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Ort der Besinnung: Vom Wert unseres kulturellen Erbes

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Den Großbrand in der Pariser Kathedrale Notre-Dame darf man mit Recht als Katastrophe bezeichnen.

Notre-Dame überstand die Revolution und zwei Weltkriege weitgehend unbeschadet. Und nun das. Doch gerade dieser Umstand sollte uns in Erinnerung rufen, welche unermesslichen Verluste Europa im Verlauf dieser Weltkriege erlitten hat.

Von der Zerstörung von Leuven (Louvain) durch die „Hunnen“ (wie Wilhelm II. sie selbst bezeichnete) bis zur völlig sinnlosen Abfackelung deutscher Städte, die keinerlei strategische oder militärische Bedeutung hatten, sind in den knapp zehn Jahren, die diese „europäischen Bürgerkriege“ gedauert haben, quer über unseren Kontinent hinweg unersetzliche Kulturschätze in gigantischem Ausmaß vernichtet worden.

Gerade in den kriegszerstörten Stadtzentren wie Warschau oder Dresden, in denen Bausubstanz aus Mittelalter, Renaissance, Barock und Gründerzeit oft durch grottenhässliche Betonklötze aus den „Trente Glorieuses“ ersetzt wurde, kann man anhand alter Postkarten ermessen, was da verschwunden ist und niemals wiederkehren wird.
Wobei moderne Rekonstruktionen, wie jüngst in Frankfurt, letzten Endes halt meist dann doch nicht so ganz „the real thing“ darstellen.

Nun darf man im Falle Nazi-Deutschlands mit Recht feststellen, dass das Land durch seinen Aggressionskrieg gegen den zivilisierten Teil Europas im Wesentlichen selbst schuld an seinem Schicksal war, doch ändert das nichts an der Tatsache, dass kulturelle Schätze zum Erbe der gesamten Menschheit gehören.

Und dass daher, wer das kulturelle Erbe des Kriegsgegners mutwillig vernichtet, sich letztendlich an der gesamten Menschheit versündigt.

Notre-Dame gehört zu den absoluten Höhepunkten europäischen Kulturschaffens: der gotischen Kirchenbaukunst. Man braucht nicht gläubig zu sein, um von der schieren Schönheit und der architektonischen Kühnheit dieser Tempel überwältigt zu sein.
Ein Besuch etwa der Kathedrale von Metz, aber auch der Basilika von Avioth (siehe Foto oben), bietet in unserer unmittelbaren Nachbarschaft die Gelegenheit, die ganze Herrlichkeit dieser Kunst auf sich einwirken zu lassen.

Man muss dabei nicht beten. In der Tat suchen auch Nichtgläubige an diesen Orten Momente der Stille und Besinnung. Das gilt übrigens für Sakralbauten anderer Religionen ebenso: von der Moschee auf dem Balkan bis zum Zen-Kloster in Ostasien.
Frankreich wird Notre-Dame wiedererstehen lassen. Auch der Kathedrale von Reims merken heutzutage schließlich nur noch Fachleute an, dass sie einst – ebenfalls von Wilhelms Hunnen – zu Klump bombardiert worden war.

Doch nach wie vor werden weltweit Kultur- und Naturschätze vernichtet, weil geldgeile Baulöwen alles planieren, was ihrer Gier im Wege steht. Andere Erbstücke gehen verloren, weil die öffentliche Hand für alles Mögliche ein Budget hat, bloß nicht für ihre Erhaltung.
Die Katastrophe von Notre-Dame wird daher vielleicht als einzigen Nutzen den haben, dass sie uns eindringlich ins Bewusstsein ruft, wie arm wir Menschen doch ohne unser Kulturerbe dran sind.

Jacques Zeyen
19. April 2019 - 8.58

"Man braucht nicht gläubig zu sein, um von der schieren Schönheit und der architektonischen Kühnheit dieser Tempel überwältigt zu sein." Richtig.
Auch als Atheist kann man diese Wunderwerke gerne bestaunen.Es geht um Architektur und Statik. Man hat natürlich im Hinterkopf unter welchen Strapazen und mit wievielen Menschenopfern,aber auch finanziellen Mitteln diese Gebäude errichtet wurden. Religionen und Kulte sind mächtige Triebfedern,jedenfalls für die kirchlichen und weltlichen Herrscher dieser Tage. Das zieht sich durch die ganze Menschheitsgeschichte. Von den Pyramiden bis zum Kölner Dom oder eben Notre Dame.Burgen,Schlösser oder Kirchen,es sind beeindruckende Gebäude und Zeugen menschlicher Handwerkskunst. Das kann nur der Mensch.

de Schmatt
17. April 2019 - 17.20

Auch der Wald ist ein Ort für Besinnung und innerer Einkehr, den der Mensch im Begriff zu zerstören. Die Bauherren, Architekten der Kathedralen haben sich übrigens in der Natur, vornehmlich im Wald für ihre Konstwerke inspiriert.

CESHA
17. April 2019 - 16.39

Ja, ich finde es auch traurig, dass einige Millionäre anscheinend für eine abgebrannte Kathedrale (so schade es auch um so ein Architektur-Denkmal ist) mal locker so einige Millionen spenden können, für die Opfer von Naturkatastrophe aber meist nur sehr viel geringere Beiträge zusammenkommen.

Jean Bodry
17. April 2019 - 12.08

Et ass nach net gesot, ob de franséische Staat déi Spenden dierf unhuelen. Déi Spenden ginn bäi Steieren ofgesot! Da sinn déi Spendensuen wäiss gewäscht! An do leit Krom an de Heck!

Grober J-P.
17. April 2019 - 11.04

Bin überrascht, dass plötzlich hunderte Millionen Euros bereitgestellt werden sollen um das Gotteshaus wieder aufzubauen. In Haiti oder in Italien oder in Aleppo warten Leute auf einpaar Euros um ihre "Buden" wieder aufzubauen. Kulturerbe, Touristenmagnet, bringt Kohle. Notre Dame als Ruine wäre bald vergessen.