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Bettels Brexit-Ballade

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Dhiraj Sabharwal beschreibt in seinem Editorial, weshalb Luxemburg zurzeit eine zweigleisige Strategie in Europa fährt, um seine Eigeninteressen langfristig abzusichern. Mit Erfolg?

Zufälle gibt’s. Premier Xavier Bettels Visite in Irland; EU-Ratspräsident Donald Tusk, der schwedische und der finnische Premier sowie das britische Hirn der Diplomatie in Luxemburg – alles in der gleichen Woche, in der EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Pierre Moscovici Luxemburg, Irland und sechs weiteren Staaten eine zu «aggressive Steuerpolitik» vorwirft und damit sogar mit Finanzminister Pierre Gramegna einen kleinen Disput der zwei Pierres auf Twitter ausgelöst hat. Dass all diese Treffen und Ereignisse keine Zufälle sind, liegt auf der Hand. Die Zusammenhänge sind wiederum wesentlich komplexer und vielschichtiger – besonders mit Blick auf Luxemburgs Position.

Oberflächlich betrachtet fährt Luxemburg brav die europäische Schiene: Beim Brexit singt Premier Bettel das Lied vom Nein zur britischen «Rosinenpickerei»; wenn es um den Steuerwettbewerb in Europa geht, wird gar der «Bäcker, der morgens um sechs aufsteht» und im Gegensatz zu Großunternehmen Steuern zahlen muss, besungen. Allerdings ist Luxemburg dann doch nicht so ureuropäisch unterwegs, wie es zunächst klingen mag. Nach den LuxLeaks-Enthüllungen wurden viele längst überfällige Reformen vorgenommen. Doch die aus der EU scheidenden Briten machen es der amtierenden Regierung, und der darauf folgenden ebenso – stumpfe Parteipolitik kann man sich hier definitiv sparen –, gar nicht so einfach.

Während Luxemburg und Großbritannien eigentlich Rivalen sind, vertreten sie wegen ihrer stark ausgeprägten Finanzsektoren gemeinsame Interessen. Auch in Sachen Steuerpolitik sind beide Staaten starke Verfechter der nationalen Steuerhoheit und alles außer Befürworter einer europäischen, geschweige denn globalen Steuerharmonisierung. Während die Briten diesen Kurs außerhalb der EU noch aggressiver weiterfahren könn(t)en, ist Luxemburg mit einem politischen Umfeld in der EU konfrontiert, das hingegen stärker auf eine europäische Integration abzielt. Man muss nur die jüngsten Entwicklungen in Deutschland und Frankreich betrachten sowie die Vergabe der Schlüsselposten analysieren, um zu verstehen, wo die Reise hingeht.

Demnach wird es für Luxemburg in Zukunft nicht bequemer in der EU werden. Im Gegenteil. Großbritannien war lange in Sachen Steuerfragen ein Alliierter Luxemburgs in der EU. Mit dem Brexit bleibt der Konkurrent Irland, den es zu umwerben und sich gleichzeitig vom Hals zu halten gilt. Insofern ist zumindest Bettels Verweis in puncto Steuerpolitik auf das internationale «Level Playing Field» (gleiche Regeln für alle) überflüssig. Mit den Briten und Amerikanern wird es nie gleiche Regeln in der Steuerfrage geben. Und Luxemburg weiß das. Aber als großer europäischer Staat kann man so eine politische Position wahrlich nicht medienwirksam verkaufen.

Jedoch ist Luxemburg auch nicht mit jenen Ländern gleichzusetzen, deren Regierungschefs Bettel diese Woche in Luxemburg getroffen haben oder treffen werden. Denn Schweden und Finnland gehören zur Achse rund um die Niederlande, Irland, Dänemark, Estland, Litauen und Lettland, die kein wirtschaftlich soziales Europa, sondern eines der schwarzen Null à la Schäuble – dessen Nachfolger Olaf Scholz (SPD) sich noch an so manchem Kollegen die Zähne ausbeißen wird – haben wollen. Demnach befindet sich Luxemburg zurzeit auf einer Gratwanderung zwischen proeuropäischem Kurs und nationalem Egoismus. Die Pläne der Franzosen Emmanuel Macron und Pierre Moscovici gefährden die nationalen Finanz- und Wirtschaftsinteressen, spiegeln aber eigentlich nur die von Luxemburg ebenfalls geforderte Vertiefung der Europäischen Union wider. Es wird nicht der letzte Streit der zwei Pierres gewesen sein.