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LuxFilmFestC’est juste du cul (anscheinend)

LuxFilmFest / C’est juste du cul (anscheinend)

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Heimkind Noémie hofft nach langer Zeit auf die Rückkehr zu ihrer Mutter. Dieser Wunsch zerschellt jedoch augenblicklich, als Letztere vor dem Familiengericht zu verstehen gibt, dass sie ihr Kind doch nicht aufnehmen will. Für Noémie bricht eine Welt zusammen und sie entscheidet, aus dem für sie unsäglichen Heimalltag auszubüxen. Eine Freundin, die sich schon vor Noémie aus dem Staub gemacht hat, nimmt sie auf. Die Freiheit hat aber einen bitteren Preis. Die junge Frau landet unwissentlich in einem Prostitutionsring, den sie sich lange vom Leib halten kann. Bis sie eines Tages das titelgebende „Ja“ über die Lippen bringt.

Nach einer handvoll Kurzfilmen ist „Noémie dit oui“ das abendfüllende Debüt von Geneviève Albert. Was als Riff auf „Systemsprenger“ beginnt, entwickelt sich zu einem schonungslosen, wenn auch nüchternen Abstieg in einen Abgrund, aus dem ein Entkommen oft nicht mehr möglich ist.

Die Schauspielerin Kelly Depeault, die Noémie verkörpert, ist ein ungeschliffener Diamant, der den Film an sich reißt und auch nicht eine Sekunde abgibt. Auch nicht, wenn ihre Figur – auch das Publikum – im dritten Akt durch ein nicht zu Ende gehen wollendes Hamsterrad durchgezogen wird und Noémie eigentlich nichts weiter ist als ein Häufchen Fleisch.

Regisseurin Albert bleibt bei ihrem von allen außer ihrer Kamera objektivierten Subjekt und lässt den gesellschaftlichen Diskurs über Prostitution außen vor. Ob das letzten Endes für oder gegen den Film spricht, bleibt dem Publikum selbst überlassen.

Info

Der Film läuft um 18.30 Uhr im Ciné Utopia, mit Regisseurin Geneviève Albert vor Ort.


The Ballad of Dependencies

LUXFILMFEST „All the Beauty and the Bloodshed“ von Laura Poitras

Keine Woche ist vergangen, seitdem Nicolas Philibert für seinen Dokumentarfilm „Sur l’adamant“ den Goldenen Bären bei der Berlinale erhalten hat. Letzten September ging auch in Venedig schon die höchste Auszeichnung an eine dokumentarische Arbeit.

Und zwar an die schon oscarisierte Laura Poitras, die mit „All the Beauty and the Bloodshed“ nicht nur das Porträt der Künstlerin Nan Goldin und somit jenes der New Yorker No-Wave-Kunstszene zwischen Warhol und Giuliani – der späten 70er und 80er bis zum Aids-Ausbruch – zeichnet, sondern auch eines von Corporate America, für welches hier die Sackler-Familie steht.

Die Fotografin, Künstlerin und Aktivistin bot sich für Poitras als Liaison zwischen beidem an und begleitet sie in ihrem Bestreben, die Sacklers zur Rechenschaft zu ziehen. Dass dieses Unterfangen schwieriger ist als zuerst angenommen und wie verflochten, wie systemisch verankert all das ist – und dass Goldin ihre Karriere dabei möglicherweise aufs Spiel setzt –, ist allen klar.

Im direkten Vergleich zum kammerspielartigen „Citizenfour“ wirkt „Beauty/Bloodshed“ in seiner Form schon fast konventionell, aber ist eigentlich nur das filmische Pendant zu Goldins „Ballad of Sexual Dependency“, in dem Facetten von Dokument und Kunst ineinanderfließen. Laura Poitras Film ist auf jeden Fall ein sehr starkes Stück Dokumentarkino, welches die Rolle des westlichen Künstler-Daseins und seiner Verantwortung gegenüber des Kulturbetriebs genauso auf den Leim geht wie den internationalen Corporations.

Info

Der Film läuft am Freitag um 16.00 Uhr im Ciné Utopia und am Samstag um 13.30 Uhr in der Cinémathèque.