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Das Tabu

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Pol Schock über den Reichtum der Nation

Wer in Luxemburg aufwächst, merkt schnell, dass das «L» im Pass nicht für Loser steht. Wo man hinsieht: blühende Landschaften. Ein Staat, der so reich ist, dass er seinen Bürgern den öffentlichen Transport schenken kann und ein Jahr in 13 Monate teilt. Manche mögen das für eine Übertreibung halten, und es stimmt, es gibt benachteiligte Schichten in diesem Land. Aber im internationalen Vergleich lässt sich der Wohlstand dieser Nation nicht kleinreden. Die Frage, die sich jedoch aufdrängt: Woher rührt eigentlich dieser Reichtum?

Gerade hat Finanzminister Pierre Gramegna die neuesten Zahlen präsentiert. Es geht Luxemburg weiter gut – sogar sehr gut. Ohne große Anstrengungen, ohne auf Investitionen wie Tram oder Straßenbau zu verzichten, ja ohne Steuererhöhung steht eine schwarze Null in Aussicht. Ein ausgeglichener Haushalt. Das ist ein Kunststück, das sonst nur unseren deutschen Nachbarn gelingt, indem sie Sparen zum Ethos erklären und den Gürtel so eng schnallen, dass die Infrastruktur verödet.

Aber woher kommt das viele Geld? Die Milliarden an Steuergeldern? Die Rekordeinnahmen? Darauf gibt der Finanzminister vor laufenden Kameras keine detaillierte Antwort. Gute Konjunktur, hohes Wirtschaftswachstum. Wer sich weiter in den Ministerien umhört, erhält ein Sammelsurium von smarten Antworten: Diversifizierung der Wirtschaft; Luxemburg hat sich in allen Bereichen durch gezielte Clusterförderung entwickelt. Kurz: Die Dinge sind komplex.

Solche Antworten sind in Zeiten der Vulgarisierung löblich. Aber manchmal verdeckt eine Vielzahl von Erklärungen die eigentliche Ursache. Und in diesem Fall verdeckt die komplexe Antwort die eigentliche Quelle des Reichtums. Denn sie ist ganz einfach: Luxemburg ist ein Steuerparadies.

Unser Land hat sich auf Steuervermeidung spezialisiert. Und zwar in gigantischem Ausmaß. Es ist eine hocheffiziente Industrie, die weltweit die klügsten Köpfe anzieht und die größten Konzerne. Sie gründen Ablegergesellschaften, Briefkastenfirmen oder legen ihr Geld in Fonds an. «La Nébuleuse»– so hat einer der renommiertesten DP-Politiker den Luxemburger Finanzplatz einmal genannt. Was da genau passiert, ahnen einige, interessiere wenige und wisse eigentlich niemand. Auch ein Spitzenpolitiker der LSAP sagt: «Die ungerechten Steuergeschichten waren immer die Achillesferse der sozialistischen Partei.»

Wie soll man damit umgehen? Darauf gibt es eigentlich nur zwei Antworten. Man kann die Tatsachen schlichtweg gestehen. Luxemburg stellt sich dem globalen Markt und spielt seine Vorzüge aus. Ja, wir betreiben Steuerwettbewerb. Na und? Das sind die Regeln des Finanzkapitalismus und wir machen das Beste daraus – den Bürgern des Großherzogtums und der Großregion geht es gut. Das ist die apologetische Variante. Die kritische Variante geht anders. «Es gibt kein richtiges Leben im falschen», sagte Theodor W. Adorno. Man kann noch so viel Gutes tun, noch so viel Nation Branding betreiben, noch so oft ein «Level playing field» fordern, es löst den Widerspruch nicht auf. Luxemburg bleibt ein Steuerparadies – ein Profiteur auf Kosten von anderen. Nur die Bekämpfung der Ursache wird daran etwas ändern.

Der Großteil der Luxemburger Gesellschaft hat sich aber weder für die eine noch für die andere Variante entschieden. Sie hat den dritten Weg gewählt. Den Weg des Schweigens. Niemand will so recht wissen, woher unser Reichtum stammt. Denn Teile dieser Antwort könnten die Bevölkerung verunsichern, die Gesellschaft entzweien. Kollektives Schweigen heißt Tabu. Und das Tabu erfüllt die Funktion des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das wissen auch die Konzerne, die auf Stabilität setzten: Eine der zentralen Fragen, die sie an das Finanzministerium richten, bevor sie nach Luxemburg kommen: «Gibt es eine glaubwürdige Oppositionspartei oder eine Bewegung, die die jetzige Regierung ersetzen könnte?» Wohl kaum.

roger wohlfart
17. Januar 2019 - 17.25

Wenn " es " ordentlich versteuert wird, ist " es " kein Tabu mehr.

Laird Glenmore
27. Dezember 2018 - 19.23

Wenn es TABU ist braucht man auch nicht darüber zu schreiben, solange es ordentlich versteuert wird ist doch alles Ok.

GuyT
24. Dezember 2018 - 18.26

Luxemburg wird diese Pfründe nicht ewig aufrechterhalten können, denn trotz den vielen Bremsern werden die Länder die in der EU die Richtung bestimmen, also Deutschland und Frankreich.

roger wohlfart
21. Dezember 2018 - 10.17

Ein Segen, dass es uns so gut geht. Besser es geht uns gut als schlecht. Eine nüchterne Feststellung. Wie dieser Reichtum zustande kommt interessiert die wenigsten. Schweigen, totschweigen, unter den Teppich kehren, nicht hinschauen ist ein Charakterzug der Luxemburger Was ich nicht weiss, macht mich nicht heiss! Endlich hat hier einer den Mut, das Kind beim Namen zu nennen, auf die Gefahr hin, dass er einen " Shitstrom " erntet. Aber so ist die pure Wahrheit, Luxemburg ist ein Steuerparadies, ist " la Nébuleuse", ist ein Opportunist . Dami müssen wir leben und damit leben wir gut. Auch ich freue mich über unseren Wohlstand und profitiere von den im Artikel erwähnten Vorzügen. Aber das Ganze hat doch einen faden Beigeschmack und ist moralisch äusserst fragwürdig, weil es eben kein richtiges Leben im falschen gibt. Adorno hat recht. Aber die Wirtschaft kennt keine Moral. Nicht wahr, Herr Würth?

Jacques Zeyen
21. Dezember 2018 - 10.03

Schweiz,Panama,Liechtenstein,Andorra...ja auch Germany machen Steuergeschenke um Firmen anzulocken.
So kam einst Nokia nach Deutschland mit einem dicken Steuerbonus in der Tasche und als es nichts mehr gab,ab nach Rumänien. So ist das in der globalisierten Welt in der " die Konkurrenz den Markt belebt". Nur wenn der Markt so lebendig wird,dass er ins Ausland verschwindet (Beispiel:IKEA hinter der luxemburgischen Grenze) und hier Arbeitslosigkeit zurücklässt,kommt man sich doch beschissen vor. Andererseits haben die kleinen Länder den Vorzug,dass sie nicht Krieg spielen müssen,sprich eine kostspielige Armee unterhalten um den Nachbarn zu beeindrucken. Also:" Ja, wir betreiben Steuerwettbewerb. Na und? Das sind die Regeln des Finanzkapitalismus und wir machen das Beste daraus " Richtig. Denn wenn es den Luxemburgern schlechter geht,davon profitieren die Nachbarländer nicht. Die Grenzgänger werden das bezeugen.