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Die Sonne geht unter

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Großbritanniens historischer Antrag, die EU zu verlassen

„Kein Wunder, dass die Sonne im britischen Empire niemals unterging, selbst Gott konnte den Briten im Dunkeln nicht trauen.“

Auch als Atheist und Verfechter der Laizität kann man diesem Zitat angesichts des Brexit sehr viel abgewinnen. Worauf der indische Jurist, Diplomat und Schriftsteller Shashi Tharoor anspielt, ist klar: Der Größenwahn Großbritanniens sucht seinesgleichen. Ein Land mit einer derart blutigen, nicht wirklich aufgearbeiteten Kolonialvergangenheit, das, ähnlich wie Frankreich, seiner einstigen Größe nachtrauert, ist zum Scheitern verdammt.

Der 29. März 2017 wird als jener Tag in die Geschichte eingehen, der dem agonisierenden Empire den endgültigen Todesstoß versetzte. Besonders ironisch und aus Sicht der ehemaligen britischen Kolonien wohl eher befriedigend: Den Dolch richten die Kolonialherren von einst dieses Mal gegen sich selbst.

Hofften noch viele Anfang des Jahres, dass zumindest Labour sich am Ende den Torys und dem Brexit in den Weg stellen würde, so ist auch diese Illusion passé. Nur ein Teil des einstigen Empires, Schottland, legt sich offen mit Westminster an und lässt die ohnehin extrem geschwächte Premierministerin Theresa May in einen Zwei-Fronten-Kampf mit der EU und den Schotten schlittern.

Dass die Verhandlungen an der Hybris der Briten zu scheitern drohen, zeichnet sich bereits ab. Wie könnte man sich sonst erklären, dass es Politiker gibt, die allen Ernstes glauben, die EU würde den Briten am Ende den Zugang zum Binnenmarkt weiterhin ermöglichen? Genau diese Mentalität einer Vielzahl – nicht aller – britischer Politiker ist aber nicht neu.

Im Gegenteil. Sie wurde über die Jahrzehnte kultiviert. Stichwort: EU-Bashing. Und so kam es, wie es kommen musste. Wer den Menschen immer wieder eintrichtert, sie könnten in einer globalisierten Welt durch Nationalismus zur einstigen „Größe“ und zur Selbstbestimmung zurückfinden, steht am Ende vor einem Scherbenhaufen. Und genau so ergeht es Theresa May und ihren Torys.

Sie verfolgen wie die Republikaner in den USA eine Politik des Zynismus. Der legitime Wunsch vieler Menschen, mehr Einfluss auf ihren politischen Alltag zu nehmen, wurde und wird in beiden Ländern – eine ehemalige und eine vom Zerfall bedrohte Großmacht – missbraucht. May hat aus den Torys eine Partei gemacht, die sich nicht mehr wesentlich von der europafeindlichen UKIP unterscheidet.

Die stolzen Internationalisten von einst sind heute in der Unterzahl. Unterdessen hören sich die isolationistischen Torys an, als wollten sie durch den Rückzug ins Nationale mal wieder die Welt erobern (oder zumindest ihren Ministerposten verteidigen). Perfider könnte der vermeintliche Traum von der Rückkehr des Empires kaum sein.

Allerdings weiß die EU-Spitze nur allzu gut, dass eine dysfunktionale Sicherheitskooperation zwischen der Union und den Briten im Zeitalter des Terrors fatal ist. Welche Folgen zudem der Zerfall Großbritanniens im Falle der schottischen Unabhängigkeit hätte, ist ungewiss. Somit beginnen nun zwei Jahre, in denen das Empire von einst nur verlieren kann, während die EU hart, aber vernünftig verhandeln muss.