Heute ist es wieder so weit. Im großen Kongresszentrum auf Kirchberg beginnt die große jährliche ALFI-Frühlingskonferenz. Finanzexperten aus der ganzen Welt werden anreisen, um sich Vorträge anzuhören und mitzudiskutieren. Es wird geredet über Aufsichten, Kundenwünsche, Cybersecurity, soziale Medien und Anlageklassen. Es wird eine Unzahl Stände geben, an denen Prospekte und Werbegeschenke verteilt und Visitenkarten ausgetauscht werden.
Was fehlt? Das Interesse der breiten Öffentlichkeit! In Luxemburg registrierte Investmentfonds verwalten mittlerweile über 3.741 Milliarden Euro an Aktiva (Stand Dezember 2016). Damit ist das kleine Luxemburg der zweitgrößte Investmentstandort der Welt nach den USA. Und dies nicht etwa auf die Größe des Landes heruntergerechnet, sondern in absoluten Zahlen ausgedrückt. Luxemburger Investmentfonds haben so viel Vermögen wie die Investmentfondsbranche in sonst keinem Land der EU. Alleine daran gemessen sollte die Investmentfondsbranche Thema eines jeden zweiten Stammtischgespräches sein. Doch das ist sie nicht.
Der Finanzbranche kann man daran nicht die Schuld geben, die ist in Luxemburg sichtbarer als überall sonst auf der Welt. Der Flughafen etwa ist verhängt mit Reklamen von Vermögensverwaltern. Die (aggregierten) Zahlen der Branche werden Monat für Monat publiziert und von den Zeitungen abgedruckt. Der Branchenverband ALFI hält Pressekonferenzen ab und steht der Presse besser Rede und Antwort als viele andere Unternehmen oder etwa Behörden.
Das Thema ist allerdings ein kompliziertes. Und man kann niemandem verübeln, dass er bei Ucits, AIFM, MiFID oder RAIF abschaltet. Bei diesen Themen treffen sich die Rechts- und die Finanzwissenschaften, Europadirektiven und nationales Recht, Sparer, Investoren und Schreibtischtäter. Das geringe öffentliche Interesse birgt allerdings auch ein politisches Problem. Die Abgeordnetenkammer steht in diesen Dingen nicht unter der Beobachtung der Bevölkerung. Die Regierung kann sich wiederum darauf verlassen, dass ihre Kollegen in den Fraktionen ihre Vorhaben begrüßen.
Ein Beispiel: Im Sommer 2016 stimmte das Luxemburger Parlament (mit den Stimmen aller Parteien außer „déi Lénk“) ein Gesetz über die sogenannten RAIF – Investmentfonds, die nicht, wie andere Investmentfonds in Luxemburg, von der Finanzmarktaufsicht CSSF geprüft werden müssen. Die Finanzbranche nannte das Gesetz „game changer“. Eine europäische Direktive über alternative Investmentfonds (solche, die nur an Profis verkauft werden dürfen) besagt, dass bei diesen Fonds lediglich die Verwaltungsgesellschaft, nicht aber der Fonds selbst der Aufsicht unterliegt.
Bislang hatte der luxemburgische Gesetzgeber diese zweite Vorsichtsmaßnahme im nationalen Gesetz allerdings verordnet. Eine breite öffentliche Debatte gab es nicht. Die großen Oppositionsparteien stimmten dem Gesetzentwurf von Finanzminister Pierre Gramegna zu. Warum auch nicht? Der Wähler interessiert sich nicht für das Thema. Opposition ist erst dann attraktiv, wenn sie politisch profitabel ist.
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