Dennoch vergingen weitere 20 Jahre, bis der lebensrettende Luftsack in seiner heutigen Form patentiert
wurde. Und weitere zehn Jahre dauerte es, bis das erste deutsche Serienfahrzeug damit ausgerüstet wurde.
Den harten Aufprall bei einem Cash versuchten bereits Piloten in der Frühzeit der
Fliegerei mit einem Gummisack, in dem ein Schwamm eingearbeitet war, einigermaßen
zu dämpfen. Dafür gab es 1920 in den USA das Patent mit der Nummer US 1 331 359.
Diese Einrichtung jedoch als ganz frühen Vorläufer des Airbags zu bezeichnen, trifft
daneben. Handelte es sich dabei doch um einen dauerhaften Aufprallschutz und nicht
um ein System, das erst bei einem Unfall in Aktion trat. Somit stellt er als ständig
gefüllter Gummisack nichts anderes als ein Polster dar.
Erfinder Walter Linderer in 1951
Die Geschichte des Airbags im Auto beginnt tatsächlich erst mit der Patentanmeldung
des Münchener Erfinders Walter Linderer am 6. Oktober 1951. Unter der Überschrift
„Einrichtung zum Schutze von in Fahrzeugen befindlichen Personen gegen Verletzungen
bei Zusammenstößen“ beschrieb der Visionär auf drei Seiten samt schlichter Zeichnung,
die einen Mann mit Hut vor einem aufgeblasenen Sack zeigte, seine Idee so: „Gemäß der
Erfindung wird vor dem Sitz der zu schützenden Person ein aufblasbarer Behälter in
zusammengefaltetem Zustand montiert, der sich im Falle der Gefahr automatisch oder
durch willkürliche Auslösung aufbläht, sodass die betreffende Person bei einem
Zusammenstoß gegen diesen weichen, elastischen Behälter geschleudert wird, wo sie
keine Verletzungen erleidet.“
Es dauerte zwei ganze Jahre
Zwei Jahre ließ sich das Deutsche Patentamt Zeit, bis es am 12. November 1953 die
Patentschrift veröffentlichte, in der es Walter Linderer als den alleinigen Erfinder
anerkannte. Etwa zur gleichen Zeit wurde ein ähnliches System von John W. Hendrik in
den USA patentiert (US 2 649 311 A).
Pressluft zu langsam
Leider stellte sich sehr schnell heraus, dass Linderers Geniestreich einen erheblichen
Pferdefuß hatte. Zur Druckerzeugung taugte gewöhnliche Pressluft bei den
bautechnischen Vorgaben in einem Auto nämlich überhaupt nichts, sie war viel zu
langsam. Um die extrem kurzen Zeiten zum Aufblasen des Airbags zu erreichen,
mussten pyrotechnische Gasgeneratoren entwickelt werden, die eine Reaktionszeit von
rund 30 Millisekunden ermöglichten. Mit den Mitteln der 1950er- und 1960er- Jahre war
das nicht möglich. Außerdem gab es für den Sack noch keinen Kunststoff mit
ausreichender Reißfestigkeit beim Einsatz.
Das musste 1955 auch der Amerikaner Harry A. Bertrand feststellen, als er 1955 im
Auftrag von General Motors eine Airbag-Kombination zum Patent anmeldete, die im Fall
des Falles nahezu den gesamten Innenraum des Wagens ausfüllte und den Insassen
kaum mehr Luft zum Atmen ließ. Dennoch war sein Vorschlag ein Vorläufer der späteren
Kopf-, Fuß- und Seitenairbags.
Wendepunkt 1969
So verschwand die Idee von der luftgefederten Prallbremse vorerst in der Versenkung.
Erst der damalige Präsident der USA, Lyndon B. Johnson, wies aufgrund rapider
ansteigender Verkehrsunfälle mit Toten und Schwerverletzten das von ihm ins Leben
gerufene Verkehrsministerium an, nur noch sichere Neuwagen zu dulden. Das United
States Department of Transportation formulierte daraufhin 1969 ein Gesetz, das
automatische Insassenschutzsysteme ab dem 1. Januar 1973 für Neuwagen verbindlich
vorschrieb.
