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Es könnte nicht zynischer sein: Während die Türkei international ihre politischen Spielchen spielt, dürfte man zumindest mit Blick auf die Justiz ein unpolitisiertes Vorgehen erwarten. Doch auch hier bringt die aktuelle türkische Regierung es fertig, dass so ziemlich jeder Staat schnell in die Bredouille geraten kann. Liegt zum Beispiel ein internationales Auslieferungsgesuch von Interpol vor, muss sich die luxemburgische Justiz, wenn es sich um einen türkischen Staatsbürger handelt, Sorgen machen. Denn es ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Türkei im Zuge des gescheiterten Putsches eine wahre Hexenjagd begonnen hat. Sie will in aller Welt das Gefühl und den Eindruck vermitteln, dass niemand sicher ist.

Bislang ist Luxemburg noch glimpflich davongekommen. Im Tageblatt-Gespräch versichert der Pressesprecher der Generalstaatsanwaltschaft, dass in den letzten drei Jahren kein türkischer Bürger in Luxemburg identifiziert worden sei, gegen den ein solches Auslieferungsgesuch vorgelegen habe. Doch die eigentlichen Probleme sind damit nicht aus der Welt. Denn es wirkt fast absurd, dass in der Praxis zunächst einmal die Polizei oder eine andere Behörde «um Terrain» den von Interpol gesuchten türkischen Staatsbürger identifizieren muss. Erst danach wird die Justiz darüber informiert und weiß, dass es diese Person gibt. In Deutschland hat diese Diskussion bereits für viel Kritik an dem doch eher intransparenten Vorgehen gesorgt. Weshalb, ist klar: Diese Art des Vorgehens ermöglicht es Staaten wie der Türkei, jeden als Schwerverbrecher darzustellen und per Auslieferungsgesuch suchen zu lassen.

Nun sollte man dies nicht als Kritik an der hiesigen Justiz oder der eines anderen EU-Mitgliedstaats verstehen. Denn es wird eigentlich nur das geläufige Prozedere eingehalten. Aber: Die Justiz wird in die politischen Spiele von Staaten wie der Türkei hineingezogen. Denn am Ende entscheidet der Justizminister, nach Konsultation mit der Ratskammer des Berufungsgerichts, ob ein Auslieferungsgesuch und der damit verbundene Fall politisch motiviert sind oder nicht. Klartext: Man kann dem Gesuch Folge leisten oder es ganz einfach ignorieren.

Nicht gelöst ist damit jedoch die Frage, weshalb nicht einmal jene Ministerien, die in der EU für Polizeifragen zuständig sind, die Interpol-Listen mit den Auslieferungsgesuchen einsehen können. In Deutschland führte dies nach der Diskussion um die zeitweilige Festnahme des Schriftstellers und Intellektuellen Dogan Akhanli zu einer fruchtbaren Debatte. So forderte der Investigativ-Reporter Günter Wallraff vom deutschen Innenminister Thomas De Maizière, er solle sein Amt nutzen, um politischen Druck auf Interpol auszuüben, damit diese ihre türkischen Fahndungsgesuche offenlege. Denn es ist klar, dass die Türkei keinerlei Interesse daran hat, diese Gesuche zu veröffentlichen. Wäre die Liste öffentlich und somit transparent, würde wahrscheinlich sehr schnell klar, dass Präsident Recep Tayyip Erdogan und sein immer autoritärer werdender Staat nicht nur zu Hause «säubern», sondern systematisch unschuldige türkische Staatsbürger im Ausland mundtot machen wollen.

Jos. Reinard
15. September 2017 - 13.54

Über die Türkei möchte ich mich hier nicht äussern, nur den Satz aufgreifen : Man kann dem Gesuch Folge leisten oder es ganz einfach ignorieren. Mit Genehmigung von Elias Davidsson, Beruf Musiker, ehrenamtlich und
publizistisch befasst er sich mit Fragen zum Frieden, des Völkerrechts und der Menschenrechte nur dieses: BRD
Folgende Personen ( es werden namentlich 43 Leute aufgezählt ),werden von den Leitmedien in Deutschland, Großbritannien und anderswo, als Zeugen des Anschlags am Berliner Breitscheidplatz interviewt.
Auf der Grundlage des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) beantragte er am 20.08.17 beim Bundeskriminalamt
(BKA) folgende Informationen.
1. Wer von den oben angeführten Zeugen wurde in Beziehung zum Berliner Anschlag vom BKA vernommen, und wann fanden die einzelnen Vernehmungen statt?
2. Welche Voraussetzungen müssten erfüllt werden, um Einsicht in diese
Vernehmungsprotokolle zu bekommen?
Am 13.09.17 bekam er diese Antwort:
"Sie begehren demnach Zugang zu Informationen, deren Ursprung - sofern sie dem BKA vorliegen sollen, eine entsprechende Überprüfung im Rahmen der Antragsbearbeitung erfolgte - nicht in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren liegt.
Soweit Informationen aus laufenden oder abgeschlossenen staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren betroffen sind, besteht ein Anspruch auf Informationszugang nach dem IFG nicht, da die spezialgesetzlichen Regelungen
der Strafprozessordnung (StPO) dem IFG vorgehen.
Für die Entscheidung über die Auskunftserteilung und das Akteneinsichtsrecht in Ermittlungsverfahren und nach rechtmäßigem Abschluss desselben ist die Staatsanwaltschaft, im Uebringen der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts zuständig" Fazit:
Mit diesem Briefwechsel soll der Bürger dieses Landes verstehen, dass die Justiz immer noch das Privatdomän
des Staates ist. Wer glaubt die Justiz verkündet Urteile "im Namen des Volkes" verwechselt Hülsen mit Inhalt.
Wer noch glaubt wir leben noch in einem Rechtsstaat, soll hiermit eines besseren belehrt werden. Der Staat ist in
der Lage in einem Verfahren solange zu ermitteln, wie er will. Wer sich für Demokratie interessiert, soll zuerst bei der Justiz anfangen. freundlichst

Student
15. September 2017 - 11.17

Weiterführendes: z.B. suchen nach: Paul_Dickopf, Reinhard Gehlen, Hans Globke, ...

jacques zeyen ( Ardèche )
15. September 2017 - 9.12

" Man kann dem Gesuch Folge leisten oder es ignorieren." Genau. Man sollte dieses Sultanat eigentlich etwas mehr ignorieren solange es mit Demokratie solche gravierenden Schwierigkeiten hat.