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Zwischen Himmel und Hölle

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Mit Warnungen an Trump und europäischer Rückendeckung stimmt die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel auf den brisanten G20-Gipfel ein. Sie ringt darum, dass das Motto von Demonstranten nicht wahr wird: Willkommen in der Hölle. Gleich zu Beginn ihrer Regierungserklärung stellt sie den US-Präsidenten an den Pranger. Ohne Donald Trump am Donnerstagmorgen im Bundestag namentlich zu erwähnen, mahnt sie: «Wer glaubt, die Probleme dieser Welt mit Isolationismus und Protektionismus lösen zu können, der unterliegt einem gewaltigen Irrtum.» Alle wissen, wer gemeint ist.
In Sachen Pariser Klimaschutzabkommen wird sie noch bissiger. Trump will die USA aus dem großen Abkommen zurückziehen. Seiner Ansicht nach sind nicht die Menschen am Klimawandel schuld. Merkel sagt: «Wir können und werden nicht darauf warten, bis auch der Letzte auf der Welt von den wissenschaftlichen Erkenntnissen des Klimawandels überzeugt werden konnte.» Das Abkommen sei nicht verhandelbar. Hört sich ein bisschen wie die Warnung an einen dummen Schüler an.

Ende nächster Woche kommen die Staats- und Regierungschefs der stärksten Wirtschaftsmächte der Welt zum G20-Gipfel nach Hamburg. Merkel ist die Ausrichterin, aber in der Hand hat sie es nicht allein, ob der Gipfel ein Erfolg wird oder scheitert. Wird die Hansestadt von gewalttätigen Demonstranten angezündet? Frönt Trump seiner Abschottungspolitik? Spaltet Kreml-Chef Wladimir Putin den Westen weiter? Wird das Abschluss-Kommuniqué das Papier nicht wert sein? Reißen sich die Spitzenpolitiker aus insgesamt über 30 Ländern und Institutionen angesichts der Krisen auf dieser Erde nächste Woche aber am Riemen, präsentiert sich Hamburg als Tor zur Welt.

Seltenes Bild

Selten gab es im Kanzleramt einen solchen Auftritt: Merkel, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, EU-Ratspräsident Donald Tusk, Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy, Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron, Italiens Ministerpräsident Paolo Gentiloni, der niederländische Regierungschef Mark Rutte und die norwegische Ministerpräsidentin Erna Solberg sitzen in einer Reihe und beschwören die europäische Einigkeit. Zwar fühlt sich Gentiloni spürbar mit der Flüchtlingskrise alleingelassen, aber andere Spitzenpolitiker bemühen sich auch hier um Geschlossenheit. Alle zusammen werben für ein Europa, das geeint ist durch gemeinsame Werte wie Menschenrechte, Freiheit, Freihandel, Klimaschutz. Zuvor hatte Merkel gesagt, sie erhoffe sich von den G20 ein «Signal der Entschlossenheit». Die Europäer liefern schon mal.

Es sei wichtig, dass die Europäer wüssten, wo sie sich auf die transatlantische Partnerschaft verlassen könnten, betonte Merkel kürzlich. Beim Klimaschutz sei das im Augenblick jedenfalls nicht der Fall. Am ehesten noch beim Anti-Terror-Kampf. Mit diesem schlimmen Thema könne vielleicht eine gute Stimmung beim Gipfel erzielt werden, weil sich hier viele Länder einig seien. Klingt irgendwie makaber. Bereits beim G7-Gipfel in Italien im Mai hatten sich die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Kanada und Japan gegen Trumps Klimaschutzverweigerung gestellt. Am Ende stand es sechs gegen einen. Nun sorgen sich Sherpas – die Wegbereiter der G20-Staats- und Regierungschefs –, dass es in Hamburg quasi 19:1 ausgehen könnte. Beim Freihandel knirscht es gewaltig, die Strafandrohungen der USA wegen des deutschen Handelsüberschusses sind noch nicht vom Tisch, in der Finanzpolitik passiert noch zu wenig, bei der Migration gibt es die unterschiedlichsten Meinungen.

Manche befürchten schon, dass es in Hamburg als einziges konkretes Ergebnis nur den Fonds für Frauen in Entwicklungsländern geben wird, damit sie sich mit kleinen Krediten selbstständig und unabhängig machen könnte. Die Initiative ging von Trumps Tochter Ivanka aus. Merkel hält es wohl selbst für eine Ironie der Geschichte, dass sich nun ausgerechnet China bemüht, für Klimaschutz und Freihandel zu werben. Mit Staatspräsident Xi Jinping wird Merkel vor Beginn des Gipfels die wohl süßesten Fotos liefern: mit den Panda-Bären, die Peking gerade nach Berlin geschickt hat.
Über all den Konflikten schwebt aber die Sorge, dass das Treffen der Staats- und Regierungschefs durch Ausschreitungen von Gipfel-Gegnern überschattet wird. «Welcome to Hell» («Willkommen in der Hölle») ist zum Beispiel ein Motto von Demonstranten, die sich antikapitalistisch nennen. Merkel nennt die Proteste legitim und bittet darum, dass sie friedlich verlaufen. Vieles in der Welt wäre ohne die Staats- und Regierungschefs in dem G20-Verbund gar nicht möglich, sagt sie. «Die Welt ist in Unruhe, sie ist uneiniger geworden (…) Wir brauchen die G20 dringender denn je.»