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Geistesblitze (Teil 1)

Geistesblitze (Teil 1)

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Georg Christoph Lichtenberg. Ein Mann mit Geist und Humor! Der Meister der Gedankenblitze. Und ein personifizierter, permanenter Geistesblitz. Um ihn einmal so zu beschreiben.

Dass so mancher – wie beispielsweise Maître Gaston Vogel oder auch der ehemalige Abgeordnete und Escher Lokalpolitiker der Linken, André Hoffmann, sowie unser aller EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker – diesen außergewöhnlichen Menschen, der hierzulande heutzutage trotzdem (leider) wenig bekannt ist, sehr schätzen und dass seine markanten Aphorismen ihn zu einem ewigen «Star» der Geschichte gemacht haben, verwundert eigentlich kaum. Als bescheidener Anhänger und Fan dieses heuer hochaktuellen Mannes und nach persönlichen Kontakten mit der Göttinger Lichtenberg-Gesellschaft beschäftigt sich auch der Autor dieser Zeilen immer wieder gerne mit der Vita dieses Mannes. Weil er ein besonderer und hochinteressanter Mensch war …

Lichtenberg. Dieser zeitlebens kranke Mann, der an Rachitis, Lungen- und Herzinsuffizienz litt, kurzatmig und mit einem krampfartigen Asthma, das ihn begleitete; geplagt, dieser große Geist, der in einem kleinen, verwachsenen Körper mit verschobenem Brustkorb und einem Buckel leben musste, war knapp 1,44 Meter klein, was ihn aber mitnichten daran hinderte, er selbst, eine Persönlichkeit der besonderen Art, ein wahrlich Großer dieser Welt zu sein.

«Star» der Geschichte

Als Aufklärer und Aphoristiker ist er berühmt geworden, der Göttinger Mathematiker, Naturforscher, der erste deutsche Professor für Experimentalphysik im Zeitalter der Aufklärung, Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799). Bis heute haben seine Notizhefte, die er «Sudelbücher» nannte, nichts an Geist, Witz und Bissigkeit verloren. Seine Fans reichen von Kurt Tucholsky bis zu Hans Magnus Enzensberger. Doch Lichtenberg war auch Astronom, Experimentalphysiker und Geodät (Geometer) und für seine Forschungen zu seiner Zeit europaweit bekannt. Er dachte über so unterschiedliche Dinge nach wie Blitzableiter, das Sonnenbaden oder die menschliche Empfindung.

Am 1. Juli dieses Jahres jährte sich sein Geburtstag zum 275. Mal. Anlass genug, dass deshalb viel von ihm berichtet wird. Und darum auch dieser Text für die Leserschaft des Tageblatt, die schon so manche Texte des Zeilenschreibers Lichtenberg thematisierend oder am Rande bemerkend sowie dessen unvergesslichen, immer wieder aktuellen, weil treffenden Zitate in dieser Zeitung lesen konnte.

Lichtenberg, der Meister der Gedankenblitze, der zu den führenden Köpfen der Frühaufklärung zählte, war schon zu seiner Zeit nicht nur als Schriftsteller und Philosoph, sondern auch in seinem eigentlichen wissenschaftlichen Beruf, den er mit Glanz und Anerkennung ausübte, weit über die Grenzen seiner Heimat bekannt. Er war ein überraschend moderner Wissenschaftler und als bei seinen Studenten sehr beliebter ordentlicher Professor für Naturlehre und Experimentalphysik mehr als außergewöhnlich in seinen Methoden und Ansichten.

Lichtenberg befasste sich mit naturwissenschaftlichen Themen auf breiter Ebene, unter anderem mit der Geodäsie (als Geometer, wie erwähnt), Meteorologie, Astronomie und Chemie. Als Lehrender war er wegweisend: Er hielt nie trockene Vorlesungen im Stil der Zeit ab, sondern würzte sie mit praktischen Vorführungen, mit «fortlaufendem Experiment», wie er es ausdrückte, sprich 600 Experimenten pro Semester! Mit fliegenden Drachen führte er seinen Studenten die Gewitterelektrizität vor, mit gasgefüllten Schweinsblasen nahm er die Ballonfahrt vorweg. Als Forscher führte er in der Elektrizitätslehre die Begriffe positive und negative Elektrizität, vulgo die Bezeichnungen «+» und «-«, ein.

Sein Geschick als Experimentalphysiker stellte er mit der Entwicklung eines 2,5 Quadratmeter großen Elektrophors unter Beweis. Mit dieser Influenzmaschine konnte er sehr hohe Spannungen erzeugen und Funken bis zu 40 cm Länge hervorrufen. 1777 entdeckte er auf dem Staub einer Isolatorplatte des Elektrophors sternförmige Muster, die heute als „Lichtenberg-Figuren“ bezeichnet werden.

«Sudelbücher»

Er führte als erster den von Benjamin Franklin erfundenen Blitzableiter in Göttingen – als einen der ersten in Deutschland – ein, indem er 1780 und 1794 Gartenhäuser mit einem solchen «Furchtableiter», wie er ihn nannte, versah. Wie heißt es in den „Sudelbüchern“: «Dass in den Kirchen gepredigt wird, macht deswegen die Blitzableiter auf ihnen nicht unnötig.» So der Sohn eines protestantischen Pfarrers und einer protestantischen Pfarrers-Tochter, der pikanterweise der Religion sehr kritisch gegenüberstand und die Kirchen in seinem Werk oft attackierte.

Lichtenberg, der trotz aller Bildung und seines profunden Wissens kein reiner Kopfmensch war, sondern auch ein sinnlicher Mann, der den Wein und die Frauen liebte – besonders die sehr jungen Damen, die er bevorzugte. Zitat: «Jedes Mädchen ist die Verwalterin der weiblichen Mysterien. Es gibt Stellen, wo Bauernmädchen aussehen wie Königinnen; das gilt von Leib und Seele.» Seine große Liebe, die er im Jahr 1777 kennenlernte, als Maria Dorothea Stechard gerade 13 Jahre alt war; die er, als sie 15 war (Zitat) «auch ohne priesterliche Einsegnung» als seine Frau bezeichnete, starb trotz bester medizinischer Behandlung, die Lichtenberg ihr verzweifelt zukommen ließ, im Jahr 1782 und ihm, Lichtenberg, tief betrübt, war es (Zitat) «… unmöglich, fortzufahren». Doch er lebte trotzdem weiter und zwei Jahre nach dem Tod seiner geliebten «kleinen Stechardin», wie er sie nannte, nahm er eine ähnlich junge Frau, die er später heiratete, zu sich ins Haus, und Margarete Elisabeth Kellner, die ihn übrigens um fast 50 Jahre überleben sollte, schenkte ihm acht Kinder!

Frank Bertemes

Hier folgt Teil II.