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Die Wende

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Das Ende der Tripartite hat die Rolle des Staates vergrößert

Tripart… was? Ja, stimmt, das, was vor Jahren noch als Vorzeigemodell Luxemburger Konsenspolitik bezeichnet wurde, die nationale Tripartite, gehört längst der Vergangenheit an. In diesen Dreierkonferenzen bemühten sich Regierung, Vertreter der Wirtschaft und der Beschäftigten aus dem privaten und dem öffentlichen Bereich um gemeinsame Lösungen für Probleme von nationaler Bedeutung. Wenn die drei heute zusammenkommen, dann, weil sie die Umsetzung von EU-Empfehlungen erörtern wollen. So geschehen am Mittwoch.

Es stimmt wohl: Akute Probleme, die in der Vergangenheit Konsenslösungen erforderten, wie etwa die Krise der Stahlindustrie in den 1980er Jahren oder die Finanzkrise Ende des letzten Jahrzehnts, stehen heute nicht an. Dem Land geht es ausgezeichnet. Statt 600 Millionen Euro betrage das Defizit des Zentralstaates 2016 200 Millionen Euro, unterstrich am Mittwoch Finanzminister Pierre Gramegna. Das Land weist üppige Wachstumsraten auf. Die Voraussetzungen für gemeinsame Positionen zwischen Sozialpartnern und Regierung, wie das Land weiterentwickelt, der erwirtschaftete Reichtum gerechter verteilt werden könnte, waren seit langem schon nicht mehr so günstig. Doch weit gefehlt. Statt Konsens zeigte die Sitzung am Mittwoch den tiefen Graben auf, der sich seit langem schon zwischen Gewerkschaften und Patronatsvertretern aufgetan hat.

Die Argumente beider Seiten sind dabei durchaus nachvollziehbar. Die Gewerkschaften fordern zu Recht, dass der geschaffene Mehrwert auch denen zugute kommt, die ihn erwirtschaften. Ihre Forderung nach substanzieller Anhebung des Mindestlohnes beispielsweise ist gerechtfertigt. Das Patronat sorgt sich seinerseits angesichts ungewisser Entwicklungperspektiven im Ausland um die Wettbewerbsfähigkeit des Landes und lehnt derartige Lohnerhöhungen, eine Anhebung von Sozialbeiträgen und Steuern konsequent ab. Ein Kompromiss zwischen derartigen unversöhnlichen Positionen scheint demnach unmöglich. Es sei denn, man schaut sich die Entwicklung der einzelnen Wirtschaftsbranchen genauer an. Tatsächlich gibt es Bereiche, die sich prächtig machen, gutes Geld verdienen und die ihren Beschäftigten durchaus mehr Gehalt auszahlen könnten. Genauso wie es deren gibt, die um ihr Überleben kämpfen und zusätzliche Kosten nicht verkraften würden. Statt Verbesserungen pauschal abzulehnen oder allgemein gültige Forderungen zu erheben, täten beide Seiten besser dran, sich auf derlei Feinanalysen einzulassen und nach punktuellen, gegenseitig annehmbaren Lösungen zu suchen.

Und der Staat bei alledem? Seine Aufgabe wird es sein, schwächelnden Unternehmen zur Seite zu stehen, im Interesse der dort Beschäftigten. In diesen Umbruchzeiten, wo Jobs in klassischen Bereichen verschwinden, neue in aufkommenden Branchen entstehen, muss er diese Prozesse begleiten, damit niemand auf der Strecke bleibt. Die Mittel dazu hat er, zumindest in Luxemburg. Benötigt wird lediglich politischer Wille, den Staat nicht bloß als notwendiges, kostspieliges Übel anzusehen, sondern als unverzichtbaren, gestaltenden Akteur; der sich im Interesse der Beschäftigten manchmal auch dem rauen Gegenwind mächtiger Wirtschaftslobbyisten entgegenstellen kann. Die Tripartite ist tot, es lebe der Staat.