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Alain spannt den BogenStilistische Feinheiten sind Trumpf gewesen

Alain spannt den Bogen / Stilistische Feinheiten sind Trumpf gewesen
Der Dirigent Lahav Shani, gelernter Pianist, hatte ebenfalls den Solistenpart übernommen Foto: Philharmonie Luxembourg

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Wenn das Israel Philharmonic nach der fast 50-jährigen Regentschaft von Zubin Mehta nun den jungen israelischen Dirigenten Lahav Shani als neuen Chef gewählt hat, dann will das schon etwas heißen. In der Tat ist Shani wohl der Senkrechtstarter unter den jungen Dirigenten, der schnell auf den internationalen Bühnen Fuß gefasst hat und überall fast ausnahmslos gute Kritiken erhält.

Lahav Shani ist ebenfalls Chefdirigent des Rotterdam Philharmonic Orchestra, mit dem er am Sonntag im großen Saal der Philharmonie gastierte. Das Rotterdam Philharmonic Orchestra, das ist allgemein bekannt, ist ein erstklassiger Klangkörper, der in den letzten Jahren von Valery Gergiev und Yannick Nézet-Séguin auf Vordermann gebracht wurde und zweifelsohne zu den besten Orchestern Europas gerechnet werden darf, auch wenn es immer noch im Schatten des prominenteren und omnipräsenten Concertgebouw steht.

Shani und seine Musiker hatten das Klavierkonzert Nr. 23 von W.A. Mozart und die 3. Symphonie „Schottische“ von Felix Mendelssohn-Bartholdy sowie die Konzertouvertüre Meeresstille und glückliche Fahrt als Opener vorbereitet. Bereits die langsame und stimmungsvolle Einleitung der Ouvertüre zeigte das klangliche Potenzial des Orchesters. Feinste Klangstrukturen, wunderbare Farbschattierungen und eine sehr präzise Dynamik nahmen das Publikum ab den ersten Minuten gefangen. Shani dirigierte die Ouvertüre mit einem untrüglichen Gespür für ein orchestrales Gleichgewicht. Wie von Zauberhand verwebten sich die einzelnen Melodienlinien und schufen Momente von betörender Schönheit. Auch das Klavierkonzert von Mozart war ein Musterbeispiel an stilistischer Raffinesse und orchestraler Brillanz.

Standing Ovations für Rotterdam und Shani

Lahav Shani, gelernter Pianist, hatte ebenfalls den Solistenpart übernommen und gestaltete die Musik, wie zu Mozarts Zeiten, aus dem Orchester als primus inter pares heraus. Er wählte eine eigene Kadenz für den Kopfsatz, die musikalisch die Nähe des Klavierkonzertes zu der Oper Nozze di Figaro aufzeigte. Der zum Orchester hingewandte, offene Flügel klang leider etwas hallig und der Klang vermischte sich nie richtig mit dem des Orchesters. Trotzdem überzeugte Shani als unaufgeregter, intimistischer Interpret, der es fertigbrachte, hier eine groß besetzte Kammermusik zu machen, die immer dem Detail, der Schönheit und der Finesse verpflichtet blieb.

Überzeugender Klangzauber entstand dann auch bei Mendelssohns Schottischer Symphonie. Auch hier bestach das Rotterdam Philharmonic Orchestra mit technischer Präzision, herrlichen Soli in den Holz- und Blechbläsern und einer sehr homogenen, z.T. auch recht dramatischen Widergabe. Ohne je zu übertreiben, trieb Shani seine Musiker zu Höchstleistungen an. Dabei blieb das Orchesterspiel trotz vieler kurz genommener Noten immer flexibel und wendig. Shani fand auch hier immer die ideale Balance zwischen Ausdruck und Struktur, zwischen Farben und Linien, zwischen Atmosphäre und absoluter Musik. Die Standing Ovations für das Rotterdam Philharmonic Orchestra und seinen jungen Chefdirigenten waren in jedem Falle berechtigt. Als Zugabe folgten noch zwei orchestrierte Lieder ohne Worte von Mendelssohn-Bartholdy.

Mozart ohne Zauber

Die Kombination Orgel-Klavier mutete auf den ersten Blick zwar vielversprechend an, konnte aber letztendlich nicht vollends überzeugen. Im Rahmen der Konzertserie „Autour de l’orgue“ hatte Kit Armstrong ein Programm zusammengestellt, das viel zu lang war und auch etwas unglücklich daherkam. Der talentierte Pianist begann mit der Suite für Cembalo Nr. 5 von Georg Friedrich Händel, in der Bearbeitung für Orgel selbstverständlich. Ich ziehe dieses Werk allerdings im Original vor, die Orgel, und das bestätigte mir diese Aufführung, ist mir zu mächtig und wuchtig im Klang und wird den Nuancen nicht immer gerecht. Armstrong spielte, ohne wirklich etwas auszusagen. Auch hatte man immer den Eindruck, er sei körperlich zu klein, um die Orgel wirklich zu beherrschen.

Sein Mozart anschließend war erstaunlich lethargisch. Der Übergang von der Orgel zum Klavier erfolgte mit drei Sätzen aus der C-Dur Suite KV 399 und zeigte uns eine perfekt gespielte, aber nie berührende Interpretation. Ähnliches dann auch bei der Klaviersonate Nr. 13, die spielerisch perfekt war und ausgewogen, aber recht professorenhaft wirkte. So wunderbar und nuancenreich Armstrong auch spielte, es war ein Mozart ohne Zauber. Ein Eindruck, der sich bei der Fantasie und Fuge in C-Dur KV 394 wiederholte. Auch das Publikum schien hier wegzudriften, denn die Aufführung der drei Mozartwerke wurde von permanentem und sehr lautem Husten immer wieder gestört.

Den Abschluss bildete die überlange und über lange Strecken auch langweilig wirkende Fantasie und Fuge über den Choral „Ad nos, ad saltarem undam“ von Franz Liszt, die zudem vom Programm her eher fehl am Platze war. Nach viel Enttäuschung gab es zum Schluss dann einen kleinen Lichtblick. Kit Armstrong spielte als Zugabe „Aux cyprès de la Villa d’Este“ (2) aus den Années de pèlerinage von Liszt und traf hier exakt den richtigen Ton. Wunderbare Phrasierung, klares Spiel, bildhafte Kraft – eine funkelnder Diamant am Schluss eines sonst nur durchwachsenen Konzerts.