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Vorreiter der Dekonstruktion auf der Bühne

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Was haben eine italienische Barockoper aus dem Jahre 1641 und ein italienischer Science-Fiction-Film aus dem Jahre 1965 gemeinsam? Die US-amerikanische Theatergruppe „The Wooster Group“ gastierte mit einer eigenwilligen Fassung der Oper „La Didone“ am Donnerstag und Freitag im Grand Théâtre./Marion Adlung

Unter der Regie von Elisabeth LeComte vermischen sie ganz ungeniert die Handlung der Oper von Francesco Cavalli mit Mario Bavas Film „Terrore nello spazio“ oder „Planet of the Vampires“. Im Jahre 1975 gegründet, gilt „The Wooster Group“ als eine der einflussreichsten Theatergruppen weltweit und als Vorreiter der Dekonstruktion auf der Bühne. Ihr Name verweist auf die Straße in Soho, in der sich ihre Performing-Garage befindet.
Das Bühnenbild wird von der Technik bestimmt, verschiedene Videomonitore rechts und links auf der Bühne, im Hintergrund eine Videowand. Ein paar Tische stehen herum. Sphärische Klänge schwingen durch den Raum. Die Live-Band spielt Barockmusik und gesungen wird auf Italienisch.

Untergang Trojas – Raumschiffe im All

Aeneas, der Sohn der Göttin Venus, muss mit ansehen, wie die Griechen die Stadt Troja mit Krieg und Verheerung überziehen. Der Untergang Trojas war von den Göttern beschlossen. Aeneas rüstet sich zur Fahrt übers Meer. Er landet an den Küsten Afrikas und trifft auf Dido, die Königin von Karthago. Auf den Monitoren und im Bühnenhintergrund werden zeitgleich Ausschnitte des Science-Fiction-Films gezeigt. Zwei Raumschiffe sind im All unterwegs und folgen einem unbekannten Signal, das von dem unerforschten Planeten Aura kommt.
Die Filmsequenzen liefern die Vorlage für die Bühnenszenen. Schauspieler, in silberfarbenen Astronautenoutfits, sprechen die englischen Dialoge nach, handeln wie die Filmfiguren, treten mit dem Videobild in Interaktion. Wie Aeneas sind die Astronauten auf dem Weg ins Unbekannte, werden einen fremden Planeten betreten und wissen nicht, was sie dort erwartet. König Jabas liebt die verwitwete Dido, die ihn aus Treue zu ihrem verstorbenen Mann abweist. Darüber verliert Jabas den Verstand.
Auch die amerikanischen Raumfahrer werden parallel dazu langsam verrückt, gehen aufeinander los, getrieben von einer Macht, die sie sich nicht erklären können. Die Akteure nehmen die Mitspieler des anderen Handlungsstranges nicht wahr, wenngleich sie gemeinsam auf der Bühne stehen. Sie spielen ganz ernsthaft, scheinen nicht zu hören, dass Passagen gleichzeitig gesungen oder gesprochen werden.

Die Weltenkreuzen sich

Dann wieder, ganz flüchtig nur, erweckt es den Anschein, dass sie sich doch der Gegenwart der anderen bewusst sind, dass sie verstehen, dass sie Teil einer Geschichte sind. Für kurze Momente kreuzen sich die beiden Welten. Von Venus gesandt, lässt Amors Pfeil Dido für Aeneas entbrennen. Doch die Götter befehlen Aeneas, Dido zu verlassen. Verzweifelt greift Dido zum Lasergewehr, um sich das Leben zu nehmen.
Die Astronauten sehen sich derweil mit einer Lebensform konfrontiert, die den Menschen im Schlaf den Verstand raubt und sich der Körper ihrer toten Kameraden bemächtigt. So taumeln alle Protagonisten durch eine Welt, die sie nicht verstehen und die von übermächtigen Kräften regiert zu sein scheint.
Mit Jarbus sind die Götter gnädig. Er wird aus seiner Verwirrung erlöst und erobert Dido. Drei Astronauten schaffen es, den Planeten mit ihrem Raumschiff zu verlassen, doch zwei von ihnen sind nicht menschlich. Glaubt man an Götter oder an fremde Mächte, das Schicksal scheint vorbestimmt.