Es ist immer etwas schwierig, wenn das Leben eines Schriftstellers über weite Strecken interessanter ist als sein literarisches Werk. In seiner Jugend war Cecil Day-Lewis (1904-1972) ein marxistischer Heißsporn, der sich in den 1930er Jahren mit einer Reihe von erfolgreichen Kriminalromanen, die er unter dem Pseudonym Nicholas Blake veröffentlichte, von seiner Tätigkeit als Lehrer verabschieden konnte. Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ er von seinen rebellischen Ansichten ab, Ende der 1960er wurde er von Königin Elisabeth II. zum Hofdichter ernannt. Der Schauspieler und dreifache Oscar-Preisträger Daniel Day-Lewis ist sein Sohn aus dritter Ehe mit der Schauspielerin Jill Bacon.
„Tod im Wunderland“, ursprünglich 1940 erschienen, ist einer von Cecil Day-Lewis/Nicholas Blakes Bestsellern, der vor ein paar Monaten wieder aufgelegt wurde und somit wiederentdeckt werden kann. Das Buch entführt seine Leserschaft in eine Zeit, in der einem kleinen Scheckbetrüger ganze Romane gewidmet wurden. Mord und Totschlag waren damals weniger die Sensation als vielmehr die deduktive Brillanz, mit welcher der Ermittler Verbrechen aufzuklären verstand.
Im Fall von „Tod im Wunderland“ ist es der Privatdetektiv Nigel Strangeways, der in eine Ferienkolonie gerufen wird, um dem Grund für eine ganze Reihe mysteriöser Vorkommnisse auf die Spur zu kommen. Dabei beginnt die Geschichte mit dem jungen Paul Perry im Zug Richtung besagter Ferienkolonie „Wunderland“ beziehungsweise mit dem Aufeinandertreffen Perrys mit der flotten Schneidertochter Sally Thistlethwaite (was haben die Briten immer mit ihren Namen?) im Zugabteil, wobei sich die beiden augenblicklich zu beharken beginnen wie Katherine Hepburn und Cary Grant zu besten Screwball-Komödien-Zeiten.
Dass der auktoriale Erzähler in der Folge das als Hauptfiguren eingeführte Pärchen spätestens mit der Ankunft des Privatdetektivs zeitweise nicht nur aus den Augen verliert, sondern Paul Perry zum Tatverdächtigen auserwählt, dürfte der bemerkenswerteste Aspekt dieses etwas behäbigen, handwerklich aber tadellos gearbeiteten Kriminalromans sein.
Am Ende ist es die „Romantik des Verbrechens“, die als „Schlüssel zu dem einen Schloss“ fungiert, das Detektiv Strangeways knacken kann. Fazit: ein guter Kriminalroman, der in Aufbau und Ton überzeugt, ideal zur Entspannung und Sortierung für Leserinnen und Leser, denen die aktuellen Horror-Thriller-Killer-Krimis in ihrer Verstiegenheit auf die Nerven gehen.
Infos
Tod im Wunderland
Nicholas Blake
Klett-Cotta-Verlag, Stuttgart 2023
328 S., 20,00 Euro
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