Und jener, welcher die Spindel andrehen sollte, um dann selbst um sie herum zu tanzen, der Choreograf und renommierte Tänzer Jean-Guillaume Weis, musste an diesem letzten Abend passen. Auf Grund einer Verletzung, wie er den Zuschauern kurz vor der Aufführung persönlich mitteilte, sei er unfähig, am Stück teilzunehmen, was jedoch nicht sonderlich schlimm sei, da er eine hervorragende Gruppe von Tänzern präsentieren könnte, mit denen er die Vorführung vorher noch schnell umimprovisieren konnte. Es war ein Versprechen, das Weis abgab, und der Laie wagt zu behaupten: Er und seine sympathische Truppe von Tänzern hielten es auf glänzende Weise.
Wie die Bienen
„LogoZoo“ heißt die von Weis in enger Zusammenarbeit mit seinen Tänzern entworfene Choreografie, in welcher sie die Menschen in ihren sozialen Umtrieben, in ständiger Attraktion und Repulsion tanzend festzuhalten versuchen. Und der Versuch gelingt. Die Tänzer bekämpfen sich, oder besser: betanzen sich, wie die Bienen, zu denen indirekt immer wieder Parallelen gezogen werden.
Das menschliche Zusammenleben, es ist ein Zoo; ein Tierreich, dominiert von Leidenschaften und Trieben, die im Tanz zu ihrem wahren Ausdruck finden. So lässt Weis auf manchmal amüsante, zuweilen aber auch sehr tragische Weise Kampf- und Paarungsverhalten bis zur Unkenntlichkeit ineinanderfließen. Was will der Mensch von den andern?
Er weiß es selbst nicht, scheinen Weis und seine Tänzer zu sagen, und so lassen sie jeden Versuch stiller Rationalität wieder im Tanz zusammenbrechen. Immer wieder zieht sich das individuelle Gegeneinander zu einem gruppenartigen Füreinander zusammen, von dem aber jeder der vier Tänzer urplötzlich abbrechen kann.
Körperliche Anziehung, Nähesuchen schwenkt um ins leidenschaftliche Kämpfen für die eigene Freiheit. Jede Sekunde wird um die Grenze zwischen dem sozialen und dem privaten Bereich gekämpft, getanzt, bis hin zu Selbsthass und Zerstörungswut. Die eigene Richtung, die der Mensch im Leben einzuschlagen versucht, wird von den Tänzern in Momenten klarer Starrheit nur erblickt, im sozialen Tanz jedoch sofort wieder aufgelöst. Der Mensch hält nicht Stand und ruht nur im Tode.
Und bis dahin wird weitergeprobt, immer wieder geprobt, als wäre die Gesellschaft eine Tanztruppe, wo keine Bewegung starr im Raum hängen bleibt; die Bewegungen fließen mit der Zeit und verändern sich dementsprechend, sind nie die gleichen, müssen immer neu entdeckt und neu in die Luft gezeichnet werden.
Bis man dann unter der Erde liegt.
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