Neue Fahrzeuge verbrauchen nach Angaben des Forschungsinstituts ICCT deutlich mehr Sprit als angegeben – und stoßen damit auch mehr klimaschädliches Kohlendioxid aus. Die Diskrepanz zwischen Test- und Realwerten zum CO2-Ausstoß stieg 2015 auf knapp 42 Prozent und war damit «so groß wie noch nie», wie aus einer Untersuchung des ICCT hervorgeht. Für Autofahrer seien damit Mehrausgaben für Sprit von rund 450 Euro pro Jahr verbunden. Die Differenz zwischen Herstellerangaben und dem tatsächlich gemessenen Verbrauch vergrößerte sich laut ICCT in den vergangenen Jahren deutlich. Im Jahr 2001 habe die Abweichung bei neun Prozent gelegen. 2013 seien es 25 Prozent gewesen.
Der International Council on Clean Transportation (ICCT), der den Abgas-Skandal bei Volkswagen mit aufgedeckt hatte, berief sich am Donnerstag auf eine gemeinsame Untersuchung mit der Niederländischen Organisation für Angewandte Wissenschaftliche Forschung (TNO). Für diese wurden Daten für etwa eine Million Fahrzeuge aus sieben europäischen Ländern ausgewertet. Grundlage waren Einträge von privaten Fahrzeugbesitzern auf Internetseiten wie spritmonitor.de, Aufzeichnungen von Leasingfirmen zum Betanken von Dienstwagen und Straßentests von Automagazinen und verschiedener Einrichtungen. Besonders hohe Abweichungen bemerkte das Institut nach eigenen Angaben im Premium-Segment. Hier liege der Kraftstoffverbrauch einiger Fahrzeugmodelle durchschnittlich mehr als 50 Prozent über den Herstellerangaben.
«Auffällig hoch»
«Auffällig hoch» seien auch die Abweichungen für Hybrid- und Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge. Der ICCT-Geschäftsführer für Europa, Peter Mock, führte drei Viertel der Diskrepanz darauf zurück, dass Hersteller «immer systematischer Schlupflöcher in der bestehenden Regulierung ausnutzen». So könne ein Hersteller beispielsweise die Reifen eines Fahrzeugs speziell für den Test präparieren oder die Batterie des Fahrzeugs vor dem Test voll aufladen. Diese Maßnahmen seien gesetzlich nicht streng verboten, spiegelten aber nicht das reale Fahrverhalten wider, erklärte das Forschungsinstitut. Der restliche Unterschied ist demnach auf Technologien zurückzuführen, die im Labortest einen größeren Kraftstoff-Einspareffekt zeigen als im normalen Alltagsbetrieb. Das Institut rechnet damit, dass mit der für 2017 geplanten Einführung der neuen europäischen Testprozedur WLTP die Diskrepanz auf etwa 30 Prozent in den nächsten Jahren absinkt.
Auch in diesem Verfahren werden Autos weiter auf dem Prüfstand untersucht – allerdings soll der neue Prüfzyklus die Bedingungen im realen Straßenverkehr deutlich besser wiedergeben. Nötig seien aber reale Straßentests, forderte der BUND. «Nur realistische Messmethoden und Nachprüfungen» könnten «solche unlauteren Methoden» künftig unterbinden. Auch der ökologische Verkehrsclub VCD sprach sich für Realmessungen des CO2-Ausstoßes auf der Straße aus. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte, Fahrzeuge mit massiven Abweichungen stillzulegen. «Diese Fahrzeuge erfüllen nicht die Bedingungen der Typzulassung», kritisierte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. In den USA lägen solche Abweichungen im Schnitt bei drei Prozent. Ansonsten zwinge die Umweltbehörde EPA die Autohersteller, ihre Angaben zu korrigieren, und fordere Strafzahlungen. Das ICCT hatte den Abgas-Skandal bei Volkswagen ausgelöst, indem er vor mehr als einem Jahr die US-Umweltbehörde EPA informierte. Daraufhin hatte der Autobauer zugeben müssen, dass weltweit bei rund elf Millionen Dieselfahrzeugen mehrerer Marken eine Manipulations-Software eingesetzt wurde, die den Stickoxid-Ausstoß im Testbetrieb zu niedrig auswies.
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