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Alain spannt den Bogen „Jeder ist bei uns willkommen“: Interview mit OPE-Dirigent Benjamin Schäfer

Alain spannt den Bogen  / „Jeder ist bei uns willkommen“: Interview mit OPE-Dirigent Benjamin Schäfer
OPE-Dirigent Benjamin Schäfer

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Ein Jahr nach der Geburtsstunde des Amateurorchesters Orchestre de la Place de l’Europe zieht Dirigent Benjamin Schäfer im Gespräch mit dem Tageblatt eine erste Bilanz.

Tageblatt: Zwei Tage nach dem umjubelten zweiten und diesmal richtigen großen Konzert des Orchestre de la Place de l’Europe (OPE) – wie geht es Ihnen?

Benjamin Schäfer: Glücklich, einfach nur glücklich. Und erleichtert, dass alles so wunderbar geklappt hat. Dieses Konzert war das Resultat von einem Jahr harter und regelmäßiger Arbeit. Und ich bin begeistert von all unseren Musikern, die so unendlich viel Liebe und Energie in dieses Projekt gesteckt haben. Man muss bedenken, es sind keine Profis, es sind alles Begeisterte, die im OPE neben ihrer regulären Arbeitszeit spielen. Und ich muss sagen, dass der Großteil der Musiker vom letzten Jahr noch dabei ist. Einige sind weggezogen oder hatten andere Verpflichtungen, und andere sind dazugekommen. Was uns enorm freut. Wir mussten für dieses Konzert dann auch neue Musiker in den Bereichen Klavier, Gitarre und Saxofon suchen. Im letzten Jahr hatten wir einen Flüchtling aus der Ukraine im Ensemble. Ich möchte wirklich betonen: Jeder ist bei uns willkommen!

Als wir uns im letzten Jahr nach dem allerersten Konzert getroffen hatten, haben Sie gesagt: „Nach dem Konzert ist vor dem Konzert.“ Wie war denn die Bilanz im Vorjahr, was ist passiert, wie ist es weitergegangen?

Also nach dem ersten Konzert, was ja die Geburtsstunde des OPE war, waren alle sehr euphorisch und fröhlich. Und glücklich. Man muss bedenken, dass wir damals eigentlich nur drei Monate Zeit hatten, dieses erste Konzert von null auf vorzubereiten. Das Niveau der Musiker war ja auch sehr verschieden. Trotzdem ist es uns gelungen, ein gutes Konzert zu spielen. Perfektion war nicht unser Ziel. Das OPE ist ja ein Amateurorchester und hat den Anspruch, zusammen auf guter Amateurbasis ein symphonisches Repertoire zu erarbeiten. Wir hatten nach dem Konzert natürlich noch eine Besprechung, wo wirklich alle Musiker da waren. Insbesondere haben sie sich über die Satzproben gefreut, wo jede Gruppe von einem professionellen Musiker des OPL gecoacht wurde. Das war für alle sehr wichtig. Und sie wurden richtig motiviert. Auch bei diesem Konzert haben wieder Profis mitgeholfen und die Musiker vorbereitet. Dann hatte Stephan Gehmacher die Idee, die Musiker abstimmen zu lassen, welches Werk sie denn gerne dieses Jahr im Hauptprogramm spielen würden. Mussorgskis „Bilder einer Ausstellung“ haben sich gegenüber der 5. Symphonie von Schostakowitsch und den Symphonischen Tänzen von Rachmaninow durchgesetzt.

Sie hatten diesmal aber auch ein Solisten-Konzert vorbereitet.

Ja, das war für uns sehr wichtig. Und Mozarts Flötenkonzert Nr. 1 mit Hélène Boulège vom OPL war natürlich eine glückliche Entscheidung. Hélène hat so toll gespielt und sich wunderbar in das Ensemble eingefügt. Begleitung ist eine ganz besondere Herausforderung, gerade für Amateure. Aber ich denke, wir haben das ganz gut hingekriegt. Wir haben dann auch mit sämtlichen Violinen gespielt, weil einfach jeder die Chance haben sollte, mitzumachen. Und aus Sicherheit. Wenn jemand abgesprungen oder krank geworden wäre, hätten wir immer noch genug Musiker bei Hand. Das ganz normale Leben ist nicht berechenbar, da kann so viel passieren.

