2028 könnten in der EU erstmals mehr elektrifizierte Autos als konventionelle
„Verbrenner“ ausgeliefert werden. Zu diesem Ergebnis kommt die
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Price Waterhouse Coopers (PwC) in einer Untersuchung
vom PwC-Autofacts, Analyse- und Prognoseteam. Dem Szenario zufolge werden
Elektrofahrzeuge 2028 mit einem Marktanteil von rund 30 Prozent erstmals vor
konventionelle Autos mit Verbrennungsmotoren (28 Prozent) liegen. Die übrigen gut 40
Prozent könnten Hybride sein.
Während der Anteil von Elektroautos bis zum Ende des kommenden Jahrzehnts laut PwCPrognose
auf fast 37 Prozent steigt, sinkt die Zahl der Benzin- und Dieselautos
kontinuierlich. Momentan werden noch gut 97 Prozent aller Neufahrzeuge in der EU
ausschließlich von einem konventionellen Verbrennungsmotor angetrieben. Bis 2020 sinkt
deren Anteil auf knapp 90 Prozent; 2025 werden es nicht mal mehr 50 Prozent und 2030
nur noch gut 15 Prozent sein.
Gewagtes Szenario?
Auf den ersten Blick scheint dieses Szenario gewagt. Jedoch gibt es zu dieser
Entwicklung kaum eine Alternative, denn das im letzten Jahr in Paris für 2050 festgelegte
Ziel einer globalen CO2-Neutralität (COP21) trifft die Autobranche so unmittelbar wie alle
anderen Industrien. Der Grund: Die momentan geltenden Emissionsvorgaben beziehen
sich lediglich auf Neufahrzeuge, die Vorgaben von Paris jedoch auf den gesamten
Fahrzeugbestand – und das waren im Jahr 2015 immerhin mehr als 900 Millionen Pkw.
Bei einem durchschnittlichen Verkaufsvolumen von knapp 67 Millionen Einheiten ergibt
sich – ohne weiteren Bestandsaufbau – mindestens eine Zeitspanne von rund 14 Jahren,
um alle im Betrieb CO2-intensiven Pkw gegen Pendants auszutauschen, die die Umwelt
vor Ort nicht belasten. Realistisch sind eher 20 Jahre.
Betrifft die übernächste Generation von Fahrzeugen
„Das bedeutet, dass die Automobilindustrie schon ab 2030 in der Lage sein sollte,
überwiegend (bei Betrieb. Die Red.) CO2-neutrale Autos anzubieten. Bei einem
durchschnittlichen Modelllebenszyklus von sechs Jahren sprechen wir also von der
übernächsten Produktgeneration“, konstatiert Christoph Stürmer, Global Lead Analyst von
PwC-Autofacts. Dabei betrachtet PwC die Emissionen ausschließlich beim Betrieb eines
Fahrzeugs, nicht aber den sogenannten CO2-Footprint, der Produktion, Energiegewinnung,
Betrieb und Entsorgung zusammenfasst. Da erweisen sich heute selbst reine
batterieelektrische Fahrzeuge beim europäischen Energiemix als nur wenig besser als
Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren (etwa zehn Prozent weniger CO2).
Laut den Prognosen der PwC-Experten vollzieht sich der Durchbruch alternativer
Antriebstechnologien in zwei Etappen. Für die nächsten Jahre sind zunächst kleinere
Technologieschritte zu erwarten wie der stärkere Einsatz des sogenannten 48-Volt-
Bordnetzes, was den Einsatz kosteneffizienter Hybridtechnologie ermöglicht, die ohne
teure Hochvolttechnik auskommt. Diese Technologie ermöglicht den effizienten Einsatz
von elektrischen Zweit-Motoren von bis zu 15 kW Leistung als „Mild-Hybrid“. Als Starter
sorgt der E-Antrieb beim Spurt für zusätzliches Drehmoment, als Generator für die
Rückgewinnung von Energie (Rekuperation) und hilft so, über Motoren-Downseizing und
Rekuperation, den Kraftstoffverbrauch zu senken.
