Gerade einmal sechs Monate ist es her, dass Neymar im Finale des olympischen Fußballturniers im Maracanã den entscheidenden Elfmeter versenkte und somit für einen versöhnlichen Abschluss der Spiele der XXXI. Olympiade aus Sicht der brasilianischen Gastgeber sorgte.
Der Glanz freilich ist inzwischen verblasst. Im Falle des Estádio do Maracanã, eines der bedeutendsten und geschichtsträchtigsten Fußballtempel der Welt (mit einem früheren Fassungsvermögen von 200.000 Zuschauern), ist nicht bloß der Glanz verblasst, vielmehr bröckelt es an allen Ecken und Enden. Tausende Sitze sind herausgerissen, Türen und Fensterscheiben geklaut, Strom und Wasser abgestellt, so dass der Rasen schon lange abgestorben ist. Es ist kein Geld mehr da, und die Betreibergesellschaft hat sich zurückgezogen. Bereits jetzt bräuchte es mehrere Millionen Euro, um die für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014 und Olympia 2016 für über 300 Millionen Euro runderneuerte Arena wieder nutzbar zu machen.
Der rasante Verfall des Maracanã in nur sechs Monaten steht sinnbildlich für den finanziellen Schiffbruch, den Brasilien durch die Organisation der Fußball-WM (Kosten: 13,4 Milliarden Euro) und der Olympischen Spiele (10,7 Mrd.) erlitt. Das Land befindet sich in einer schweren Rezession, und der Bundesstaat Rio musste schon vor Olympia den Notstand ausrufen, um finanziellen Spielraum für die Abwicklung der Spiele zu erhalten. Die Hoffnung, dass WM und Olympia dem Land wieder in die Spur helfen könnten, scheint vergeblich gewesen zu sein.
In Anbetracht des abschreckenden Beispiels Brasilien ist es kein Wunder, dass Bewerberländer für die sportlichen Großereignisse immer seltener werden. Allein in den letzten vier Jahren wurden elf Olympia-Bewerbungen nach Referenden respektive durch den Druck der Bevölkerung zurückgezogen. Vergangene Woche kam Budapest hinzu. In Tokio, wo die Sommerspiele 2020 stattfinden, regt sich der Widerstand, seitdem eine Studie die vom Organisationskomitee budgetierten Kosten von sieben Milliarden Dollar als viel zu niedrig bezeichnete und die Realkosten auf bis zu 30 Milliarden Dollar schätzte.
Dabei war sowohl der jetzige IOC-Präsident Bach als auch sein Vorgänger Rogge angetreten, dem Gigantismus der Olympischen Spiele Einhalt zu gebieten. Pustekuchen, und auch im Fußball lautet das Motto: Höher, schneller, weiter, größer … und reicher, weshalb es ab 2026 insgesamt 80 statt 64 Partien bei der Fußball-WM geben wird.
Reicher freilich werden nur die FIFA und das IOC, denn Olympia und Weltmeisterschaften funktionieren nach einem einfachen System: Das finanzielle Risiko trägt der Organisator, die Riesengewinne streichen die Verbände ein. Für sie, die sonst so gerne auf die Werte des Sports verweisen, ist diese Praxis jedenfalls moralisch höchst verwerflich. Ganz abgesehen davon, dass Milliardeninvestitionen in eine sportliche Infrastruktur, die nach den Wettkämpfen nicht mehr benötigt wird, alles andere als nachhaltig sind.
Immerhin: FIFA und IOC werden langsam von der Realität eingeholt. Das IOC überlegt momentan, beim Kongress im September dieses Jahres nicht nur die Spiele 2024, sondern auch gleich die von 2028 zu vergeben. Paris und Los Angeles heißen die Kandidaten für 2024. Der Verlierer erhält dann den Zuschlag für die Spiele 2028. Ein Kuhhandel, der dem IOC Zeit verschaffen soll, das System zu reformieren und weitere Maracanãs zu verhindern. Es wird Zeit, dass der Sport seine Verantwortung übernimmt und nicht nur auf schöne TV-Bilder achtet.
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