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Aufrüsten in den Alpen

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In den Alpen sind ganze Täler vom Wintertourismus abhängig. Doch die Skifahrer-Zahlen stagnieren und das Wetter wird unberechenbarer. Mit hohen Investitionen wetteifern die Skigebiete um Besucher. Geht diese Strategie auf?

Größer, schneller, weiter – rund um die Alpen liefern sich Europas Skigebiete seit Jahren ein Wettrüsten. Wer bietet die meisten Pistenkilometer und hat die modernsten Bergbahnen? Wo stehen die luxuriösesten Resorts? Wer dachte, dass die Anbieter angesichts milderer Winter und zeitweiser Schneearmut in den vergangenen Jahren etwas auf die Bremse treten, lag falsch – im Gegenteil: Rund um die Alpen wird im großen Stil fusioniert und investiert, das treibt auch die Preise für den Winterurlaub in die Höhe.

So können für einen einwöchigen Skiurlaub für eine Familie mit zwei Kindern inklusive Hotelübernachtungen und Skipässen in der Hochsaison schnell über 2000 Euro fällig werden. Es sei wichtig, auch kleinere Familienskigebiete zu fördern, damit auch Familien, Sportvereine und Schulklassen dort weiter Breitensport zu bezahlbaren Preisen betreiben können, sagt Nicole Espey vom Bundesverband der Deutschen Sportartikel-Industrie (BSI).

Ganze Täler leben vom Tourismus

Klar ist: Die Anbieter müssen ihre hohen Investitionen wieder hereinholen, denn in Österreich etwa leben ganze Täler zu einem guten Teil vom Wintertourismus. Zugleich stagnieren die Skifahrer-Zahlen auch angesichts des demografischen Wandels: Nachdem früher die Klassenfahrt ins Skilager noch zum Standardprogramm vieler weiterführender Schulen gehörte, ist sie heute nicht einmal mehr in der Skifahrer-Nation Österreich eine Selbstverständlichkeit. «Der Skisport braucht auch weiterhin Nachwuchs», sagt Espey.

Hinzu kommt der Klimawandel mit tendenziell milderen Wintern. Wo die weiße Pracht fehlt, wird mit Schneekanonen nachgeholfen – auch das ist nicht gerade billig. Alleine die Seilbahn-Betreiber in Österreich haben seit dem Jahr 2000 rund eine Milliarde Euro in künstliche Beschneiung und die dafür nötige technische Infrastruktur gesteckt. Auch bei Liften und Gondeln ist immer mehr Komfort gefragt – bis hin zur Sitzheizung im Sessellift. Die hohen Bau- und Anschaffungskosten müssen dann wieder eingespielt werden – all das heizt den Kampf um Marktanteile weiter an.

Nicht allein auf Kunstschnee verlassen

Den Ausrüstern, die sich von Sonntag (5. Februar) an bis Mittwoch (8. Februar) wieder auf der Sportartikelmesse in München präsentieren, hat der Investitionsboom kaum geholfen. Denn wer gut tausend Euro für neue Skier, Skischuhe, Stöcke, Bekleidung und sonstiges Zubehör ausgeben soll, mag sich wohl nicht alleine auf Kunstschnee verlassen – und überlegt sich dreimal, ob er die Ausrüstung nicht lieber nur leiht statt kauft. Allerdings kann auch das schnell ins Geld gehen, wenn man häufiger in den Skiurlaub fährt und gutes Material haben möchte. In den vergangenen Wochen freute sich die Branche zwar über gute Schneeverhältnisse, aber auch in diesem Jahr kam das Winterweiß mit Verspätung. Die mauen Saisons der vergangenen Jahre hätten die Hersteller kräftig unter Druck gesetzt, sagt Espey.

Sorgen bereiten die neuen Mega-Skigebiete etwa dem Deutschen Alpenverein. Nach dem Erschließungsboom der 80er- und 90er-Jahre habe es zeitweise so ausgesehen, als sei die Ausbaugrenze erreicht, heißt es auf der Homepage des Bergsport-Verbands. Doch weil sich seit einiger Zeit gleich ganze Täler zusammenschließen, würden auch bis dahin noch weiße Flecken für Skitouristen erobert und vereinnahmt.

Zusammenschluss von Ötztal und Pitztal

Beispiel dafür sei der geplante Zusammenschluss von Ötztal und Pitztal in Österreich, durch den das größte Gletscher-Skigebiet der Welt entstehen soll, wie Geowissenschaftler Tobias Hipp vom Alpenverein sagt. Auf deutscher Seite gibt es – wenngleich einige Nummern kleiner – Pläne für den Zusammenschluss der beiden Skigebiete am Riedberger Horn im Allgäu durch einen neuen Skilift. Das Projekt ist hochumstritten, weil die geplante Lifttrasse durch einen streng geschützten Bereich der Alpen verläuft und damit eigentlich unzulässig ist.

Trotz solcher Vorhaben sieht Ralf Roth von der Sporthochschule Köln aber keine massive weitere Vereinnahmung der Alpen für den Skizirkus – im Gegenteil: Die Zahl der Skigebiete dürfte künftig weiter schrumpfen, weil im Gegenzug zum Ausbau größerer Zentren auch kleinere Skigebiete in niedrigeren Höhenlagen aufgegeben würden, sagt der Experte. Winterreisen in die Alpen sind aus seiner Sicht nicht nur für die Region wirtschaftlich existenziell, sondern auch in Sachen Natur- und Schneeerlebnis, Fitness und Gesundheit unersetzlich. Verglichen mit anderen Urlaubsformen hält sich die Belastung für Umwelt und Klima durch den Wintersport aus seiner Sicht noch in Grenzen: Ein Flug in die Karibik und zurück etwa produziere so viel Kohlendioxid wie 140.000 Skifahrertage in den Alpen, hat der Experte ausgerechnet.