Vor vollbesetztem Saal spielte das OPL das 1. Klavierkonzert von Frédéric Chopin und die gewaltige 2. Symphonie von Sergej Rachmaninow. Musik an sich ist weder gut noch böse. Und ich bin der festen Meinung, dass man auch im Moment dieses Ukraine-Krieges russische Komponisten weiter spielen sollte. Rachmaninow hat mit Putin so wenig zu tun wie Beethoven mit Hitler. Nur! Gerade bei einem Benefizkonzert für die Ukraine ein Werk wie die pathetische und urrussische 2. Symphonie von Rachmaninow als Hauptwerk ins Programm zu nehmen, scheint mir doch zumindest diskussionswürdig.
Doch kommen wir zum Wesentlichen, nämlich zum Konzert. Der Pianist Bruce Liu, den das Publikum bereits im Februar im Kammermusiksaal erleben konnte, spielte einen absolut phänomenalen Chopin, bei dem sich Feinschliff, technische Brillanz und spielerische Virtuosität aufs Schönste ergänzten. Gerade durch diese Vielschichtigkeit in der Interpretation wurde Chopins Klavierkonzert ungemein aufgewertet und als absolutes Meisterwerk gesehen. Dirigent Lionel Bringuier öffnete den Orchesterklang, sodass Chopins Musik leicht und luftig, aber immer prägnant und klar daherkam und dem Pianisten einen idealen Klangteppich bot.
Mit der gleichen Ernsthaftigkeit interpretierte Bringuier dann auch Rachmaninows 2. Symphonie und distanzierte sich von dem orchestralen Pathos und der Larmoyanz, die diesem Werk anhängen. Virtuos, mit zügigen Tempi und einer klaren Klangvision vermochte er dem Werk ein gesundes Relief zu verleihen und dabei das Potenzial der OPL bestens in Szene zu setzen. Großes Lob für die besonders geforderten Holzbläser und vor allem für den Soloklarinettisten des Orchesters, der seinen langen Part im 3. Satz mit vollendeter Schönheit und wunderbarem Stilgefühl interpretierte. Als Zugabe spielte das OPL dann noch den Slawischen Tanz Nr. 2 op. 72 von Antonin Dvorak, der auf eine ukrainische Dumka zurückgeht. Wer die „Croix-rouge luxembourgeoise“ und somit die Menschen in der Ukraine finanziell unterstützen will, kann dies durch eine Überweisung auf das Konto CCPL LU52 1111 0000 1111 0000 tun.
Musikalisch überzeugende Turandot
Im Saarländischen Staatstheater Saarbrücken läuft momentan eine musikalisch wie sängerisch hörenswerte Turandot. Und farbenprächtig ist sie, die Turandot aus Saarbrücken. Die Szenen spielen sich in einem sich drehenden Kubus ab, der einmal eine riesige schwarze Mauer, ein goldenes Palais und eine Treppe zeigt. Somit gelingen die Szenenwechsel fließend und stören den szenischen Ablauf nicht. Regisseur Jakob Peters-Messers Inszenierung bleibt aber uneinheitlich. Er stellt den Egoismus der einzelnen Personen stark in den Vordergrund und gibt auch der Vorgeschichte von Turandot eine Wichtigkeit, indem er beispielsweise die vergewaltigte und getötete Prinzessin Lou-Ling quasi als Alter Ego von Turandot auftreten lässt. Kein Zweifel, Turandot wurde missbraucht, was ihren Hass auf die Männer erklärt. So weit, so gut. Aber die Personenregie ist holprig, nicht immer konsequent und einige Ideen lassen sich nicht so recht nachvollziehen. Warum tritt das Volk als schwarze Mäuse bzw. Ratten auf? Die Ratte/Maus steht in China zwar als Symbol für Reichtum, Geiz oder Dämonie, aber der Sinn erschließt sich mir auf der Bühne nicht.
