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Geld und Wirkung des IS

Geld und Wirkung des IS
(Reuters/Alaa Al-faqir)

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Politische Lösungen werden gebraucht

Kaum eine Terrororganisation weiß sich so geschickt in Szene zu setzen wie der IS. Mit der gut geölten Propagandamaschine werden „foreign fighters“ rekrutiert, Bürger in besetzten Städten gefügig gemacht und es wird westlichen Beobachtern Angst eingeflößt. Dies geschieht mit offensichtlichen Mitteln wie den Enthauptungsvideos oder mit dem hauseigenen Terrormagazin Dabiq. Subtiler und gerissener ist hingegen die Darstellung der Kriegsgeschehnisse. Das Paradebeispiel: die Zerstörung des Weltkulturerbes in Palmyra. Für die Propagandavideos wurden antike Säulen mit Vorschlaghammern zertrümmert – im Hintergrund schaffte man transportierbare Kulturschätze fort. Der IS verhökerte sie für gutes Geld. Auch in Europa. Ähnlich verlogen sind die Öl-Geschäfte: Die ach so frommen Gotteskrieger machen keinen Unterschied zwischen Assad, Rebellen, der Türkei oder Kurden – wer zahlt, erhält Produkte der Hausmarke IS.

Dhiraj Sabharwal dsabharwal@tageblatt.lu

Genau hierin liegt eines der Hauptprobleme bei der Bekämpfung dieser Terrororganisation. Den Terrorjüngern gelingt es immer wieder, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu verlagern. Aktuelles Beispiel: die Bombardements in Rakka. Während man über Monate die syrische Stadt als IS-Hochburg feierte, wird sie nun unter dem Eindruck der Pariser Attentate stärker bombardiert. Was dabei völlig im Nachrichtendschungel unterzugehen scheint: Der IS hat bereits viele seiner Kämpfer aus der Stadt abgezogen. Umso wichtiger ist die Frage nach der Effizienz der internationalen Luftangriffe (welcher Kämpfer bleibt allen Ernstes in einer Stadt, der weit im Voraus angekündigte Bombardements drohen?). Zivile Opfer werden nicht ausbleiben, neue Rekruten für den IS somit indirekt produziert.

Dabei glaubte man zeitweise nach finanziellen Engpässen des IS, die durch Angriffe der Anti-IS-Koalition verursacht wurden, die Barbarei eindämmen zu können. Die jüngsten Ereignisse verdeutlichen, wie irrsinnig diese Einschätzung war. Der IS verfügt im Gegensatz zu typischen Terrororganisationen über ein weitläufiges Territorium und „nachhaltige“ Finanzierungsquellen. Zudem verlagert sich durch die kriegerische Terminologie Frankreichs die Diskussion ungewollt von einer die restlichen Konfliktlösungen berücksichtigenden Außenpolitik hin zu einer „War on terror“-Tunnelblick-Politik. Davon profitiert der IS. Denn: Man kann ihn so lange bombardieren, wie man will, trocknet man seine Geldquellen nicht aus, bleibt er stabil und handlungsfähig.

Auch reichen die Bombardements von Ölquellen nicht aus. Die Digitalisierung des Zahlungsverkehrs muss berücksichtigt werden. Die Barbaren haben viele finanzierfreudige Unterstützer im In- und Ausland. Die USA und Frankreich müssen endlich konsequent sein, anstatt ihre Terror-Protégés in Saudi-Arabien – Freunde des ebenfalls sunnitischen IS – frei walten zu lassen. Und nicht zuletzt muss an die Geschichte des IS erinnert werden: Er entstand aus den Trümmern der US-Intervention 2003 im Irak. Hinzu kam zuletzt die brutale Autokratie des ehemaligen Premiers Nuri Al-Maliki nach dem Abzug der US-Truppen. Saddam Husseins sunnitische Baath-Parteimitglieder liefen trotz ihrer säkularen Ansichten zum IS über.

Das Fazit ist eindeutig: Krieg bietet keine langfristigen Lösungen für konfessionelle, ökonomische und soziale Probleme. Hierfür braucht es politische Lösungen.