Der Plan der französischen Regierung, die
Alstom-Lokschmiede Belfort – in der die Société alsacienne de constructions mécaniques (SACM) vor 145 Jahren ihre ersten Dampfmaschinen baute – durch die höchst sonderbare Bestellung von TGVs für Provinzstrecken zu retten, droht zu einer Farce zu werden.
Alstom gehört zu den Weltmarktführern in Sachen Lokomotiven und Triebzügen: Wer TGV sagt, denkt Alstom, und seine Citadis-Trams sind die meistverkaufte Typenfamilie weltweit. Die Firma hat auch in jüngster Zeit einige schöne Verkaufserfolge verbuchen können: u.a. mit Avelia-TGVs für die USA (im Wert von 1,8 Mrd. Euro) und Pendolini für den Italo-TGV. Zudem gelang es den Franzosen, den sehr anspruchsvollen Schweizerischen Bundesbahnen 47 Exemplare ihrer neuen Zweikraft-Loks (dieselelektrisch & elektrisch) vom Typ Prima H4 zu verkaufen.
Alstom lebt vom weltweiten Export. Doch als die Lokleasing-Firma Akiem, die zu 50% der Staatsbahn SNCF gehört, jüngst die Beschaffung von 44 deutschen Dieselloks vom Typ Vossloh DE18 beschloss – demselben übrigens, für den sich auch CFL Cargo entschieden hat – war im Hexagon gleich der Teufel los: Wie bloß kann es eine SNCF-Tochter wagen, teutonisches Material zu kaufen? Ein Sakrileg! Den meisten Franzosen war aber vor lauter „Cocorico“ nicht mal aufgefallen, dass die anderen 50% von Akiem einer Tochter der … Deutschen Bank gehören.
Eine Leasingfirma nimmt eben vorzugsweise jene Maschinen in ihre Flotte auf, von denen sie annehmen darf, dass ihre Kunden auch danach verlangen. Und in diesem Segment des Lokmarktes sind nun mal ganz klar die Deutschen führend.
Aber so ist das halt mit offenen Märkten: Sie sind keine Einbahnstraße. Ein Land, das exportieren will, muss auch ausländische Importe zulassen. Das ist die normalste Sache der Welt.
Dass sich die Lokproduktion in Belfort für Alstom nicht mehr rechnet – die 400 Jobs sollten übrigens nicht vernichtet, sondern an den Standort Reichshoffen transferiert werden – hat auch mit der Evolution der Weltmärkte zu tun.
Die Alstom-Ingenieure sind nach wie vor Weltklasse, da gibt es keine Frage. Doch heute sind Exportaufträge oft daran gekoppelt, dass die Fertigung des neuen Materials vor Ort erfolgt: Die US-TGVs werden z.B. in Hornell, New York montiert. Und von 295 Elloks für Kasachstan werden nur 20 in Belfort und der Rest in Astana gebaut.
Wenn aber nun Paris, um Belfort provisorisch zu retten, 21 TGVs beschafft, nur um diese mit maximal 200 – anstatt der auf LGVs üblichen 330 km/h – auf konventionellen Strecken zwischen Bordeaux und Nice rumtrödeln zu lassen, ist das betriebswirtschaftlicher Unsinn: Es ist fast so, als ob man sich einen Aston Martin zulegte, um damit samstags in den Cactus zu gurken.
TGVs sind im Vergleich zu den Intercités-Triebzügen, die für diese Verbindungen optimal wären, rund doppelt so teuer in der Anschaffung und 30% kostspieliger im Betrieb. Durch diese Aktion werden mutwillig Steuergelder vernichtet ohne die geringste Garantie, dass dies Belfort auf lange Sicht helfen würde.
Zudem verletzt dieser TGV-Auftrag im Wert von gut 700 Mio. Euro möglicherweise europäische Bestimmungen in den Bereichen Ausschreibungspflicht und Firmenbeihilfen. Doch sollte der Deal am Ende am EU-Recht scheitern, kann Paris den Untergang Belforts dann immer noch in bewährter Manier „Bruxelles“ und dessen granitherzigen Mandarinen in die Schuhe schieben.
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