Genauso wenig wie die drei Minister, die mit Maske, Melone und Stock geradewegs aus Kubricks Film Clockwork Orange entsprungen zu sein scheinen. Der Schluss, wo sich Turandot und Kalaf wie ein zerstrittenes Ehepaar am Küchentisch, auf dem Lius Leiche liegt, gegenüberstehen, wirkt ziemlich aufgesetzt, so als wollte der Regisseur zum Schluss noch einmal eine besondere Idee aus dem Hut zaubern. Für anspruchsvolles Musiktheater reicht das nicht ganz. Trotzdem sollte man sich die Saarbrücker Turandot ansehen, oder besser, anhören.
Mit Angelos Samartzis steht ein wunderbarer Tenor auf der Bühne, der mit Strahlkraft, nuanciertem Gesang, lyrischer Tongebung und technischer Brillanz sicher bald auf den großen Bühnen der Welt Erfolge feiern wird. Ihm zu Seite die stimmgewaltige Aile Asszony als Turandot, die etwas schwach anfängt, sich dann aber permanent zu steigern weiß. Pauliina Linnosaari als Liu hat schöne Momente, wenngleich ihre Stimme auch manchmal etwas scharf erscheint und es mir persönlich an lyrischer Gestaltung fehlt. Hervorragend die drei Minister (Peter Schöne, Algirdas Drevinskas und Sung Min Son), deren Stimmen ideal aufeinander abgestimmt sind und die in jedem Moment einfach nur toll singen.
Die kleine Rolle des Altoum ist mit dem ehemaligen Wagner-Tenor Wolfgang Neumann sehr gut besetzt, zumal der mittlerweile 76-jährige Sänger noch immer über eine sehr gesunde Stimme verfügt. Großes Lob auch für den 1. Kapellmeister Stefan Neubert, der sein makellos aufspielendes Orchester spannungsvoll und sängerfeundlich dirigiert und als wirklicher Pluspunkt der Saarbrückener Turandot angesehen darf. Gespielt wurde das Finale von Luciano Berio, der die Modernität der Partitur in den Fokus setzt und die Oper nicht mit Pathos und Glanz, sondern verhalten und nachdenklich ausklingen lässt. Ob das im Sinne Puccinis ist? Weitere Vorstellungen: 31.3., 3.4., 15.4. und 18.5. (www.staatstheater.saarland)
Stimmig und konsequent
Das Konzert mit den Solistes Européens Luxembourg am vergangenen Montag kam erst nach der Pause so richtig in Fahrt. Zwar gelangen die Ouvertüre H 345 von Bohuslav Martinu und auch die folgende Fantaisie für Violine und Orchester von Josef Suk mit der Solistin Mirjam Contzen dem Orchester sehr gut, aber es lag wohl daran, dass Suks Werk kein Stück ist, das sich einem auf den ersten Blick erschließt, dass es vor der Pause nur höflichen Applaus gab. Die Fantaisie ist tatsächlich ein wunderbar konstruiertes, abwechslungsreiches Werk mit vielen Ideen, aber man muss es mehrmals hören, um es wirklich schätzen zu können. Mirjam Contzen spielte den Part souverän, ohne aber mit ihrer Interpretation wirklich begeistern zu können.
Als Hauptwerk in diesem der tschechischen Musiktradition gewidmeten Konzert erklang die 6. Symphonie von Antonin Dvorak, für mich eine seiner schönsten Symphonien, die leider immer noch etwas im Schatten der letzten drei steht. Christoph König dirigierte das Werk spannungsgeladen, besonders die ersten beiden Sätze, meines Erachtens auch die ausgefeiltesten der Symphonie, gelangen ihm hervorragend. Der beliebte Furiant anstelle des Scherzos versprühte viel tschechisches Herzblut, wurde aber überlegt und gekonnt von den Musikern in Szene gesetzt. Das Finale, das zwar zielstrebig, aber immer irgendwie über Umwege, dem Ende entgegeneilt, wurde von König und den SEL mit Spannung und viel Dynamik ausgefüllt, sodass man an einer in allen Punkten stimmigen und konsequenten Interpretation dieser schönen Symphonie beiwohnen konnte.
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