdings zu «Ordnungs liberalen» (Zitat eines Schau spielers der Grünen-Parteispitze) der politischen Mitte mutiert sind.

Wer hätte diese bedauerliche Entwicklung am Anfang der wahrlich mehr als überfälligen Gründung grüner Bewegungen, die aus der klar linken Szene hervorgegangen sind, vorausgesehen? Moderne Liberale sind eben neuerdings grün – und nicht mehr unbedingt blau in Mariens beschaulichem Ländle! Doch das nur ein am Rande vermerkter, jedoch ausdrücklich gezielter Seitenhieb in eine gewisse Richtung, die sich fast schon peinlich den «christlich-sozialen» der egal wie politischen Rechten als Beweis anstehender Regierungsverantwortungstauglichkeitanbiedert! Politische Glaub würdigkeit liest sich freilich anders …

Vorhersagen zur digitalen Gesellschaft

Doch zurück zum Herrn Berg und seinen «Vorhersagen» in Richtung digitaler Gesellschaft von morgen: Etwa die Hälfte aller Aufgaben wird in den nächsten 20 Jahren von Maschinen oder Computern erledigt werden und man sollte testen, ob man mit einem bedingungslosen Grundeinkommen vielleicht diejenigen auffangen könnte, die mit der Digitalisierung nicht zurechtkommen. Ja, der Bitkom-Präsident hat das Zeug zum Politiker: Wer auf der Strecke bleibt, ist doch egal, Hauptsache, der Profit stimmt!
Nur geht es darum, das tumbe, verarmende (Wahl-)Volk irgendwie im Zaum zu halten, sie ob der drohenden Arbeitslosigkeit mit einem Grundeinkommen abzuspeisen. In einem Alltag, der an Trostlosigkeit wohl kaum noch zu übertreffen sein wird.
Doch das alles interessiert heute noch niemanden, außer eben gewisse Sozialromantiker, die sich mit den Bedrohungen der digitalen Zukunft einfach nicht abfinden können und wollen – doch wer hört schon auf die?

Der Mann weiß jedenfalls, was er für wen von sich gibt. Aber irgendwie ist die Entwicklung hin zur bedingungslosen und vor allem menschenlosen Digitalisierung doch tröstlich.
In den nächsten 20 Jahren werden die Faselköppe aus der Politik und die «Propheten» aus der Wirtschaft von Sprachrobotern abgelöst sein, die dank Digitalisierung und Big Data viel effizienter als jeder Mensch Sprechblasen absondern können. Wenn wir die Chose einmal zynisch betrachten wollen … Doch die Situation ist ernst, todernst. Nur dass diejenigen, die das armselige Szenario der Zukunft vorgeben, sehr genau wissen, dass niemand ihnen «kann». Dies ob des grenzenlosen Versagens der (korrupten) Politik, der Abwesenheit von Charakterköpfen mit Profil, die in der kommenden, digitalen «Spaßgesellschaft» mit totaler Inexistenz jedweden Humors, wie man klar betonen muss, alles bestimmen wollen … und auch werden? Wo steuern wir hin?



Zweiter Teil

Doch kommen wir nach diesem Ausflug in die zukünftig drohende Welt
des Homo digitalis zum Titel dieser Zeilen. Darf Humanismus in der heutigen Zeit der zunehmenden gesellschaftlichen Kälte, der menschlichen Verrohung, der für viele von uns tagtäglich zunehmenden inneren Leere, wirklich nur mehr eine pure Illusion sein?

Weil einige das so wollen?

Und in der Zahl zunehmende «viele» das ganz einfach akzeptieren? Weil, in Anlehnung an Michel Foucault, der Humanismus nur eine Illusion sei, die verschleiern solle, dass der und die Einzelne kein Subjekt der Freiheit sei, sondern nichts weiter als ein Objekt des gesellschaftlichen Systems, in das er oder sie eingebettet ist.

Und das kann man so lesen, leider. Das wird das Subjekt oder Objekt des neoliberal manipulierten, meint diktierten digitalen Zeitalters der Zukunft und ob der ebenso und immer mehr privatwirtschaftlich orientierten Ausbildung (von Bildung sprechen wir ob dieser bitteren Aussichten am besten gar nicht mehr) immer mehr sein: ein digitaler Feigling, der nur mehr katzbuckeln kann, ohne Persönlichkeit, ohne Profil! Frei nach Immanuel Kant zitiert: Wer sich zum Wurm macht, soll nicht klagen, wenn er getreten wird. Die digitale Gesellschaft – nur mehr eine Welt von Würmern?

Horrorszenario

Doch malen wir im Rahmen dieses Beitrags trotzdem das Horrorszenario von George Orwells «Big Brother»-Meisterwerks «1984» aus dem Jahr 1949 (ein Roman, dessen Aktualität wohl kaum jemand anzweifelt) an dieser Stelle trotzdem nicht weiter aus, sondern kommen wir auf eine Einschätzung des aktuellen Zustandes der wachsenden Unfreiheit des Einzelnen im globalisierten Kapitalismus unserer Zeit, einer perfiden Form der bis ins Private dringenden Beherrschung ebendieses Einzelnen. Zwar rettet der technische Fortschritt Leben und erhöht klar den Lebensstandard unserer westlichen Gesellschaften und auch sonst in der Welt, aber er erzeugt eine Illusion der Freiheit und Individualität, die als moralische Utopie verkauft wird.

