Das Sommerloch gibt uns die Gelegenheit, oder besser: die Zeit, nachzulesen, was die Parteien in Sachen Kulturpolitik für die kommende Legislaturperiode im Sinn haben, wobei unser Hauptaugenmerk den Regierungsparteien gilt. Von der größten Oppositionspartei liegt noch kein Wahlprogramm vor, was gar nicht so dumm ist, denn welcher Wähler liest schon – wenn überhaupt – anstatt eines Krimis ein Wahlprogramm am Strand?
In vielen Punkten überschneiden sich die Programme von LSAP, DP und «déi gréng», vor allem was die Gemeinplätze angeht, wie z.B. «Kultur ist ein wichtiges Element gesellschaftlichen Lebens» («déi gréng»), «Kultur legt die notwendige Basis für eine funktionierende Demokratie» (LSAP), «kulturelle Teilhabe für alle» (DP). Neben den sich ähnelnden Forderungen und Versprechen wie der Unterstützung von Esch 2022 oder einer besseren Vermarktung unserer Künstler im Ausland («déi gréng» und die LSAP haben schon einen Namen für eine entsprechende Institution: «Luxembourg Arts Council» bzw. «Lux Creation») gibt es einige Perlen, die wir Ihnen nicht vorenthalten können. So wollen «déi gréng» die «App- und Spiele-Industrie als einheimischen Wirtschaftsbereich weiter ausbauen (…), um Luxemburg zu einem Zentrum der digitalen Kreation zu machen». Angesichts des enormen Vorsprungs von Frankfurt, Berlin oder Kalifornien müsste der finanzielle Aufwand ziemlich groß ausfallen.
Auch für Musikliebhaber haben die Grünen etwas parat: eine Agentur für Festival- und Open-Air-Kultur, die wohl dafür gedacht ist, die Tausenden von Open-Air-Festivals besser zu koordinieren. Den Musikunterricht wollen die «gréng» nur «fördern», derweil die DP ihn gleich kostenlos machen will. Kurz, ein großer Teil der Forderungen fällt in die Kategorie «vor der Wahl kann man alles fordern». Einen Punkt (der DP), bei dem man nur den Kopf schütteln kann, haben wir uns für den Schluss aufgehoben: Die Liberalen wollen ein «Luxemburg-Haus als zentrale Begegnungsstätte schaffen».
Dort soll die nationale Identität zur Schau gestellt und gezeigt werden, was das Luxemburgische ausmacht. «Es soll (…) der ‹Flagship Store› Luxemburgs werden, in dem Einheimische, Zugezogene und Gäste die besondere Landesidentität sehen, hören, anfassen und schmecken können.» Warum sollen wir Einheimische in einer Art Museum sehen wollen, wie wir selbst leben? Soll Ausländern dort erklärt werden, wer dieses Geschöpf Luxemburger ist? Es scheint, als wollten da einige innerhalb der DP auf einer nationalistischen Welle reiten, die derzeit über Europa rollt.
Genau heute, am 3. August, ist ein guter Tag, um daran zu erinnern, was ein überhöhtes nationales Selbstwertgefühl anrichten kann, denn heute auf den Tag genau ist es 104 Jahre her, dass Deutschland Frankreich den Krieg erklärt hat. Einen Tag später besetzten die Deutschen Luxemburg. Damit begann für das Land der Erste Weltkrieg, der u.a. eine Folge von Nationalismus ist. Ein Luxemburg-Haus wird keinen Weltkrieg auslösen, doch aus der Geschichte lernen heißt auch, nationalistisch angehauchte Dummheiten zu unterlassen, und seien sie noch so klein.
Die Kultur, und zwar die gehobenere, scheint eine grosse Rolle im Vorwahlkampf zu spielen. So können verschiedene Parteien von dem Wesentlichen ablenken, u.a. von den sozialen Missständen, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten. Mit Hilfe der Kultur wird die beschämende Armutsgrenze in Luxemburg übertüncht. Wofür die Kultur nicht alles herhalten muss?