Vanessa Redgrave ist quasi die Queen Mum der britischen Schauspielkunst. Für mehr als einhundert Filme hat die Oscar-Preisträgerin vor der Kamera gestanden – auch jenseits der 70 schlüpfte sie zuletzt noch in die Rolle der Elizabeth I. in Roland Emmerichs Shakespeare-Film «Anonymus». Und zu ihrem 75. Geburtstag, den sie am Montag (30. Januar) feiert, ist sie wieder irgendwo im Ausland unterwegs, wie ihre Agentur sagt. «Keine Zeit für Interviews.»
Dabei ist gebürtige Londonerin keine, die nur still ihrer Schauspielkunst nachgeht. Sondern eine, die gern den Mund aufmacht und sich gesellschaftspolitisch einmischt. Sie sei eine «Post-Renaissance-Frau», sagte sie einmal der Zeitschrift «Brigitte», dass heiße, «dass ich in einer Zeit lebe, in der es Frauen nicht verboten ist, ihren Kopf zum Denken und ihren Mund zum Sprechen zu benutzen». Wegen ihres Hangs zum Politisieren heißt sie unter Kollegen auch gern «Mother Courage».
Bekannte Schauspieler-Dynastie
Redgrave stammt aus der bekanntesten Schauspieler-Dynastie der britischen Insel. Und will man der Legende glauben, gab es auch nie einen Zweifel daran, welchen Weg sie einschlagen würde. Am Tag ihrer Geburt stand ihr Vater Michael Redgrave in London zusammen mit der Schauspiel-Legende Laurence Olivier in «Hamlet» auf der Bühne. Unter tosendem Applaus des Publikums verkündete Olivier: «Heute Abend ist eine große Schauspielerin geboren.» Er hatte damit völlig Recht.
Redgrave trug dann aber auch ihren Teil dazu dabei, dass die Dynastie bis heute Bestand hat. Ihre beiden Töchter aus der Ehe mit dem Filmregisseur Tony Richardson – Natasha und Joely – blieben ebenso im Fach wie ihr Sohn Carlo aus der Verbindung mit dem italienischen Spaghetti-Western-Helden Franco Nero. Später war sie lange Jahre mit dem James-Bond-Darsteller Timothy Dalton zusammen. Der britische Schauspieler Liam Neeson («Schindlers Liste») ist ihr Schwiegersohn.
Schwere Schicksalsschläge
Diese Familie wurde in den vergangenen Jahren von Schicksalsschlägen tief erschüttert. Redgraves Tochter Natasha Richardson erlag im März 2009 nach einem Skiunfall im Alter von nur 45 Jahren einer Hirnverletzung. Ihr Bruder Corin und ihre Schwester Lynn starben im Frühjahr 2010 – beide an Krebs. «Jeder Moment, den ich mit ihnen erlebt habe, ist ein Geschenk für mich», sagte Redgrave dem «People»-Magazin.
Die Liste ihrer eigenen Erfolge reicht von Klassikern wie «Blow Up», mit dem ihr 1967 der internationalen Durchbruch gelang, bis hin zu «Anonymus». Aus der Zeit dazwischen ragen Literaturverfilmungen heraus, vom «Mord im Orient-Express» (Agatha Christie) über «Das Geisterhaus» (Isabel Allende) bis hin zu «Mrs. Dalloway» (Virginia Woolf). Den Oscar bekam Redgrave, auch eine gefeierte Theaterschauspielerin, für ihre Rolle in «Julia», als sie eine jüdische Widerstandskämpferin spielte.
Immer auf der Seite der Schwachen
Bei der Preisverleihung 1978 sorgte die PLO-Anhängerin für einen Skandal, als sie einige Gegendemonstranten als «Pack von jüdischen Ganoven» bezeichnete. Ein typischer Redgrave-Auftritt. Früher war sie gegen den Vietnam-Krieg, gegen atomare Aufrüstung und die britische Nordirland-Politik. Heute ist sie gegen die Chinesen in Tibet und die Russen in Tschetschenien. Zuletzt sah man die «radikale Trotzkistin» («Guardian») vor allem als Unicef-Botschafterin im Einsatz.
In Liebesdingen erlebte Redgrave am Silvestertag 2006 noch ein märchenhaftes Happy-End. Nach über drei Jahrzehnten Trennungsphase heiratete sie den Vater ihres Sohnes: Franco Nero. «Weil wir uns wiedergefunden haben», begründete sie diesen Schritt in der «Brigitte». «Und weil wir irgendwie das Gefühl hatten, das feiern zu wollen.»
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