Daraufhin experimentierte die Automobilindustrie mit verschiedenen
Sicherheitseinrichtungen. General Motors zum Beispiel bot ab 1974 für einige seiner
Fahrzeuge aus den Modellreihen Oldsmobile, Buick und Cadillac als aufpreispflichtiges
Zubehör einen Airbag namens Air Cushion Restraint System (Luftkissenrückhaltesystem)
– kurz ACRS – für Fahrer und Beifahrer an. Das Angebot scheiterte kläglich: GM musste
es mangels Nachfrage und weil ACRS für eine Reihe von Unfällen verantwortlich war,
1976 wieder vom Markt nehmen. Ursprünglich hatte das Unternehmen geplant, jährlich
100 000 Fahrzeuge mit diesem Airbagsystem zu verkaufen, tatsächlich wurde das
System während der gesamten Bauzeit weniger als 10 000-mal bestellt. Die Entwicklung
eines praxistauglichen Airbag-Systems galt vorerst als unmöglich.
Daimler-Benz Patent 1971
Zu dieser Zeit hatten die Sicherheitsingenieure Helmut Patzelt, Gerhard Schiesterl und
Albert Seybold bei der damaligen Daimler-Benz AG in Stuttgart jedoch heimlich, still und
leise eine „Aufprallschutzvorrichtung für den Insassen eines Kraftfahrzeuges“ ersonnen,
die sie am 23. Oktober 1971 zum Patent anmeldeten. Diese Entwicklung gilt als erster
wirklich erfolgreicher Schritt auf dem Weg zu den heute üblichen Airbags. Dafür gab es
die Patentschrift DE 21 52 902 C2.
S-Klasse machte den Anfang
Erstes deutsches Auto mit einem Airbag war 1981 die S-Klasse von Mercedes-Benz. Die Kombination aus Fahrer-Airbag und Beifahrer-Gurtstraffer war zunächst ausschließlich gegen Aufpreis in dieser Modellreihe erhältlich.
Kurze Zeit später folgte der Einsatz auch in der Baureihe W 123, die der heutigen
Mercedes E-Klasse entsprach.
Spätestens nachdem in den USA der Einbau von Front-Airbags für Fahrer und Beifahrer
bei Neufahrzeugen 1997 gesetzlich vorgeschrieben wurden, begann das
Luftkissensystem sich weltweit durchzusetzen. Schon 1995 hatte Volvo den ersten
Seitenairbag eingeführt, ein Jahr später Kia den Knieairbag und wiederum Volvo 1998 die
ersten seitlichen Vorhangairbags im Volvo S80.
Anzunehmen, der Airbag stelle das Nonplusultra der Sicherheit im Straßenverkehr dar,
ist allerdings ein Fehlschluss. In den Jahren 1990 bis 2007 registrierte die amerikanische
Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA 284 Todesfälle, die auf Airbagauslösungen
zurückzuführen waren. Es wurden 180 Kinder und 104 Erwachsene getötet. Dem standen
allerdings hochgerechnet 24 334 durch den Airbag gerettete Personen gegenüber.
Aktuell ist die Sicherheitseinrichtung wieder ins Gerede gekommen. Airbags des
japanischen Zulieferers Takata, die in fast alle Automarken dieser Welt eingebaut
werden, erwiesen sich aufgrund eines Fehlers als hochgefährlich und Anlass für die
größte Rückrufaktion in der Geschichte des Automobils. Nachdem Takata-Airbags in
Aktion getreten waren, kam es beim Aufblasen der Luftsäcke durch herumfliegende
Metallsplitter mit der Durchschlagskraft eines Schrapnells zu mehreren Todesfällen. Bis
2019 müssen daher mindestens 200 Millionen Fahrzeuge in die Werkstatt.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können