In einer Woche soll das britische Unterhaus darüber abstimmen, ob es den mit der Europäischen Union ausgehandelten Austrittsvertrag annimmt oder nicht. Da bisher kaum eine Chance besteht, dass es zum einen zu einem neuerlichen Referendum kommen könnte oder zum anderen sich irgendeine Mehrheit für einen Rücktritt vom Austritt bilden könnte, bleibt den Abgeordneten wohl nur die Wahl, dem Brexit-Abkommen zuzustimmen oder auf einen harten Austritt zuzusteuern. Zwar dürften manche, nicht nur unter den Politikern, in Großbritannien darauf spekulieren, dass bei einer Ablehnung des Vertrags vielleicht doch noch irgendetwas anderes möglich wird. Die Brexiteers gehen vielleicht davon aus, damit die EU unter Druck setzen und eventuell bessere Bedingungen aushandeln zu können. Die Remainer, das heißt die Brexit-Gegner, erhoffen sich möglicherweise wiederum, dass sich eher eine Lösung in ihrem Sinne finden würde, wenn das House of Commons dem Vertrag nicht zustimmt.
Doch beide dürften mit solchen Erwartungen einer Illusion anhängen. Einmal abgesehen davon, dass es bislang länger in dem ohnehin knapp bemessenen Zeitrahmen gedauert hat, um zu einer Einigung zu kommen und daher in der verbleibenden Zeit bis zum 29. März kaum noch etwas Neues ausgehandelt werden kann, haben die 27 verbleibenden EU-Staaten derart deutlich gemacht, dass es dieser Vertrag ist und kein anderer, dass sie kaum mehr von ihrer Position abrücken können. Es gibt daher keinen Spielraum mehr. Auch eine mögliche Verschiebung des Austrittsdatums ist in der gegenwärtigen Situation nicht zu erwarten. Das wäre zwar nach den Bestimmungen von Artikel 50 des Lissabonner Vertrags möglich, vorausgesetzt, die EU-Staaten geben dem einstimmig grünes Licht. Nur, wozu sollte das gut sein, was sollte mit dieser zusätzlichen Frist erreicht werden? Für die EU-27 liegt ohnehin das „bestmögliche“ Abkommen vor, wie sie auf ihrem Sondergipfel nicht müde wurden zu betonen. Und die Briten könnten ihren Streit darüber, unter welchen Bedingungen und ob überhaupt sie aus der EU austreten sollten, noch Monate oder Jahre fortsetzen, ohne jedoch zu einem alle befriedigenden Resultat zu kommen. Nicht nur die politische Klasse in Großbritannien, sondern das Land insgesamt ist in der Austrittsfrage weiterhin tief gespalten. Daran wird sich auch so bald nichts ändern, egal, welche Entscheidung das britische Parlament in einer Woche trifft.
Unabhängig davon ist aber davon auszugehen, dass sich diese Spaltung noch vertiefen wird, auch wenn die Konsequenzen des Brexit einmal ihre Wirkung entfalten werden. Möglicherweise stellt sich dann ein allgemeiner Sinneswandel ein. Immerhin hat die Bank of England vergangene Woche noch einmal vorgerechnet, welche Verluste dem Land mit dem Brexit drohen werden. Und die Praxis dürfte zeigen, dass die Vorteile einer engen Zusammenarbeit in der Union die wenigen von den Brexit-Hardlinern versprochenen Gewinne eines Austritts überwiegen, so Letztere denn eintreten.
Auf einen Sinneswandel setzt zumindest bereits der Vorsitzende der Liberalen im Europäischen Parlament. Guy Verhofstadt ist schon einige Schritte weiter und hoffte vergangene Woche darauf, dass in nicht allzu ferner Zukunft eine neue Generation von Briten wieder zur europäischen politischen Familie stoßen will.
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