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LuxFilmFestEin Turm in den Himmel: „Scrapper“ von Charlotte Regan

LuxFilmFest / Ein Turm in den Himmel: „Scrapper“ von Charlotte Regan

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Nach dem Tod ihrer Mutter lebt die 12-jährige Georgie in der gemeinsamen Wohnung in den Londoner Suburbs mit ihrem Onkel – nur dass es den gar nicht gibt. Das braucht allerdings das Jugendamt nicht zu wissen, also gaukelt Georgie fast allen vor, besagter Onkel wäre sehr beschäftigt und die Telefonate mit dem Jugendamt erledigt sie mithilfe der Sprachaufnahmen, die ein Bekannter für sie aufzeichnet. Was die Geldknappheit anbelangt, hat sie auch schon eine Lösung – sie stiehlt mit ihrem besten Freund Ali Fahrräder. Sie wirkt vollkommen wie ein durchschnittliches Kind, doch wenn sie allein ist, versucht sie, ihre Trauer zu bewältigen. Dieser Alltag wird jedoch durcheinandergebracht, als ein Mann über den Gartenzaun klettert und sich als ihr Vater Jason vorstellt. Sie will ihn auf alle Fälle loswerden, er aber will unbedingt bleiben. Auf dieser Basis lässt sich schwerlich eine Beziehung aufbauen und ein Hin und Her mit unerwarteten Wendungen entbrennt.

Dass dieser Film die Geschichte aus der Perspektive eines Menschen erzählt, wird durch die Kameraführung und die Einstellungen deutlich unterstützt. In Georgies Haushaltsalltag lässt Fish Eye die Szene wie durch den Türspion beobachtet wirken. Die Kamera befindet sich auf Augenhöhe des Mädchens. Wird die Szene hektisch, unterstreicht der Einsatz einer Handkamera dies noch deutlicher, wenn die Protagonistin Panik verspürt, schwenkt die Kamera schnell hin und her, beide Male werden die Bilder verwackelt und hektisch. Ein weiteres Stilmittel wird sehr wirksam eingesetzt, um die Veränderungen zu verdeutlichen: Szenerien werden wiederholt, zum Beispiel beobachtet der Zuschauer gegen Anfang, wie Ali und Georgie Fahrräder klauen, dann sie allein, dann sie mit ihrem Vater. Die Trauer der Charaktere wird durch wiederkehrende Symbole verdeutlicht, sie wollen die Verstorbene nicht loslassen: Georgie trägt während des gesamten Films ein Polo ihrer Mutter, sieht sich ein Video von ihr an und baut in deren Zimmer einen Turm, um zu ihrer Mutter in den Himmel zu gelangen.

Very British

Während die Gefühle der Protagonisten sehr tief und realistisch dargestellt sind, sollte der Film auf keinen Fall als „How to live alone“ aufgefasst werden – die Techniken des Mädchens, um allein leben zu können, sind sehr unrealistisch. So hat das Jugendamt den Onkel beispielsweise nie gesehen – und vertraut ihm das Mädchen dennoch an. Es gibt auch geringe Einschnitte in der Kontinuität der Geschichte: Zum Beispiel trägt Georgie in zwei unterschiedlichen Einstellungen derselben Szene erst kein Hörgerät, dann doch wieder.

„Scrapper“ erzählt die Geschichte eines Kindes, das von den Umständen gezwungen wurde, viel zu schnell erwachsen zu werden, und sich dann schwertut, wieder ein Kind zu sein. Es ist eine bewegende Geschichte über die Angst, nach der Mutter auch den Alltag zu verlieren. Der Film erzählt diese ernste Thematik auf humorvolle Weise, mit kurzen Einblendungen kindlicher Fantasie oder auch der Meinung ihres Umfeldes über Georgie. Es ist ein britischer Film – samt teils stark britischem Humor. Die Schauspieler stellen die Charaktere gefühlvoll und überzeugend dar. Daher empfehle ich allen Liebhabern guter Filme, Scrapper zu schauen. Man kann die Botschaft fühlen, aber auch einfach eine gute Zeit im Kino verbringen.

Infos

Originaltitel: „Scrapper“
Produktionsland und -jahr: UK 2022
FSK: 12 Jahre
Regie: Charlotte Regan
Darsteller: Lola Campbell, Alin Uzul, Harris Dickinson
Laufzeit: 83 Min.