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Herzstück

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Luc Laboulle reflektiert, wie Esch sich die Kulturhauptstadt sicherte – und erklärt, was jetzt getan werden muss, damit daraus eine Erfolgsstory wird.

Die erste Kandidatur der Stadt Esch und der Südregion für die Ausrichtung der Kulturhauptstadt 2022 konnte die internationale Jury nicht überzeugen. Gnädig gewährte sie den Antragstellern im Juni 2016 noch ein weiteres Jahr Zeit, um ihr Projekt zu überarbeiten. Um dies zu bewerkstelligen, wurden im Oktober 2016 ein Generalkoordinator und eine künstlerische Leiterin eingestellt. Janina Strötgen und Andreas Wagner haben seitdem viel gearbeitet. Sie haben der Kandidatur eine ganz neue Ausrichtung verpasst. Statt des viel zu allgemeinen Themas Liebe haben sie unter dem Motto „Remix Culture“ die Interkulturalität, die Integration und den Wandel von der Industrie- zur Wissensgesellschaft in den Mittelpunkt ihres Konzepts gerückt. Und – was vielleicht noch wichtiger ist – sie konnten den Rückhalt der regionalen Kulturszene und eines großen Teils der Bevölkerung gewinnen. Ihr Einsatz wurde dann auch am 10. November von der Jury gewürdigt.

Doch nach den Gemeindewahlen hat sich die politische Landschaft in der Südregion stark verändert. Als die Jury ihre Entscheidung traf, stand in Esch bereits die neue Koalition fest. Ob es klug von der CSV war, den im Hinblick auf 2022 äußerst wichtigen Posten des Kulturschöffen der DP zu überlassen, sei mal dahingestellt. Denn damit hat die Demokratische Partei jetzt nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in den beiden größten Städten Luxemburgs die Oberhand in der Kulturpolitik (in der Hauptstadt kümmert sich die Bürgermeisterin um diesen Bereich). Staats- und Kulturminister Xavier Bettel hat bereits strategische Posten im Mudam und beim Radio 100,7 neu besetzt. Das Gleiche könnte nun auch bei Esch 2022 passieren. Die Verträge von Janina Strötgen und Andreas Wagner wurden zwar vorerst um sechs Monate verlängert, doch währenddessen sollen ihre Stellen neu ausgeschrieben werden.

Die internationale Jury habe nach der Präsentation der Kandidatur „nicht gejubelt“ und 21 Empfehlungen ausgesprochen, begründete der Escher CSV-Bürgermeister Georges Mischo diese Entscheidung. Die Kritik der Jury am Bidbook bezieht sich vorwiegend auf die unzureichende langfristige Ausrichtung des Kulturkonzepts, das mangelnde Angebot an erschwinglichen Übernachtungsmöglichkeiten für junge Besucher und die partizipative Dimension, die ihr nicht konkret genug ausformuliert wurde. All diese Mängel sollten eigentlich leicht zu beheben sein.

Weitaus komplizierter dürfte hingegen die von Esch 2022 geplante Verwendung der ehemaligen „Hall des soufflantes“ in Belval werden. Die Jury verlangt „rapid clarification“ in Bezug auf die Gebläsehalle, die einen wichtigen Pfeiler im Bidbook darstellt. Janina Strötgen und Andreas Wagner wollen ihr zentrales Projekt „Remix Culture Club“ in dieser geschichtsträchtigen Halle unterbringen, die bereits im Kulturjahr 2007 die erfolgreiche Ausstellung „All we need“ beherbergte.

Dafür müsste das Gebäude, das dem staatlichen „Fonds Belval“ gehört, in den kommenden drei Jahren saniert werden. Die 1911 erbaute Halle gammelt aber seit 2008 vor sich hin und steht inoffiziell bereits auf der Abrissliste. Während sich die „Amicale des hauts fourneaux A et B de Profil-Arbed Esch-Belval“ seit Jahren vehement für die Erhaltung des Industriebauwerks einsetzt, will der Staat das Gelände nach dem Abriss für den weiteren Ausbau der Uni nutzen. Der Escher Bürgermeister hat auf Nachfrage betont, die Stadt werde keine Abrissgenehmigung für die Gebläsehalle erteilen. Zudem hat sich der Schöffenrat die „Valorisierung erhaltenswerter Industriegebäude“ auf die Fahne geschrieben. Das ehemalige „Häerz vun der Schmelz“ (dixit „Amicale“) könnte demnach auch zum Herzen der Kulturhauptstadt werden. Oder zum Sinnbild ihres Scheiterns.

DanV
8. Dezember 2017 - 10.38

Wie die Menschen sich fühlen, scheint den Planern und der Amicale egal.

Zwischen den pompösen Neubauten, in denen man wie eine Miniatur wirkt, und den düsteren Industrieruinen kann der Mensch nur deprimieren. Sicherlich, das Ganze ist historisch und vielleicht auch künstlerich wertvoll. Die Traurigkeit, die sich beim täglichen Anblick ins Herz schleicht, kann durch solche intellektuellen Theorien nicht verhindert werden.