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#MeToo: Fall Weinstein löst Debatte über Sexismus aus

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Nach dem Fall Weinstein schildern nun unter dem Hashtag #MeeToo nicht nur Schauspielerinnen ihre Erfahrungen mit Sexismus.

Der Skandal um Hollywoodproduzent Harvey Weinstein hat seit dieser Woche ein Hashtag, ein Schlagwort im Internet. Unter «#MeToo» («Ich auch») kann man lesen, welche Erfahrungen Frauen mit Chauvinismus, Sexismus und Übergriffen gemacht haben. Das erinnert an die deutsche Internetaktion «#Aufschrei». Die löste 2013 nach den Sexismus-Vorwürfen gegen den FDP-Politiker Rainer Brüderle ein gewaltiges Echo aus. Endlich, so schien es, wurde Frauen zugehört, wenn sie über Altherrenwitze und Schlimmeres klagten. Viele merkten erst da, wie groß das Ausmaß wirklich ist.

Nun also Harvey Weinstein, dem reihenweise Schauspielerinnen schwerste Belästigungen und Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung vorwerfen, was er bestreitet. Der Fall wirft Fragen auf. Etwa Fragen dazu, wie es in der deutschen Filmbranche aussieht.

Werden sich auch Schauspielerinnen aus unseren Breitengraden trauen und erzählen, wenn sie bedrängt oder attackiert wurden? Oder werden sie es lassen, aus Sorge um die Karriere oder weil sie nicht als Wichtigtuerinnen angegriffen werden wollen? Ist die sogenannte Besetzungscouch ein Klischee? Nein, sagt eine Schauspielerin unter der Hand. So habe sie mitbekommen, dass ein Regisseur Drehtage danach vergebe, ob ihn die Frau sexuell befriedige.

Hört man sich in der deutschen Filmbranche um, stößt man vor allem auf Zurückhaltung. Die besonders einflussreichen und bekannten Frauen sagen auf Anfrage nichts. Ein Thema in der Branche ist Weinstein aber auf jeden Fall. Eine Filmemacherin erzählt, dass sie sich schon mit einer Kollegin ausgetauscht hat: «Wir haben festgestellt, dass wir niemanden kennen, dem im Job noch nicht mindestens Anzüglichkeiten, Busen- oder Hinterngegrabsche passiert sind – inklusive mir.» Immerhin: Die Weinstein-Geschichte führe dazu, dass sich alle diese Geschichten jetzt wieder gegenseitig erzählten.

US-Schauspielerin Alyssa Milano startete Aktion

Die Aktion «#MeToo» wurde von der US-Schauspielerin Alyssa Milano gestartet und wird von vielen Frauen in aller Welt aufgegriffen. Milano wollte deutlich machen, dass es sich nicht um Einzelfälle handelt. «Wenn alle Frauen, die sexuell belästigt oder genötigt wurden, «Me too» als Status schreiben, könnten wir den Menschen das Ausmaß des Problems bewusst machen», erklärte sie.

Das zieht Kreise. Marie Nasemann, Model und Schauspielerin, fasste sich bei Instagram ein Herz: «Unangenehmes Thema, aber #MeToo. Ich war auf dem Oktoberfest, und der Typ griff mir im überfüllten Gang von hinten unters Dirndl zwischen meine Beine. Ich habe mich umgedreht und ihm eine Ohrfeige gegeben und ihn angebrüllt.» Dass viele betroffen sind, machte auch Schauspielerin Jasmin Tabatabai bei Twitter unter «MeToo» deutlich: «Ich kenne keine Frau, bei der das nicht der Fall ist.»

Die Schauspielerin Maren Kroymann nennt die Aktion «großartig» und lobt den Mut der Frauen, die Weinsteins Verhalten öffentlich gemacht haben. Sie hat überlegt, ob sie sich äußern will. Das Thema ist heikel, aber Kroymann will anderen Mut machen. In ihrer Karriere hat die 68-Jährige, die als Feministin bekannt ist, nach eigenen Worten zwar keine körperlichen Übergriffe erlebt, aber Chauvinismus und Sexismus. So hörte sie Sätze von Regisseuren wie «Steh› mal auf, wir wollen deinen Arsch sehen». Sie habe auch mitbekommen, wie Frauen am Theater sadistisch erniedrigt worden seien.

Auch Männer sollen sich von sexistischen Übergriffen distanzieren

Kroymanns Rat an die Frauen: «Habt den Mut zu sagen, ich lasse es mir nicht gefallen.» Besonders wichtig findet sie, dass sich auch Männer von sexistischen Übergriffen distanzieren. «Man muss als Mann nicht eine Tochter haben, um das zu verurteilen.» Schauspielerinnen, die schlechte Erfahrungen gemacht haben oder aktuell Übergriffen ausgesetzt sind, könnten nun an die Öffentlichkeit gehen. «Jetzt wäre ein guter Moment.» Das Rampenlicht und die Solidarität seien da.

Kroymann ist wie die Regisseurin Bettina Schoeller-Bouju dafür, mit einer Quote im Film für Gleichberechtigung zu sorgen. Dafür haben sich die Filmfrauen zur Initiative Pro Quote Regie zusammengeschlossen. Das Problem liegt demnach in der Struktur. «Ein entmischtes System, in dem Männer vorwiegend allein entscheiden, wird irgendwann disfunktional. Da haut man gern auch mal kollektiv einer Frau auf den Arsch, solche Dinge verselbstständigen sich. Wer sich für eine Quote einsetzt, setzt ein deutliches Zeichen gegen Sexismus», sagt Schoeller-Bouju.

Es hapert demnach schon beim Bild, wie Frauen zu sein haben: «Die Medien fördern immer wieder das Bild der Frau, wie Männer es gern hätten: Die «Sexy Maus», die nett, hilfsbereit und verständig ist und nicht Nein sagt. Viele Frauen versuchen, dem gerecht zu werden, denn nur so gibt es Jobs, Geld, Anerkennung. Männer bekommen eine Wampe, graue Haare und Falten – und sind stolz drauf. Frauen werden im Alter abgewertet und aussortiert.»

Was sexuelle Übergriffe angeht, so sammelt die Initiative via E-Mail (post@proquote-regie.de) Berichte von Frauen. Falls sich ein Muster erkennen lässt, soll die Antidiskriminierungsstelle des Bundes informiert werden. «Unser Ziel ist es, Frauen zu schützen.» Was den Gang an die Öffentlichkeit angeht, empfiehlt Schoeller-Bouju, sich zusammenzuschließen: «Ich würde jeder Frau dazu raten, es nicht alleine zu tun.»

Lucy Linburhuc
22. Oktober 2017 - 9.02

#JunckerMeToo wäre auch mal eine Aktion die von abgeknutschten Politikern gestartet werden könnte.