Vergangenheitsbewältigung schmerzt, ist unangenehm und führt zu merkwürdigen Diskussionen. Oft bleibt der Reflektierende auf der Stelle stehen. Er verheddert sich in Widersprüchen, Zwängen und seinem eigenen Leid. So auch in Luxemburg. Zurzeit erleben wir die Wehen einer dreifachen Vergangenheitsbewältigung à la luxembourgeoise: LuxLeaks, Panama Papers, Bettel/Kemmer/SREL-Affären. Die breite Öffentlichkeit mag der Wahrheit nicht so recht ins Auge schauen. Gemeinsamer Nenner ist die gebetsmühlenartig heruntergeleierte Formel: „’t ass jo awer legal“.
Spätestens seit LuxLeaks wurde klar, dass das Großherzogtum zum Sündenbock einer eigentlich europaweit existierenden Problematik hochstilisiert wurde. Die internationale Debatte über Steueroptimierung blieb aber aus. Unsere europäischen „Freunde“ zeigten lieber mit dem Finger auf Luxemburg, statt ihn auch auf Belgien, die Niederlande, Frankreich, Deutschland, Irland oder auch Großbritannien zu richten. Dies ist jedoch keine Entschuldigung für ein Finanzmodell, das jahrelang auf absurden, von Staat sowie Gesetz genehmigten und am Fließband verabschiedeten Steuer-„Rulings“ basierte. So recht stört sich niemand hierzulande daran. Wir sind ja in guter Gesellschaft – und eine Harmonisierung der europäischen Steuerpraktiken ist in weiter Ferne. „’t ass jo legal“, denken sich Politik, Unternehmen und Bürger.
Ähnlich merkwürdig geht die Öffentlichkeit mit Luxemburgs Rolle in den Panama Papers um. Die BIL-Tochter Experta hat zwar auch nichts Illegales getan, war jedoch im Zusammenspiel mit der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca Weltklasse im Briefkasten-Business, das wahrlich nicht zu einer Schließung der Schere zwischen Arm und Reich beiträgt. Auch die französische Société Générale mischte fleißig über das Großherzogtum mit.
Selbst hier fällt Luxemburg die Vergangenheitsbewältigung schwer. Nicht nur unsere europäischen Nachbarn, sondern auch unsere transatlantischen „Freunde“ sind keine wirklichen Vorbilder in Sachen briefkastenfreie Welt. Also blickt man in Luxemburg mit einem Lächeln auf den Briefkastenrausch zurück. Zu befürchten haben wir nichts. „’t ass jo legal“, denken sich Politik, Unternehmen und Bürger.
Komplizierter wird die Vergangenheitsbewältigung mit Blick auf die Affäre Bettel/Kemmer. Dass Premierminister Xavier Bettel sich seinerzeit im Rahmen der Aufklärung der SREL-Affäre mit dem Ex-Geheimdienstagenten André Kemmer traf, war ebenfalls legal. Dass er dies jedoch damals als Mitglied des SREL-Untersuchungsausschusses und ohne Mitwissen der anderen Ausschussmitglieder tat, war, nett ausgedrückt, unvorsichtig. Wundern dürfte es niemanden, dass die CSV nun aus Bettels damaligem Fehler Kapital schlagen will. Sie leckt sich noch immer die Junckerschen Wunden. Bizarrer ist jedoch die völlig übertriebene Reaktion, Bettels Rücktritt zu fordern. Ihn nun als großen Verschwörer darzustellen, der Juncker mittels fragwürdiger Seilschaften loswerden wollte, gehört nicht mehr in die Kategorie „schwierige Vergangenheitsbewältigung“, sondern eher in den Bereich der Geschichtsumschreibung. Die zahlreichen bis heute unaufgeklärten SREL-Affären, um die es eigentlich beim Zwischenfall Bettel/Kemmer ging, passierten unter CSV-Ägide.
Sie schmerzt, die Vergangenheitsbewältigung à la luxembourgeoise.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können