Vielmehr gilt es aus Arbeitnehmersicht, die Lehren aus dieser Gesundheitskrise zu ziehen und diese in die Gewerkschaftsprogramme mit einfließen zu lassen. Denn wenn während dieser Krise sinnvollerweise die nationale Solidarität beschworen wurde, so ist zu befürchten, dass nach der Krise hiervon nicht viel übrig bleiben wird. Die politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträger auf nationaler und europäischer Ebene werden sich alle erdenkliche Mühe geben, damit unser Wirtschaftssystem, welches auf der Ausbeutung von menschlichen und natürlichen Ressourcen beruht, wie gewohnt weiter funktioniert, als hätte es nie eine Krise gegeben.
Für gute soziale und öffentliche Dienstleistungen
Dabei müssten in erster Hinsicht die sozialen und öffentlichen Dienstleistungen, die eine vorbildliche Daseinsvorsorge und ein gutes Leben, auch in Krisenzeiten, gewährleisten sollen, kritisch überprüft werden. In erster Linie muss untersucht werden, ob und wie unser Gesundheitssystem noch krisenfester gemacht werden soll und wie die Gesundheitsversorgung in Zukunft gestaltet wird. In diesen Prozess, sollte er stattfinden, müssen natürlich die Pflegekräfte und ihre Personal- und Gewerkschaftsvertreter mit eingebunden werden.
Über den Gesundheitssektor hinaus muss, national und europaweit, die Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik, wie sie in den letzten Jahrzehnten betrieben wurde, in Frage gestellt werden. Ziele dieser Politik waren der schlanke Staat sowie die Schaffung von zusätzlichen Gewinnmöglichkeiten für die Privatwirtschaft. Das Bestreben, bei jeder separaten öffentlichen Dienstleistung, auch auf Gemeindeebene, von der Wasserversorgung bis zur Müllbeseitigung, das Kostendeckungsprinzip einzuführen, hat auch zum Ziel, diese Dienste einfacher privatisieren zu können. Sowohl die aktuelle als auch vorhergehende Krisen haben uns den Vorteil eines starken Staates und von guten öffentlichen Dienstleistungen vor Augen geführt.
In vielen Mitgliedsstaaten der EU wurden die öffentlichen Dienste auch aus budgetären Gründen abgebaut, reduziert und/oder privatisiert. Steuererleichterungen für Betriebe und besser Verdienende standen Pate bei dieser Entwicklung. Auch unser Land hat bei diesem Steuersenkungswettlauf und den Steueroptimierungsmöglichkeiten für Betriebe kräftig mitgemischt. Hinzu kommt, dass die europäischen Institutionen, anstatt Mindestsätze bei den Steuern vorzuschreiben, den Mitgliedsländern die Verpflichtung auferlegt haben, ausgeglichene Staatshaushalte zu präsentieren. Die überforderten Gesundheitssysteme in vielen Ländern im Zeichen der Corona-Krise sind ein Ergebnis dieser Politik.
Ohne wesentliche Änderungen in der europäischen Politik, die vor allem verschiedenen Firmen und Ländern zum Vorteil gereicht, wird es immer schwieriger werden, die europäischen Bürger von den Vorteilen der europäischen Einigung zu überzeugen. Das Ringen der Mitgliedsländer, um gemeinsam die ökonomischen Folgen der sanitären Krise zu bewältigen, zeugt vom Mangel an Solidarität innerhalb der EU. Vor allem die Länder, die von der Staatsschuldenkrise in verschiedenen südlichen Mitgliedsstaaten profitiert haben, wollen diesen Ländern zusätzliche Einschränkungen auferlegen, was die sanitäre und soziale Krise in diesen Ländern noch verschärfen würde.
Den sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten den Kampf ansagen
Die sozialen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten innerhalb unserer Gesellschaft, die in den letzten Jahren trotz blühender Konjunktur zugenommen haben, sind mit der Corona-Krise nicht verschwunden. Die Minderbemittelten in unserer Gesellschaft, die aufgrund ihrer Einkommens- und Wohnsituation am stärksten von der Krise betroffen sind, dürfen nicht noch zusätzlich durch etwaige Sparmaßnahmen zur Kasse gebeten werden. Vielmehr muss die Armutsbekämpfung resolut angepackt werden, u.a. durch eine strukturelle Erhöhung des Mindestlohns und die Beseitigung der Wohnungsmisere.
Ganz generell dürfen die wirtschaftlichen Krisenfolgen nicht den Arbeitnehmern und Pensionierten aufgebürdet werden. Die angekündigte Steuerreform muss so ausgerichtet sein, dass genug Gelder in die Staatskassen gespült werden, um den Krisenfolgen Rechnung zu tragen und um einen vorbildlichen Sozialstaat einschließlich eines leistungsstarken Gesundheitssystems zu finanzieren. Sie muss für mehr Steuergerechtigkeit sorgen u.a. was die Besteuerung von Arbeits- und Kapitaleinkommen betrifft. Außerdem muss der Steuerhinterziehung und -vermeidung definitiv ein Riegel vorgeschoben werden.
Traditionell war die Verkürzung der Arbeitszeit stets ein Thema bei den Kundgebungen der freien Gewerkschaften am 1. Mai. Es war ein langer Weg, gepaart mit viel gewerkschaftlichem Engagement, um den Acht-Stunden-Tag und schließlich die 40-Stunden-Woche durchzusetzen. Seit der gesetzlichen Verallgemeinerung der 40-Stunden-Woche 1975 hat es viele Produktivitätssteigerungen gegeben, ohne eine generelle zusätzliche Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Aufgrund der aktuellen Krisennotstandsgesetzgebung hat die Regierung für verschiedene essenzielle Betriebe die maximale Arbeitszeit am Tag auf 12 Stunden und 60 Stunden die Woche erhöht. Dies beweist, dass die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung noch immer aktuell ist. Denn würden wir wegen der Produktivitätssteigerungen über eine 35- bzw. 30-Stunden-Woche verfügen, wäre eine derartige Erhöhung der maximalen Arbeitszeit nicht nötig und nicht möglich gewesen.
* Der Autor ist ehemaliger Präsident des FNCTTFEL-Landesverbandes.
Fäerten elo och d'Gewerkschaftsbonzen dat alljoerlescht Panzschwenke fir den éischte Mee géif ausfalen.
Wer in der augenblicklichen Situation das Jammern auf höchsten Niveau der Wirtschaft , Investoren hört, dem müsste klar sein , wie wichtig der 1 Mai ist, in der Zukunft sein wird. Die Klassengesellschaft längst nicht verschwunden, sondern mit dieser Pandemie deutlich wurde, die Zukunft stark geprägt sein wird durch Angriffe auf soziale, gewerkschaftliche , demokratische Errungenschaften , der Klassenkampf , mehr denn je, an Bedeutung gewinnen wird.