„Schon zur Erreichung der Flottenverbrauchsziele für 2020 werden viele neue
Fahrzeugmodelle mit Mild-Hybrid-Technologie ausgestattet sein, und der Elektrifizierung
der globalen Neuwagenflotte erheblichen Vorschub leisten“, sagt Felix Kuhnert, Leiter
Automotive bei PwC in Europa. Momentan handelt es sich zwar nur bei etwa jedem 100.
Neufahrzeug in der EU um einen „Mild-Hybrid“. Doch schon 2020 könnte sich dieser Anteil
dem Szenario zufolge auf fast acht Prozent vervierfachen.
Bis 2025 sollen es dann schon fast 25 Prozent sein, bevor sich das Wachstum danach allmählich abschwächt. „Das liegt
in erster Linie daran, dass bis dahin bereits die zweite Etappe in vollem Gange ist –
nämlich der Siegeszug der E-Fahrzeuge“, so Kuhnert.
Politik ist gefordert
Eine entscheidende Rolle beim Durchbruch der E-Mobilität kommt dabei der Politik zu.
„Ein Beispiel ist der neue globalen Testzyklus WLTP (Worldwide Harmonized Light-Duty
Vehicles Test Procedure), der in der EU schon 2017 den klassischen Normzyklus ersetzen
wird“, sagt Kuhnert. Auch darüber hinaus ist der staatliche Einfluss auf die Veränderung
des Motoren-Mix enorm. So reicht das Spektrum politischer Maßnahmen von einer reinen
Förderung (ein Beispiel ist der deutsche Umweltbonus) über einen Mix aus Fördern und
Fordern (ein typischer Fall sind die New Energy Vehicles in China) bis hin zu einem lokal
begrenzten Verbot von Verbrennungsmotoren, wie es bereits in den Innenstädten von
London oder Hannover gilt.
„Dabei beschränkt sich die Debatte nicht nur auf den Klimaaspekt. Der chinesischen
Regierung etwa geht es in erster Linie darum, die Luftqualität in den Metropolen zu
verbessern“, sagt PwC-Experte Stürmer. Und auch Brüssel plant zusätzlich zum WLTP die
Einführung des sogenannten Real Driving Emissions-Tests (RDE). Er soll den Ausstoß von
Schadstoffen bei realen Testfahrten auf der Straße überprüfen.
Analog zur Prognose für den europäischen Automarkt hat PwC-Autofacts auch Szenarien
für China und Nordamerika erstellt. „Für den chinesischen Markt gehen wir davon aus,
dass reine E-Autos schneller auf signifikante Volumen kommen. Schon 2020 dürften die
Elektrofahrzeuge einen Marktanteil von fünf Prozent erreichen“, sagt Felix Kuhnert. Bis
2030 dürfte ihr Markanteil bei mehr als 40 Prozent liegen, während Autos mit
konventionellem Verbrennungsmotor ähnlich wie in der EU nur noch auf rund 15 Prozent
kommen könnten.
Für den NAFTA-Raum erwartet PwC Autofacts eine noch klarere Polarisierung des
Marktes als in Europa. Zum Ende des nächsten Jahrzehnts sinkt der Benziner-Anteil dem
Szenario zufolge auf eine niedrige zweistellige Prozentzahl, während Elektroautos bis
dahin auf mehr als 35 Prozent kommen. In Summe wird auch 2030 die Mehrheit aller
Neufahrzeuge noch mit Verbrennungstechnologie ausgeliefert. Allerdings werden die
meisten dieser Motoren dann mit Hybridtechnologie kombiniert. „Wir sind der Meinung,
dass der Übergang zur Mobilität der Zukunft nicht als ein plötzliches „Entweder-Oder“
erfolgt, sondern als ein zunehmendes „Sowohl-als-Auch“, resümiert Stürmer. (ampnet/Sm)
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