Mitte 2019 hatte die Zeitung unter dem Motto „Meinungsvielfalt-Faktenjournalismus-Pressefreiheit“ eine eigene Kampagne gestartet, um gegen Einschüchterung von Enthüllungsjournalisten und erzwungene Selbstzensur in der Presse zu protestieren sowie Leser wie Künstler zu ermuntern, sich gegen schleichende „Angriffe“ in aller Welt zu wehren.
„Exit“ mit Nummer 306
So lobenswert die Initiative auch war, so traurig ist die Feststellung, dass die Kunstzeitung nun selber Opfer der im Pressewesen herrschenden Marktverhältnisse geworden ist. Nummer 306 ist, wie die Verleger Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid jetzt auf Seite zwei dieser Ausgabe ankündigen „die letzte Ausgabe“. Es sei dies keine „spontane Notiz“, wie üblich auf dieser Seite, sondern eine reiflich überlegte Entscheidung, ein von den wirtschaftlichen Zwängen diktierter Schritt, dem ein schmerzvolles „Sparprogramm und schlaflose Nächte“ vorausgegangen waren.
Es ist gewusst, dass der Kulturbereich arg unter der Pandemie gelitten hat, zahlreiche Einrichtungen ihren Betrieb einstellen mussten, mal vorübergehend, mal definitiv. Die Kunstzeitung hat über all die Jahre ihren Journalisten freie Hand gelassen und neben der Wahrnehmung „klassischer Aufgaben der Presse“ auch Bildungsarbeit geleistet. Allem wirtschaftlichen Druck trotzend und den Prinzipien der Gründerjahre folgend, hat die Kunstzeitung in den vergangenen Krisenjahren versucht, nicht unterzugehen. Der Tropfen, der das Fass überlaufen ließ, war die Tatsache, dass in diesen Krisenjahren vielen Einrichtungen und Dienstleistern, auch im Kulturbereich, geholfen wurde, die Kunstzeitung jedoch keinen „einzigen Cent“ während der Corona-Zeit aus dem „Neustart-Etat der Kulturstaatsministerin“ in Deutschland bekam.
Das Argument der „notwendigen Staatsferne“ ist nur vorgeschoben. Der Vorwand hält nicht stand, da die Redaktion stets auf ihre Unabhängigkeit gepocht und diese auch bewiesen hat, und gleichzeitig „20 Millionen Euro“ aus dem Neustart-Topf an private Hörfunkanbieter geflossen sind, dies zwecks Ausgleich für „einbrechende Werbeeinnahmen“. Zweierlei Maß und Gewicht?!
Angst vor kritischem Journalismus?
Es muss also noch andere Gründe für die Haltung des Kulturministeriums in Berlin geben, denn die Coronakrise und die Leiden der Museen sowie des Kunstbetriebes insgesamt haben auch bei der Kunstzeitung zu Verlusten im Anzeigenbereich geführt. Fazit: Für die Herausgeber sind es im Wesentlichen wirtschaftliche Gründe, die für die Einstellung gesorgt haben. Neben dem Rückgang der Anzeigen scheinen den Verantwortlichen der Zeitung auch eine latente Angst der „Machthaber“ vor kritischem Journalismus sowie die Mentalität der „Digitalgeneration“, auf eine „allgemeine Verflachung der Wahrnehmung“ hinauslaufend, dazu beigetragen zu haben.
Diese „auflagenstarke Publikation“, die teils kostenlos verteilt wurde und im typischen Zeitungsformat ohne Glanzpapier gedruckt wurde, dürfte also auch aus den Luxemburger Galerien verschwinden. Auch wenn die Inhalte uns nicht immer ins Konzept gepasst haben, ist es schade, dass eine Zeitung verschwindet und die an Kunst Interessierten in Deutschland sowie in Luxemburg diese Informations- und Meinungsquelle verlieren. Die Kunstwelt ist nun also auch vom „Zeitungssterben“ betroffen.
So wie wir 2019 die oben beschriebene Kampagne der Kunstzeitung begrüßt haben, so bedauern wir heute die Einstellung besagter Kunstzeitung. Die Tatsache, dass die dazu gehörende Betreiberfirma bestehen bleibt, und auch der Informationsdienst KUNST fortgeführt wird, mag die Herausgeber trösten; Leser, Künstler, Galerien, Museen und andere Akteure der Kunst- und Kulturszene allerdings kaum oder nicht.
Hierzulande gibt es keine eigene „Kunstzeitung“. Doch manchmal wünscht man sich auch hierzulande ein Kunstmagazin, und sei es nur, um ein- bis zweimal jährlich eine unabhängige Bestandsaufnahme der Kunstszene zu leisten oder aber den Kunstbetrieb insgesamt in all seinen Facetten darzustellen und zu unterstützen. In diesem Sinne: Nutzen Sie alle verfügbaren Plattformen, um sich für „Meinungsfreiheit, Faktenjournalismus und Pressefreiheit“, auch im Kultur- und Kunstbereich, einzusetzen.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können