Die Nobel-Luxus-Adelsschmiede Bentley hatte schon immer eine Vorliebe für forsches Styling und schlagkräftige Nonchalance, mit der die Lords und Earls mit britischer Lässigkeit mal schnell mal behutsam durch das Empire fegten. Zahlreiche grosse Rennen gewann man, darunter die 24 Stunden von Le Mans, nur um die Welt daran zu erinnern, dass Noblesse und Vitesse sehr wohl miteinander harmonieren können. Mit dem Continental GT Speed, der uns neulich beherbergte, zeigt Bentley seinen Sportsgeist in einem höchst temperamentvollen 2+2 Luxus-Coupé, dessen Abenteuerlust fast keine Grenzen im Wege stehen, jedenfalls nicht, so lange eine Strasse Ihrer Majestät dahin führt.
Wohin fährt man mit dieser Nobel-Karosse? Nach London, einmal um den Buckingham Palace herum? Zu Harrod‘s, um dort den Rolls die Show zu stehlen, nach Ascot und seinen geflochtenen Picnic-Körben, nach Deauville zum Schluckauf-Jetset, nach St. Tropez zu den Russen und Neckermännern, nach Portofino zu den Muscheldreschern oder nach Sylt zu den Curry-Würsten mit Goldkettchen?
Nobelsuite auf Rädern
„Nein, grinst Oma mit den Springerstiefeln. Ich will auf der Stelle zu Aldi. Einmal im Leben mit einem Bentley dort aufkreuzen war schon immer mein Traum!“. Ich klärte Oma dann über ihre Rechte auf, untersuchte sie nach verbotenen Gegenständen, konfiszierte Messer, Zigaretten und Feuerzeug, zog den Sicherheitsgurt fest, öffnete das Faltdach und fuhr los. Ich erwähne hier nicht, dass es sich um ein elektrisches Dach handelt, das wäre so überflüssig wie auf den Verbrauch dieser Nobelsuite einzugehen. Der Trick wirkte, Oma musste sich mit beiden Händen an ihrem Hut festhalten und konnte somit nicht an den vielen Knöpfen am Armaturenbrett herumfummeln. Bei Aldi kaufte sie eine Dose Kautabak, doch es gelang mir, ihn anschliessend gegen ihr beschlagnahmtes Wurfmesser einzutauschen.
12 Zylinder für 642 PS und Allrad
Oma verharrte in ehrfürchtiger Erinnerung und lauschte dem satten Schnurren des W12 Biturbo Motors, eine Bezeichnung, die sich einigermassen furchterregend für eine Nobel-Limousine dieser Luxus-Klasse anhört und es auch ist. 6 Liter Hubraum, 642 PS und 820 Nm Drehmoment schon ab 1700 U/min und 330 km/h Spitze, das sind Werte für die jeder Sportwagen seine SUV-Onkels und Break-Tanten und Coupé-Cousins eintauschen würde. Und dann erst die Beschleunigung! So muss es sich anfühlen, wenn man die Luxus-Suite des Park Lane Hotels mit Raketenantrieb ausstattet.
Damit die schnelle Fahrt im Continental GT Speed störungsfrei verläuft, dafür sorgt Allrad. Dass Graf Yoster und Gemahlin nicht vor Ankunft im Schlosspark auf schlechte Gedanken kommen, dafür sorgt eine raffinierte Federungs- und Dämpfungsabstimmung, die man von „Komfort“ progressiv auf „Es werden keine Gefangenen gemacht!“ verstellen kann. Und wenn seine Lordschaft der Lady den steinigen Weg zum See zeigen will, wo ihm seine Reitlehrerin einst den Trick mit den Seidenstrümpfen beibrachte, dann lässt sich das Fahrwerk mit Knopfdruck in der Höhe verstellen. „Ich kenn‘ den Seidenstrumpftrick nicht, bemerkte Oma knurrend, aber wenn du damit den Umgedrehten Straps-Shuffle meinst, versteh‘ ich warum so viele Adlige frühzeitig an Demenz leiden….“
Die Reise ging dann weiter. Schwerelos, unbeirrt von der Aussenwelt, gemütlich locker und herrlich souverän bei zivilisiertem Tempo. Und je mehr man an die 642 PS denkt, umso entspannter lässt man sich von A nach B bewegen. Ohne Eile, ohne Stress, in einem berauschend exklusiven und designmässig progressivem Interieur aus Karbonfasereinlagen und Leder in Gelb und Schwarz. Optisch ist dieser GT Speed kein Freund des Understatements.
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