Den Anfang machte die Ouvertüren-Suite aus Georg Friedrich Händels Oper Rodrigo mit ihrer Ouvertüre und ihren Tänzen. Ein Werk, das sich durch seine Eingängigkeit und Freude als idealer Konzerteinstieg in diese Barockwelt zeigte. Es folgte die Kantate „Tu fedel? tu costante?“ für Streicher und Sopran HWV 171, ebenfalls von Händel.
Als exzellente Solistin stand die Sopranistin Einat Aronstein vom Trierer Ensemble auf der Bühne und begeisterte mit einem ebenso lebendigen wie gesanglich und gestalterisch perfekten Gesang. Die Leichtigkeit der Stimme und die Flexibilität ihres Vortrags machen Einat Aronstein zu einer idealen Interpretin dieser Musik.
Auch in dem geistlichen Konzert für Sopran, Trompete und Streicher „O felicissimus paradysi aspectus“ von Johann Rosenmüller erwies sich Einat Aronstein als intelligente und sichere Gestalterin. Ihr zur Seite stand der Solotrompeter des Sinfonieorchesters der Stadt Trier, Florian Chamot.
Des Weiteren erlebte das Publikum Arcangelo Corellis Concerto grosso op. 6; als letztes Stück jeder Konzerthälfte war jeweils ein Werk von Johann Sebastian Bach zu hören, nämlich das Brandenburgische Konzert Nr. 3 BWV 1048 sowie die Orchestersuite Nr. 3 BWV 1068.
So großartig und so vielseitig dieses Programm auch war, so überragend Einat Aronstein ihre beiden Auftritte auch meisterte, so enttäuschend war diesmal die Leistung des Ensembles des Sinfonieorchesters der Stadt Trier. Die Musiker, ausgenommen vielleicht die Holzbläser und die Cembalistin, fanden keinen wirklichen Zugang zu der Musik.
Da gab es weder ein homogenes Zusammenspiel noch eine wirkliche Dynamik oder ein gemeinsames Konzept. Die ersten und zweiten Geigen wirkten verloren – selten habe ich so hilflose Gesichter bei Musikern gesehen – und fanden nur sehr selten zu einem wirklich gemeinsamen Spiel.
Bernhard Forck hatte es wohl gut gemeint, aber das Niveau und die Reaktionsschnelligkeit des Orchesters in diesem Repertoire überschätzt. Er leitete das Ensemble von seiner Geige aus und gab demnach auch das Tempo an.
Dieses beschleunigte er manchmal so unerwartet, dass die Trierer Musiker nur hinterherhinkten und ihr Spiel sich dadurch in sich häufender falscher Intonation regelrecht auflöste. Trotzdem, es gelang den Musikern immer wieder, sich zu fangen und das Konzert somit doch noch zufriedenstellend über die Runden zu bringen. Viel Applaus gab es vom Publikum. Es ist schön, zu sehen, wie sich ein Publikum doch geschlossen hinter ein Orchester stellen kann, auch wenn es mal einen schlechten Tag erwischt hat.
Atemberaubende Missa solemnis
Trotz Erkältungen in den eigenen Reihen und einem Dirigenten, der mit der 40°C Fieber dirigierte, wurde die Aufführung von Beethovens monumentaler „Missa solemnis“ zu einem Ereignis allererster Güte. Das Orchestre des Champs-Elysées, das 1991 als erstes französisches Orchester, das auf Originalinstrumenten spielt, von Philippe Herreweghe gegründet wurde, gab ein makelloses Konzert.
Die Ausgewogenheit der Instrumentengruppen und die innere Balance waren ebenso perfekt wie die spieltechnische Umsetzung und die dynamische Intensität der Interpretation. Philippe Herreweghe, mittlerweile auch schon 75 Jahre alt, dirigierte sein Orchester trotz Infektion mit höchster Konzentration und ohne Anflug von Spannungsnachlass.
Der Klang des Orchesters vermittelte höchste Expressivität und Schönheit und man fand in ihm sowohl die historische Aufführungspraxis wie auch die klassische Tradition wieder. Hervorragend dann auch der Chor. Das Collegium Vocale Gent, ebenfalls von Herreweghe gegründet, sang überragend und intonationssicher. Dazu sehr textverständlich und mit authentischem, klarem Ausdruck.
Auch das Solistenquartett darf man als Glücksfall bezeichnen. Eleanor Lyons, Sopran, Eva Zaïcik, Mezzo, Ilker Arcayürek, Tenor, und Hanno Müller-Brachmann, Bass, begeisterten mit vollen und kräftigen Stimmen, die sich mühelos über Orchester und Chor erheben und sich vollkommen in Herreweghes Konzept und den historischen Klang einfügen konnten. Ein in allen Punkten denkwürdiges Konzert.
Individuell und intensiv
Ganz besonders dann auch das Konzert mit der französischen Sopranistin Patricia Petibon und der Pianistin Susan Manoff im Kammermusiksaal der Philharmonie. Wie immer gestaltete Patricia Petibon einen sehr individuellen Liederabend, den man eigentlich nicht als solchen bezeichnen kann.
Vielmehr waren es „Gesänge der Liebe und Leidenschaft“ (Tatjana Mehner), die als ein großer Monolog in halbszenischer Form konzipiert waren. Hauptwerk war Poulencs „La voix humaine“ nach einem Text von Jean Cocteau.
Dieser tragischen Szene in Form eines musikalischen Monologs, bei dem eine verlassene Frau mit ihrem Partner telefoniert und uns mit ihrem seelischen Zusammenbruch an den Rand des Wahnsinns führt, stellt Petibon in der ersten Konzerthälfte Musik aus Poulencs L‘Histoire de Babar, le petit élephant sowie Lieder von Reynaldo Hahn, Joseph Canteloube und Thierry Escaish, die traurige irische Ballade Danny Boy und eine Operettenarie von Jacques Offenbach voran. Dies, um die verschiedenen Gefühlslagen der Frau aus „La voix humaine“ darzustellen und das psychologische Verständnis zu vertiefen.
Bei Petibon telefoniert die Frau nicht, sie redet mit Stimmen und inexistenten Personen, was durchaus logisch erscheint und die Tragik dieser Figur noch verstärkt. Grandios die Interpretation von Patricia Petibon, die von der ebenso exzellenten wie hellhörigen und interaktiven Pianistin Susan Manoff begleitet wurde. Babar wurde übrigens zur gleichen Zeit erfunden, in der Jean Cocteau sein Theaterstück „La voix humaine“ schrieb.
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