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Australier möchte mit 104 Jahren sterben

Australier möchte mit 104 Jahren sterben

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Von unserer Korrespondentin Barbara Barkhausen

Vor einem Jahr machte der 104-jährige Wissenschaftler David Goodall noch Schlagzeilen, da er nach wie vor täglich zur Arbeit ging. Jetzt kämpft der Australier für sein Recht zu sterben. Anfang Mai will er in die Schweiz reisen, um selbstbestimmt zu sterben.

Sein 104. Geburtstag Anfang April war eine fröhliche Affäre: David Goodall stieß mit Freunden und Familie an, auf seinem Geburtstagskuchen flackerte stolz eine Kerzenkombi, die sein stattliches Alter kundtat. Doch schon als er nach dem Geburtstagsständchen die Kerzen auf seinem Käsekuchen ausblies, wurde deutlich, dass der Australier wenig Freude an seinem stattlichen Alter hat.

«Unerträgliche Qual»

«Ich bedauere es sehr, dieses Alter erreicht zu haben», sagte der Botaniker noch während seiner Geburtstagsfeier dem australischen Sender ABC. Er sei nicht glücklich, sondern wolle sterben. Und das sei auch nicht besonders traurig. «Was traurig ist, ist, wenn man daran gehindert wird.» Ein alter Mensch wie er selbst sollte volle Bürgerrechte besitzen und dazu gehöre in seinen Augen eben auch «das Recht auf einen assistierten Suizid». Sterbehilfe wird in Australien ab Juni 2019 zwar im Bundesstaat Victoria erlaubt sein, allerdings nur bei Menschen, die todkrank sind und weniger als sechs Monate Lebenserwartung haben.

Deswegen will der 104-Jährige nun im Mai in die Schweiz reisen, um dort mit Hilfe des Vereins «lifecircle» seinem Leben ein Ende zu setzen. Das Schweizer Strafrecht erlaubt die Beihilfe zum Freitod. Eine Straftat besteht nur, wenn selbstsüchtige Motive im Spiel sind. «Das Leben ist das kostbarste Geschenk, das wir je erhalten haben», schreibt Erika Preisig, die Vizepräsidentin von «lifecircle», auf der Webseite des Vereins. «Das Leben kann aber auch eine unerträgliche Qual werden, wenn es jeglicher Qualität entbehrt.»

Mit 102 um Arbeit gekämpft

Goodall selbst schaut auf ein erfülltes Leben zurück. 1914 in London geboren, wanderte er 1948 nach Australien aus, wo er sich als Botaniker einen Namen machte und selbst mit über 100 noch an der Edith-Cowan-Universität in Westaustralien forschte. Erst im Mai 2016 hatte der Wissenschaftler noch an einer Expedition zu den Abrolhos-Inseln vor der Küste Westaustraliens teilgenommen. Alles ehrenamtlich und ohne Gehalt – und als die Universität ihn mit 102 Jahren in den Ruhestand zwingen wollte, kämpfte er noch um seinen Posten – und gewann.

Bis zu seinem 90. Lebensjahr spielte er Tennis und stand bis ins hohe Alter auch als Laienschauspieler auf der Bühne. Doch inzwischen hat sich seine Sehkraft so verschlechtert, dass er weder seiner Theaterpassion noch seiner akademischen Arbeit nachkommen kann. Ausschlaggebend für seine jetzige Entscheidung war jedoch ein Unfall vor wenigen Monaten. Goodall stürzte in seinem Ein-Zimmer-Apartment und verbrachte zwei Tage auf dem Boden, bis er von seiner Putzfrau gefunden und ins Krankenhaus gebracht wurde. Dort verboten ihm die Ärzte dann, jemals wieder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen oder alleine die Straße zu überqueren, wie die ABC berichtete. Dieser Vorfall habe ihm gezeigt, dass es im Alter «überhaupt keinen Respekt» mehr gebe, sagte er.

Deswegen will der 104-Jährige sein Leben nun selbst beenden. Mit dem Schritt will Goodall auch eine Diskussion zum Thema Sterbehilfe anstoßen und deren Legalisierung wenn möglich beschleunigen. Die australische Sterbehilfegruppe «Exit International» unterstützt Goodall bei seinem Vorhaben und hat eine Spendensammlung über eine GoFundMe-Seite aufgesetzt, damit der Forscher Anfang Mai zusammen mit einer Freundin nach Basel reisen kann. Am Dienstag waren bereits über 18.000 australische Dollar (11.000 Euro) zusammengekommen, über 3.000 Dollar mehr, als die Sterbehilfegruppe veranschlagt hatte, die in der Petition schreibt, dass es eine Schande sei, dass einer der ältesten und prominentesten Bürger Australiens gezwungen wird, «auf die andere Seite der Welt zu reisen, um in Würde zu sterben».