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Cliffhanger Demokratie? (Teil 1)

Cliffhanger Demokratie? (Teil 1)

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Lassen wir uns unsere repräsentative Demokratie nicht kaputtreden (I)

Von Frank Bertemes

„Wenn Wahlen irgendeine Bedeutung hätten, würde man uns nicht erlauben,
sie abzuhalten.“
(Mark Twain, amerikanischer Schriftsteller)

Eines gleich vorweg: Der Autor dieser Zeilen glaubt in seiner Naivität des „Trotz-allem-Optimisten“ und als mündiger Bürger, der zwar so einiges vermisst, an das demokratische aktive und passive Wahlrecht, das wir als Wahlvolk im Rahmen von periodischen freien Wahlen ausüben dürfen. Keine Frage! Und als unverbesserlicher Basisdemokrat an die in unserem Lande gepflegte Form der repräsentativen Demokratie, die ebendiese basisdemokratischen Einflüsse und Instrumente der direkten Demokratie noch besser nutzen könnte. Da besteht durchaus noch Luft nach oben! Doch weshalb Mark Twain trotzdem inhaltlich und historisch betrachtet nicht unrecht hat – dazu weiter unten mehr …
Ein Cliffhanger. Ein Wort, das wohl nicht jedem geläufig ist.

Der Duden belehrt uns zu diesem Anglizismus wie folgt: Cliffhanger – ein große Spannung hervorrufendes dramatisches Ereignis am Ende einer Folge einer Rundfunk-, Film- oder Fernsehserie oder eines Buchkapitels, das die Neugier auf die Fortsetzung wecken soll. Oder auch, so sei an dieser Stelle das Lexikon der Filmbegriffe zitiert: Die Dramaturgie des Cliffhangers entstammt der frühen Serienproduktion, und auch das Bild, das der Begriff benutzt, in den 1910er-und 1920er-Jahren geprägt, kommt letztlich aber aus der seriell vertriebenen Popularliteratur des späten 19. Jahrhunderts. Am Ende einer Episode sieht man den Helden an einer Klippe hängen, nicht wissend, ob er in den Tod stürzen wird oder nicht.

Die nächste Episode in der nächsten Woche nimmt diese Situation wieder auf – meist mit der Rettung des Protagonisten – und endet in einer neuen ungewissen Situation. Ein Cliffhanger ist also ein Trick, einen Handlungsfaden in einer Folge einer Serie bewusst nicht in dem Film oder der Sendung zum Abschluss zu bringen, sondern dem Geschehen am Ende eine besondere, oft dramatische Wendung zu geben, die die Spannung noch erhöht, aber ungeklärt stehen bleibt. Aus dieser gespannten Erwartung des Fortgangs soll der Zuschauer animiert werden, zur nächsten Folge wieder einzuschalten. Heute ist die Strategie des Cliffhangers vor allem in den seriellen Formaten des Fernsehens verbreitet – als unaufgelöster Höhepunkt am Ende der Episode oder als Zwischenhöhepunkt vor dem Werbeblock.

Prinzip der Volkssouveränität

So weit zum Begriff an sich. Dem Cliffhanger, der natürlich nur als Aufhänger dieser Zeilen dienen soll, und dies im Kontext der anstehenden Parlamentswahlen im kommenden Oktober. Wahlen – die demokratische Basis unserer repräsentativen Demokratie. Nur: die Demokratie muss aktiv gelebt sein und braucht Volksaufklärung. „Die Menschen brauchen als Voraussetzung für eine funktionierende Demokratie“, so der norwegische Philosoph, Literaturwissenschaftler und Autor Jostein Gaarder, „genügend Unterricht, um an den demokratischen Prozessen teilnehmen zu können.“ Dieses Defizit muss also unbedingt korrigiert werden, besonders im Interesse der jungen Generation.

Und damit zur repräsentativen Demokratie unserer konstitutionellen Monarchie, die vielen von uns allerdings besser in der Staatsform der Republik gefallen würde, was auch diverse „Sozialisten“ offensichtlich vergessen haben – doch das nur als Randbemerkung. Die repräsentative Demokratie, die im Rahmen dieses Beitrages näher beleuchtet werden soll, bezeichnet eine demokratische Herrschaftsform, bei der politische Entscheidungen und die Kontrolle der Regierung nicht unmittelbar vom Volk, sondern von einer Volksvertretung, dem Parlament, ausgeübt wird.

Die Demokratie des Grundgesetzes basiert auf dem Prinzip der Volkssouveränität. Das Volk ist der Inhaber der Staatsgewalt, der staatliche Souverän. Wie im letzten Beitrag des Zeilenschreibers zum „Demos“ bereits beschrieben, übt das Volk die Staatsgewalt nicht direkt aus, sondern hat diese Repräsentanten, den Abgeordneten, die auf Zeit gewählt werden, übertragen. Dies ist das Prinzip der repräsentativen Demokratie, im Gegensatz zur direkten Demokratie, in der das Volk mittels Volksabstimmungen alle wesentlichen Entscheidungen fällt.

Die deutlich bessere Alternative – Beispiel die Schweiz – wie einige meinen? Nicht unbedingt, aber möglicherweise doch. Eine repräsentative Demokratie zeichnet sich dadurch aus, dass die Abgeordneten von den Bürgern und Bürgerinnen gewählt werden und dass diese nach bestimmten Regeln entscheiden – Regeln, die unter Beteiligung der Bevölkerung zustande gekommen sind und die rechtsstaatlichen sowie menschenrechtlichen Werten entsprechen. Denn Demokratie ist keineswegs nur eine Abstimmungsmethode, sondern ihr Fundament sind das Grundgesetz und die Menschenrechte. Diese haben demokratisch gewählte Politiker zu respektieren – mehr noch, sie haben sie aktiv zu schützen!

Das alles dürften wir als tumbes Wahlvolk zumindest voraussetzen. Demokratie im Sinne von Teilnahme der Menschen am politischen Geschehen geht bekanntlich auf das antike Griechenland zurück. Demokratie im Sinne von Vertretung, also von Repräsentation des Wahlvolkes durch gewählte Politikerinnen und Politiker, ist im 18. Jahrhundert anzusiedeln. Die Französische Revolution und die amerikanische Unabhängigkeitsbewegung gelten als Meilensteine. Nur – was wurde daraus gemacht, wie weit sind wir gekommen?

Teil zwei am Donnerstag im Tageblatt