Wo lag denn die größte Schwierigkeit?

Ich denke, die Musiker dazu zu bringen, wirklich voll auszuspielen. Sie üben oft zu Hause und passen ihren Klang an ihre Umgebung an. Hier in der Philharmonie können sie also richtig loslegen. Besonders die Bläser. Die musste ich oft dazu motivieren, lauter und lauter zu spielen. Dann hat es ihnen richtig Spaß gemacht. Aber man muss auch aufpassen, gerade die Bläser nicht zu überfordern. Es sind keine Profis, sie haben nicht das Durchhaltevermögen und die Kraft eines Musikers des London Symphony Orchestra, der darauf geeicht ist. Genauso bei der Intonation und den Einsätzen. Da kommt es dann schon zu Wacklern. Ist aber nicht schlimm. Wichtig ist es, sich dann nicht aus dem Konzept bringen zu lassen und einfach weiterzumachen.

Sie haben mit der Variété-Orchestersuite von Schostakowitsch angefangen, was ja ein wirklicher Opener ist …

Auf jeden Fall. Und ich habe den Musikern gesagt, ihr müsst ab der ersten Note richtig rocken. Gebt alles, der Funke muss überspringen. Vor dem Konzert waren alle Musiker dann sehr nervös. Aber glücklicherweise gibt ihnen Schostakowitschs Musik überhaupt keine Zeit, Lampenfieber zu haben. Da geht es sofort zur Sache und das gibt den Musikern dann auch Sicherheit. Ich habe das Werk dann auch nicht bis in alle Einzelheiten geprobt, um die Musiker so zu zwingen, auf mich achtzugeben und konzentriert zu bleiben. Zu viel proben ist nicht immer von Vorteil. Man muss die Spannung des Moments nutzen.

Wie sind Sie denn bei den Proben vorgegangen?

Im letzten Jahr hatten wir das Problem, dass die Satzproben sehr früh waren und die Musiker bereits ihren Part sehr gut beherrschten, ohne allerdings das Ganze, das Organische zu kennen. Diesmal hatten wir genug Zeit und ich habe mit den Musikern bereits in den ersten Wochen ein Gesamtkonzept und einen Klang ausgearbeitet. Jeder konnte sich einbringen und Fragen stellen. Es war mir sehr wichtig, dass die Musiker wussten, was der Nachbar aus der anderen Gruppe spielt und vor allem, wie er es spielt. Mit diesem Wissen verliefen dann auch die Satzproben konstruktiver, weil die Musiker so schon ein Grundkonzept im Kopf hatten.

Wird das Konzept des OPE sich in Zukunft ändern?

Nein, das Grundkonzept bleibt. Wir wollen tolle Musik in tollen Konzerten mit tollen Musikern machen, dies auf Amateurbasis, aber so gut, wie wir es können. Wichtig: Es soll allen Spaß machen! Einen Wunsch haben die Musiker jedoch geäußert. Sie wollen mehr Konzerte spielen. Und deshalb spielen wir morgen bei den „Lunch Concerts“ in der Philharmonie noch einmal Mozarts 1. Flötenkonzert, natürlich wieder mit der wunderbaren Hélène Boulège. Und am 14. Januar werden wir im CAPe das Neujahrskonzert spielen. Auf dem Programm stehen Schostakowitsch und Mozart und im zweiten Teil tauschen wir Mussorgski gegen Tschaikowskis „Schwanensee“. Ich denke, unsere Musiker haben so hart gearbeitet und es verdient, öfters zu spielen. Zudem stellt „Schwanensee“ dann eine neue Herausforderung dar. Das nächste Konzert in der Philharmonie wird dann im Rahmen des „Fräiraim“-Festivals stattfinden, dies am 30. Juni.