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Die Weisheit der Narren

Die Weisheit der Narren
(Tageblatt)

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„Du hätt’st nicht alt werden sollen, eh“ du klug geworden wärst!“ Ein Narr spricht diese Weisheit aus.

Der Hofnarr des „König Lear“ im gleichnamigen Bühnenstück von William Shakespeare, das das Kasemattentheater nach einer gekürzten Textfassung von Marc Limpach auf die Bretter brachte und dessen Premiere am Donnerstagabend vom Publikum mit Begeisterung aufgenommen wurde.

Kasemattentheater „King Lear“

Letzte Vorstellung
Mierscher Kulturhaus
Heute Samstag, 2. April um 20 Uhr

Tickets:
Tel.: (+352) 47 08 95 1
www.luxembourgticket.lu

Einige Holzpaletten auf dem Boden, eine weitere, aufgestellt als Wand, ein roter Vorhang. Davor ein mit Seilen umwickelter Thron, darüber ein ebenso „gefesselter“ Kronleuchter, rechts davon hängt eine Landkarte von England.

„Hier wird erzählt die Geschicht’ vom König Lear»

„Oh! Ein Reich zur Bühne, König drauf zu spielen …“ Von rechts betritt der Hofnarr (Fernand Fox), gleichzeitig Erzähler, die Bühne und führt das Publikum in die tragische Historie um den sich aufs Sterben vorbereitenden König (Pol Greisch) und seine Töchter Goneril (Pascale Noé Adam), Regan (Jeanne Werner) und Cordelia (Eugénie Anselin) ein. „Hier wird erzählt die Geschicht’ vom König Lear. Die kläglichste Geschichte, die je ein Ohr vernahm.“

Nachdem die vier weiteren Protagonisten die Bühne betreten haben, setzt sich der Hofnarr nieder und auch König Lear besteigt umgehend seinen Thron, um seine drei Töchter in sein Vorhaben, Reich und Güter unter ihnen aufzuteilen, einzuweihen. Der Generationsunterschied wird auf der Bühne von Regisseur Germain Wagner eindrucksvoll dadurch untermalt, dass – schließlich soll es sich um eine szenische Lesung handeln – König und Narr ihre Texte in altehrwürdiger, gedruckter Form in einem Buche vorfinden, derweil die drei Töchter auf die neueste Technik zurückgreifen.

Der König und das iPad

Goneril und Regan lesen ihren Part vom iPad-Display ab, der Jüngsten aber, Cordelia, steht – welch tiefe Symbolik – hierzu nur ein Smartphone bereit. „Welche von euch liebt uns nun wohl am meisten?“ möchte der König wissen und lässt der Reihe nach die Erstgeborene und ihre beiden Schwestern vortreten. Sowohl Goneril als auch Regan wissen ihrem Daddy mit schönen, wenn auch heuchlerischen Worten zu schmeicheln.

Als dann die Jüngste ihm antwortet „Ich lieb‘ Eu’r Hoheit, wie’s meine Pflicht geziemt, nicht mehr, nicht minder“, verschlägt es ihm nur ganz kurz die Sprache bevor er sie um so wortgewaltiger, verstößt. Den beiden älteren Schwestern ist’s recht, während Cordelia nach Frankreich ins „Exil“ muss. Doch Neid und Missgunst entzweien nicht nur die beiden mit reichem Erbe beschiedenen ältesten Töchter. Sie verstoßen gar ihren Vater, als der in der Not auf sie angewiesen ist. Und erst als seine jüngste Tochter tot ist, wird Lear gewiss, dass er einen schweren Fehler begangen hatte.

Mehr Bühnenstück als Lesung

Vor allem Pol Greisch – der bald 81 wird – faszinierte mit einer gewaltigen Bühnenpräsenz am Donnerstag bei der Premiere. Und von Fernand Fox, der im Februar 77 wurde, wünscht man sich, dass er den angekündigten Abschied von den Brettern, die die Welt bedeuten, doch noch etwas verschiebt. Von den Töchtern wollen wir an dieser Stelle vor allem die Leistung von Eugènie Anselin als Cordelia hervorheben, die, erst 18 Jahre alt, wohl noch eine große Zukunft als Schauspielerin vor sich hat. Jeanne Werner als Regan und Pascale Noé Adam als Goneril brachten ihre Rollen ebenfalls überzeugend rüber.

Das bereits beschriebene, recht karge Bühnenbild und die Kostüme – für beides zeichnet Anouk Schiltz verantwortlich – harmonierten in Perfektion mit der punktgenauen, gefühlsbetonten Beleuchtung durch Sebastian Koch. Und auch die Musik (Auswahl Serge Tonnar) passte!
Positiv überrascht hat uns auch, dass es sich bei der Inszenierung nicht um eine szenische Lesung im klassischen Stil handelt: Es ist eher ein regelrechtes Bühnenstück sozusagen, eine Tragödie zwar, bei der aber auch der Humor nicht zu kurz kommt. Und nicht zuletzt trägt ebenfalls die Tatsache, dass das Stück auf angenehme, gefühlte anderthalb Stunden gekürzt wurde, zu einem gelungenen Theaterabend bei.