Es wird immer deutlicher, dass der moderne Kapitalismus, der heuer neoliberal genannt wird, deutlich beweist, dass man «schlimm» durchaus noch toppen kann. Und dies im Rahmen dieses Beitrags bitte durchaus gezielt auf das pur «Menschliche» bezogen.
Humanistische Werte – das Kapital kennt diese bewusst überhaupt nicht! Die menschliche Würde fördert man nicht, geht es doch darum, neue Märkte zu erschließen und neue Abhängigkeiten zu schaffen!

So funktioniert das System! Jede Regung oder gar klare Kritik gegen den «freien Markt», jeder Verzicht auf ein Antreiben des ökonomischen Wachstums gilt als Attacke gegen die neoliberale Marktwirtschaft, die sich selbst immer wieder als absolut alternativlos vermarktet!

Und genau diesen Irrsinn wiederholen etablierte Politiker sämtlicher klassischer Parteien immer wieder, eine permanente Glaubenserneuerung, die sie wie das christliche Vaterunser dem Kapital als Gottesgestalt huldigend herunterleiern.

Der globalisierte Kapitalismus stellt die eigene geistige Haltung im Rahmen der kapitalistischen Lebensweise und trotz aufwallender Wut mündiger Bürgerinnen und Bürger, trotz wachsender Unfreiheit, die immer mehr auffällt, absolut nicht in Frage, sondern richtet sich gezielt gegen die Demokratie, die anscheinend nicht mehr in der Lage ist, die Interessen der Individuen zu verteidigen – der «freie Markt», das Credo der Neoliberalen, richtet in deren Lesart bekanntlich alles! Regierungen und Politiker sind nur mehr deren (bestens bezahlte) Lakaien – siehe EU-Kommission!

Und damit zurück zur Aufklärung und zum philosophischen Humanismus des Immanuel Kant, dessen Idee der «Republik der Weltbürger» mehr als bedroht ist. Kleine Abweichung: Kant wandte sich, wie Rousseau, vom blinden Vertrauen in die theoretische Vernunft und die abstrakte Wissenschaft ab und widmete sich stattdessen der komplexen Funktionsweise des moralischen Gewissens.

In hohem Grad kultiviert

Wie er in seinem kleinen Traktat «Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht» schreibt: «Wir sind im hohen Grade durch Kunst und Wissenschaft kultiviert.
Wir sind zivilisiert bis zum Überlästigen zu allerlei gesellschaftlicher Artigkeit und Anständigkeit. Aber uns schon für moralisiert zu halten, daran fehlt noch sehr viel.» Wie heutzutage den Vertretern der sogenannten Wirtschafts- und Politeliten erst recht, wäre man geneigt, zu bemerken … Kant schrieb 1795, dass die Menschheit notwendig zu einer Weltgemeinschaft zusammenwachsen müsse, die auf den Prinzipien der Freiheit und der Gerechtigkeit organisiert sei.

Das schreibe nicht die Willkür, sondern ein aus den transzendentalen, meint nach Kants philosophischer Richtung, «übersinnlichen» Bedingungen der menschlichen Vernunft und Existenz abgeleitetes moralisches Gesetz vor.

Kant sah am Ende der Geschichte den ewigen Frieden, verwirklicht durch eine Republik der freien Geister, die im Bewusstsein einer «globalen Schicksalsgemeinschaft» leben, in der kein Volk sich in einen vollständig abgegrenzten Raum zurückziehen kann. Eine solche Republik sei notwendig, weil auf einer kugeligen Erde, auf der wir einander nicht ausweichen können, der Friede unsere einzige Überlebenschance darstelle.

So weit Kant in seiner Weisheit. Was das alles den modernen Homo digitalis, den wohl auf sich selbst und sein Ego konzentriertesten «Menschen» aller Zeiten, interessieren wird? Der digitale Zeitgenosse wird humanistischen Werten und der Weltgemeinschaft, menschlich gesehen, wohl mit leerem Blick oder bestenfalls mit «freundlicher» Unverbindlichkeit begegnen …

roger wohlfart
23. April 2018 - 9.32

Trotz der Vereinfachung an der Diversitéit vu de Kommunikatiounsméiglechkeeten an deene läschte Joeren, war d'Vereinsamung vun de Menschen, besonnesch deenen ale Leit , nach nie sou grouss wéi haut. Ët stellt een och eng allgemeng Verrohung an Aggressivitéit fest, e Manktum u Respekt an Empathie. Mir liewen an enger kaler, häerzloser Welt an där d'Gewalt iwwerall zouhölt. An der Politik liewe Leit wéi Trump a Putin eis dat jo all Dag vir. De Fësch fängt vum Kapp un ze sténken. Gott sei Dank ginn ët awer och nach vill gutt Mënschen iwwerall op der Welt. Dat ass e Liichtbléck a mecht Hoffnung! Vun Humanismus...n!et déi Spur leider!