«Et gëtt jonk an al Idioten»: Land-Chefredakteur Romain Hilgert traf bereits letztes Jahr die politischen Erneuerungsforderungen mit viel Humor im Kern. Denn die Sehnsucht nach Aufbruch wirkt besonders bei den Wahlverlierern CSV und LSAP beliebig und leicht verzweifelt.
Seit dem Wahlausgang ist die Erneuerungsdebatte eine der wichtigen Arenen im Kampf um die politische Deutungshoheit und Posten innerhalb der Parteien. Bei der LSAP zeigt sich, dass unter dem Deckmantel der Erneuerung vor allem eine irrsinnige Konfrontation zwischen Jung und Alt heraufbeschworen wird. Besonders auffällig: das Label «Jung» versammelt Politiker unterschiedlichen Alters mit verschiedenen politischen Vorstellungen, die über kein gemeinsames, den «Alten» entgegengesetztes, sinnstiftendes Narrativ verfügen. Auch bei der CSV wirkt die Forderung nach einer Überwindung der «Breedewee»-Generation arg simpel. Ähnlich wie bei der LSAP sind es bei der CSV vor allem die älteren Semester, die als Stimmenfänger den meisten Erfolg haben.
Das geläufige Gegenargument lautet im Falle beider Parteien: Die Jungen werden von den Alten erstickt, die Parteistrukturen sind rigide und veraltet, es wird eher verwaltet als gestaltet. Das mag stimmen. Allerdings hat sich während des Wahlkampfes auch eine für die jüngeren Semester unbequeme Wahrheit gezeigt: Inhaltlich gab es bei den unterschiedlichsten Jungpolitikern wenig Revolutionäres, das sie großartig von ihren älteren Parteikollegen unterschieden hätte.
Im Gegenteil. Bei verschiedenen Kandidaten hatte man trotz ihres zarten Alters den Eindruck, sie wären bereits in Rente und auf der Suche nach ihrem eigenen Mut. Gerade jene, die jetzt große Töne von sich geben und eine Erneuerung ihrer Partei fordern, sollten sich an die eigene Nase fassen. Natürlich gehört zu jeder Erneuerung das «Über-der-eigenen-Gewichtsklasse-Boxen» hinzu. Dieser asymmetrische Kampf der Jugend ist Projektionsfläche für die Hoffnung und Träume jener, die sich nicht trauen, mit dem Ewiggestrigen zu brechen. Und natürlich ist der Mangel an Erfahrung kein unüberwindbares Hindernis, wenn man sich seiner eigenen Schwächen bewusst ist: Wissen kann sich angeeignet werden – Hirn, Haltung und Herz hingegen nicht. Und genau hierin müssten sich die jetzt laut rufenden Jungpolitiker von den älteren Semestern unterscheiden.
Einigen gelingt es, doch bei den besonders Lauten wirkt der spät gefundene Mut leicht opportunistisch und inhaltslos. Wer sich ernsthaft von Parteigranden differenzieren will, kann nicht die gleichen abgedroschenen Inhalte in neuem Gewand wiedergeben. Im Falle der LSAP heißt dies: Das Schlimmste verhindern ist kein Parteiprogramm – auch wenn es von den Jungen gestaltet wird. Für die CSV-Jugend drängt sich wiederum die Erkenntnis auf: Sich auf die «Alten» verlassen und auf einen netten Posten oder einen Sitz in der Chamber hoffen, funktioniert nur noch bedingt.
Erneuerung ist somit keine Frage des Alters, des Geschlechts oder der Erfahrung: Sie ist Ausdruck des Bemühens um innovative, umsetzbare und die Menschen vereinende Ideen.
Was heisst hier Idioten? Per Difinition ist ein Idiot ein gewöhnlicher, einfacher Mensch; ein Laie; ein Stümper.
Es gibt nicht nur Junge und Alte von der Sorte, auch Grosse und Kleine, Dicke und Dünne, Rote und Schwarze, Männer und Frauen. Wer seine Einfachheit , Gewöhnlichkeit und Beschränktheit einsieht ist ein weiser Mensch. Zu dieser Art scheint der Land-Chefredakteur jedenfalls nicht zu gehören, sonst würde er in seiner Wortwahl wohl etwas vorsichtiger und wählerischer sein. Man kann nämlich auch auf eine höfliche und respektvolle Art und Weise kritisieren. Das gilt besonders für Journalist(inne)n die mit dem guten Beispiel vorangehen und , durch ihren Stil, nicht auch noch die Verrohung der Gesellschaft fördern sollten. Ihre Worte werden tagtäglich von tausenden jungen Menschen gelesen und gehört, aufgegriffen und verbreitet.
"Erneuerung ist somit keine Frage des Alters, des Geschlechts oder der Erfahrung: Sie ist Ausdruck des Bemühens um innovative, umsetzbare und die Menschen vereinende Ideen." Wie wär es mal mit sozialer Marktwirtschaft zu probieren! Leider kommt dann wieder die Belehrung über Kompetivität, à la Würth. Wenn wir das nicht hinkriegen wird es europaweit zum Untergang führen. Es ist das Aufgabengebiet aller Parteien mit S und das nicht nur hier im Lande. Die Populisten haben das erkannt und nutzen es auf schändliche Weise.
Herr Sabharwal, Sie sind mir ja eher als Aussenpolitischer Journalist bekannt, der seit Jahren Jean Asselborns Auftritte im Ausland schreibend begleitet. Deshalb werfe ich Ihnen keinen Stein wenn Sie vielleicht das innenpolitische Dilemma der LSAP nicht begreifen. Die Partei wird spätestens in fünf Jahren mausetot sein, wenn wieder die gleichen, männlichen Personen sich nach vorne ins Rampenlicht drücken. Alex Bodry sitzt seit 1984 entweder im Parlament oder in der Regierung, Mars di Barto seit 1989. Jean Asselborn wird in 5 Jahren 74 Jahre alt sein. Die beiden jetzigen Ministerinnen Mutsch und Closener (auch nicht gerade des quadra révolutionnaires) wurden vom Waehler desavouiert. Etienne Schneider ist geschwächt, Claude Haagen kennt niemanden, wurde also nicht gewählt. Die Gruenen haben vorgemacht wie sich eine Partei, die die Wahlen verliert durch die Regierungsbeteiligung von Jüngeren und Frauen wieder für die Zukunft aufstellt. Man wird bereits bei der Regierungsbildubg ganz klar erkennen ob sich die Historiker vorbereiten können das letzte Kapitel der Geschichte der Luxemburger LSAP zu schreiben. Viele haben keine Lust mehr das « après-moi le déluge » der Parteioberen mitzumachen. Viele Sympathisanten sind bereits zu den Grünen und anderen übergelaufen. Es reicht!