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KulturWie bei Indiana Jones: Köln baut einzigartiges unterirdisches Museum

Kultur / Wie bei Indiana Jones: Köln baut einzigartiges unterirdisches Museum
 Ein Archäologe arbeitet auf dem Gelände des Jüdischen Museums im Archäologischen Quartier (MiQua) an Mauerresten  Foto: dpa/Oliver Berg

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In Köln entsteht derzeit ein weltweit einzigartiges Museum unter der Erde: Es geht in die Römerzeit und ins jüdische Mittelalter. Der Abstieg in die Tiefe hat etwas von Indiana Jones – hier allerdings ist alles echt.

Eine Tür unter der Erde öffnet sich, dahinter herrscht Finsternis. Im flackernden Licht einer Lampe geht es enge Stufen voller Sand und Geröll hinunter. Dann plötzlich ist da der Blick durch ein uraltes Rundbogenfenster 14 Meter in die Tiefe. An der Wand führt eine schmale Treppe herunter. Ganz unten schimmert schwarzes Wasser. Willkommen in der Mikwe, dem rituellen Tauchbad der mittelalterlichen Judengemeinde von Köln.

Nur wenige Schritte vom Dom entfernt bauen die Kölner unter der Erde schon jahrelang an einem Museum, das es so kein zweites Mal auf der Welt gibt. In Anlehnung an die Mikwe nennen sie es MiQua. Wenn es irgendwann fertig sein sollte – wann das der Fall sein wird, weiß noch kein Mensch – wird es einen 600 Meter langen Rundgang umfassen, der von den Ruinen des römischen Statthalterpalastes für Niedergermanien – Teil des Unesco-Weltkulturerbes – durch das mittelalterliche Judenviertel führen wird. Denn all das haben Archäologen unter der Erde freigelegt. Es hat einen hohen Indiana-Jones-Gehalt, nur mit dem Unterschied, dass hier alles echt ist.

Hinter hohen Bauzäunen führt eine wacklige Leiter hinunter in die lang versunkene Parallelwelt. Hier wartet der englische Archäologe Gary White. „Diese Grabung hier umfasst 2000 Jahre Geschichte, das hat man sonst nirgendwo“, sagt White mit leichtem englischen Akzent. „Ich sehe das als Belohnung für mein ganzes Archäologenleben.“

Die Geschichte Kölns kann man nicht ohne tiefes Luftholen erzählen, denn sie beginnt mit Agrippa, dem Feldherrn des Kaisers Augustus, der im Jahr 19 vor Christus das römerfreundliche Volk der Ubier auf das linke Rheinufer umsiedelte. Im Laufe ihrer 2000-jährigen Geschichte ist die westlichste deutsche Metropole immer wieder abgerissen oder zerstört und dann neu gebaut worden. So kommt es, dass jedes Köln auf einem älteren Köln steht. Wer etwas über seine früheren Inkarnationen erfahren will, muss deshalb unter der Erde suchen.

Nach dem Zweiten Weltkrieg ragten aus den Bombenkratern plötzlich die Ruinen des Praetoriums, des Statthalterpalastes, hervor. Er wird nun in das entstehende Museum integriert. Vor wenigen Tagen ist der Durchbruch zu dem erst in diesem Jahrhundert wiederentdeckten Judenviertel aus dem Mittelalter vollzogen worden. Römische und mittelalterliche Mauern sind hier unten kreuz und quer über- und durcheinander gebaut. Die mittelalterlichen Kölner setzten sozusagen auf Nachhaltigkeit, indem sie die alten Bauten möglichst wiederverwendeten – eigene Steinbrüche hatten sie nicht.

Kopf einziehen! Jetzt geht es unter Führung von Bauleiter Matthias Zoppelt durch einen schmalen Gang weiter. Rechterhand arbeiten zwei Archäologinnen im Licht eines Scheinwerfers, dahinter tut sich ein größerer Raum mit einem wunderbar erhaltenen römischen Torbogen auf. Im Mittelalter wurde hier ein Gasthaus angebaut. Das gehörte schon zum Judenviertel.

