Eine unbequeme Wahrheit?

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„Verbringe die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis,
vielleicht ist keins da.“ (Franz Kafka)

Es soll in der Tat Leute geben, die sehr gezielt nach einem Hindernis suchen, wo keins ist. Oder auch nach Problemen, die es gar nicht gibt. Und die ferner, ihrer ganz eigenen Logik folgend, dann auch noch ihre Lösung für das nicht vorhandene Problem als ihre „unbequeme Wahrheit“ anbieten.

Von Frank Bertemes

So geschehen in einem kürzlich veröffentlichten Artikel eines zumindest hierzulande unbekannten Autors einer „Denkschule“, dessen spezielle Auffassung von (vermeintlicher) „Sozialpolitik“ gewissen Dunstkreisen allerdings durchaus munden dürfte. Gerade deshalb sind derartige Überlegungen mit leider nachhaltigem Eindruck sehr gefährlich und verlangen unsere ausdrückliche Wachsamkeit! Und in eben diesem Sinne sei die hier vorliegende persönliche Reaktion auch zu lesen.

Es geht um das künftige Rentensystem, ein wahrer Dauerbrenner in der sozialpolitischen Diskussion. Genauer darum, wie ebendieses Rentensystem in Zukunft funktionieren kann. Ein Modell, das nach der Vorstellung dieses aus der Sicht aller Verfechter des glücklicherweise immer noch bestehenden Umlageverfahrens unwichtigen Autors –
der allerdings das Sprachrohr gewisser neoliberaler Interessen und ihrer fragwürdigen „Denkschulen“ zu sein scheint – ausgedient haben soll. Neoliberale Dunstkreise, die unser bestehendes Rentensystem völlig auf den Kopf stellen wollen.

Für den visierten Autor Edoardo Campanella entwickelt sich der „Ruhestand in Muße“, der in den meisten entwickelten Ländern eine der großen sozioökonomischen Innovationen
des vergangenen Jahrhunderts im Kontext der Rentenversicherung darstellt, zum (Zitat) „Luxus“. Man lese, staune und erschrecke ob dieser Wortwahl: Ruhestand in Muße als Luxus!

Zukunft des Renten- und Pensionssystems

Allein schon diese arrogante Terminologie dürfte all jenen Menschen gegenüber eine Beleidigung sein, die ihre lange und für viele mühevolle Arbeitszeit von generell 40 Arbeitsjahren, die sie nach den monatlichen Rentenversicherungsbeiträgen, die sie mittels Lohn- oder Gehaltsabrechnung eingezahlt haben, ab einem gewissen Alter in eine wohlverdiente Altersrente umwandeln dürfen – und das für ihre ihnen allen verbleibende Lebenszeit, was ja wohl ein Recht jedes Menschen sein dürfte.

Das Recht eben, sein Leben im Ruhestand genauso zu verbringen und zu gestalten, wie es ihm oder ihr doch wohl beliebt und auch zusteht. Und das durchaus auch in „Muße“, wem das persönlich gefällt … Nur – dieser „Luxus“ nach Auffassung gewisser Kreise, soll den aktuellen, besonders jedoch zukünftigen Rentnern völlig vermiest werden, ein (Zitat) „Luxus, den sich kaum ein Land leisten kann“.

Eigentlich bekannte Töne all jener, denen das auf Solidarität basierende Sozialversicherungssystem des Umlageverfahrens eh ein Dorn im Auge darstellt. In der Tat dürfte kaum eine sozialpolitische Diskussion in den letzten Jahren so viele Debatten ausgelöst haben wie diejenige über die Zukunft des Renten- und Pensionssystems.
Ein Reizthema der besonderen Art, ein System, das allerdings überhaupt keiner Kurskorrektur bedarf – sofern man bereit ist, innerhalb dieses uns bis heute sehr nützlichen und bestens funktionierenden Altersversicherungssystems gewisse Korrekturen vorzunehmen. Bekannt ist in diesem Kontext, dass die demografischen Prognosen eine ungünstige Altersstruktur der Bevölkerung vorhersagen.

Zum einen fürchten daher die Älteren, die sich entweder schon im Ruhestand befinden oder kurz davor stehen, dass ihre erwarteten Renten- respektive Pensionsleitungen (für die öffentlichen Beamten) nicht realisiert oder auf Dauer finanziert werden könnten. Zum anderen fürchten die Jüngeren, dass sie in einem Übermaß zur Finanzierung eben dieser Renten- oder Pensionszahlungen herangezogen werden, selbst womöglich aber mit noch geringeren Auszahlungen zu rechnen hätten. Diesen Ängsten liegt die Funktionsweise des auf dem Prinzip der Solidarität beruhenden Umlageverfahrens zugrunde, nach dem die Pensionen direkt aus den laufenden Beiträgen der Aktiven finanziert werden.
Es soll in diesen Zeilen allerdings nicht um die bekannte Systemdiskussion Kapitaldeckungsverfahren versus Umlageverfahren gehen, wissend, dass sich in dieser grundsätzlichen Frage selbst unabhängige Experten nicht klar festlegen können.