Die jüdische Gemeinde von Köln war kein Ghetto, aber gleichsam eine Stadt in der Stadt, eine Miniaturwelt zusammengedrängter Häuser. Sie verfügte über eine Synagoge, ein Kultbad – die Mikwe –, ein Tanzhaus, eine Bäckerei, eine Badestube. All das ist jetzt plötzlich wieder da, nur eben unter der Erde und als Ruine. Aber man kann tatsächlich wieder durch die Häuser gehen: „Da vorn war das Haus zum Golde, dann kommt Haus Nichols, Haus Koppe, Haus Bardowick und zum Schluss Haus Nussia“, zählt der Archäologe Michael Wiehen auf. Es ist, als würde er die Namen seiner Nachbarn nennen.

Ein paar Schritte weiter zeigt der Mittelalter-Experte auf ein Schild mit einer hebräischen Inschrift. „Ein wirklich einmaliger Fund“, schwärmt er. „Wir befinden uns hier im Haus Lyvermann.“ Lyvermann war ein aus Düren stammender Jude, der hier im 13. Jahrhundert sein Haus hatte. Dazu gehörte auch eine Latrine, eine Toilette. Hier gab es allerdings ein Problem.

„Oberhalb der Latrine ist der Hof, der um die Synagoge herumläuft“, erläutert Wiehen. „Dieser Bereich ist heilig und darf nicht verunreinigt werden. Latrinen wurden normalerweise von oben gereinigt, aber so wären die Fäkalien auf den Synagogenhof gelangt. Das war nicht gestattet. Herr Lyvermann hat deshalb einen sehr pfiffigen Sonderweg gefunden.“ Statt von oben wurde die Latrine durch den Keller entleert. Um das auch anderen zu verdeutlichen, brachte Lyvermann das Schild mit einer Art Bedienungsanleitung an. Die Inschrift heißt übersetzt: „Das ist das Fenster, durch das die Exkremente herausgeholt werden.“ Näher kann man dem Mittelalter wohl nicht kommen.

Insgesamt haben die Archäologen mehrere Hunderttausend Gegenstände zutage gefördert, darunter einen halbmondförmigen, edelsteinbesetzten Goldohrring aus dem 11. Jahrhundert und eine Tafel mit der Aufschrift „yt in ys neyt anders“. Man könnte das übersetzen mit: „Et is wie et is“ (Es ist, wie’s ist) – die klassische Kölsche Spruchweisheit. Funde wie dieser zeigen, dass die Juden jahrhundertelang einfach Kölner unter Kölnern gewesen sind.

Doch da sind auch die anderen Funde. Michael Wiehen zeigt einige unscheinbare schwarzgraue Brocken – es sind die Fragmente eines eisernen Kettenhemds, das in einem Feuer geschmolzen ist. „Das heißt: Temperaturen von über 1.100 Grad.“ Sie entstanden in der Nacht zum 24. August 1349, als das jüdische Leben in Köln, der damals größten Stadt auf deutschem Boden, ein jähes Ende fand.

In diesem Jahr war die Pest über die Alpen gekommen und langsam aus dem Süden auf Köln zugekrochen. Mit ihr verbreitete sich das Gerücht, die Juden hätten die Seuche durch Brunnenvergiftung herbeigeführt. In der fatalen Nacht stürmte der Pöbel über die Mauer hinweg, die den Lebensraum der Juden begrenzte, brannte die Häuser ab, erschlug Männer, Frauen und Kinder. „Pogromschutt“ nennt Gary White die Überreste dieser Mordnacht. „Das ist der wichtigste Fund überhaupt.“

Dazu gehören beschriebene Schiefertafeln aus der Synagogenschule, Einkaufslisten, Bilder, Graffiti … Ein besonders bewegendes Relikt wird in einer Schachtel aufbewahrt. Es ist nur ganz klein. Eine zierliche, aus Stein gearbeitete Blüte, die einst zur reich verzierten Lesekanzel der Synagoge gehörte, in jener Nacht in Tausende Stücke zerschlagen. „Es erinnert sehr an die Architektur im Kölner Dom“, sagt Michael Wiehen. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass die Blüte von einem der christlichen Steinmetzen der Dombauhütte geschaffen wurde. Was zeigt, wie eng das Miteinander war. Und wie zerbrechlich.