Für uns allerdings – und unsere Regierung hat sich klar geäußert – steht keine Systemänderung zur Debatte – und das ist gut so! Weshalb auch, denn es gibt keinen Grund dafür! Womit schon einmal klar sein dürfte, dass es nur darum gehen kann, das Umlageverfahren ganz einfach „fit“ für die Zukunft neu aufzustellen.
Es gibt also keinen wirklichen Grund für eine grundlegende Renten- und Pensionsreform. Außer eben jenem, den diejenigen zu erkennen meinen, die uns ihre „unbequeme Wahrheit“ verklickern wollen und entsprechende Töne von sich geben, die man musikalisch Dissonanzen nennen würde. Im sozialpolitischen Kontext gelesen.

Rentner sind keine „Arbeitsmarktreserve“

Unstimmigkeiten, Differenzen, die allerdings im Sozialdialog, den gewisse Kreise sowieso am liebsten abschaffen würden, unerträglich, ja völlig inakzeptabel sind! Zitat des in diesen Zeilen visierten Spaniers Campanella: „Die derzeit ihre zweite Jugend genießenden Rentner werden das vielleicht nicht gerne hören: Aber es ist höchste Zeit, dass die Regierenden die staatlichen Renten teilweise von der Ableistung gemeinnütziger Arbeit abhängig machen [sic!].»

Die Kompetenzen der Senioren sollten die EU-Regierungen als ein „Segment der Erwerbsbevölkerung behandeln statt als Last für die öffentlichen Ausgaben und für das Wirtschaftswachstum einzuschätzen“. Klingt gut, nur diese Altersaktivitäten als Bedingung für den Bezug von verdienten Altersbezügen, sprich Renten- und Pensionen obligatorisch zu regeln, ist eine Vergewaltigung des Systems an sich!

Gemeinnützige Arbeit ist sehr lobenswert und eine entsprechende Ermunterung als sinnvolle „Beschäftigung“ körperlich und geistig aktiver Senioren im Sinne eines wertvollen gesellschaftlichen Beitrages ist durchaus vertretbar – nur Rentner als „Arbeitsmarktreserve“ anzusehen, auf die die Regierungen im Bedarfsfall zurückgreifen könnten, und im Verweigerungsfall „finanzielle Strafen“ (sprich Rentenkürzungen) anzudrohen belieben, geht dann doch entschieden zu weit! Was erlaubt dieser Mann sich in seiner Selbstherrlichkeit denn überhaupt?

Niemand zweifelt am durchaus vielfältig gemeinnützig verfügbaren und einsatzbereiten Potenzial der heuer immer noch leistungsfähigen Rentnergeneration, die einen absolut aktiven Ruhestand genießen dürfen.

Nur: ein von oben verordnetes Aktivitätsprogramm von Staats wegen ist mehr als abwegig. Was jemand freiwillig und ungezwungen, positiv betrachtet, in seinen oder ihren Ruhestand (und den Grad dieser „Ruhe“ muss sie oder er bitte sehr wohl gefälligst immer noch selbst definieren dürfen!) einbringen will oder noch zu leisten bereit ist, dürfte jedoch immer noch der persönlichen Bereitschaft und dem Willen der oder des Einzelnen unterliegen. Alles andere wäre eine Vergewaltigung des Prinzips „Ruhestand“. Wie sagte schon Willy Brandt, der große Sozialdemokrat:

„Es soll sich die Politik zum Teufel scheren, die – um welcher Prinzipien auch immer – den Menschen das Leben nicht leichter zu machen sucht.“
Und das gilt doch wohl ohne Wenn und Aber für unsere solidarische Altersversicherung, die wir uns verdient haben!

 

 

J.C.KEMP
18. Januar 2019 - 11.49

Der beste Rentner ist wohl der, der gleich mit dem Eintritt in die Rente mausetot umfällt, um es mal salopp zu formulieren.

roger wohlfart
15. Januar 2019 - 12.46

Das alte Thema: Respektlosigkeit vor dem Alter und Neidschürerei gegen die Rentner. Es werden die Jungen gegen die Alten aufgehetzt, letztere sind eine Bürde und leben angeblich auf Kosten der Werktätigen. Vergessen oder beflissentlich totgeschwiegen wird, dass die heutigen Senioren ihren Beitrag zum Wohlergehen der Allgemeinheit geleistet haben.