Nur fünfeinhalb Monate nach dem Erstlingswerk gibt’s schon die Neuauflage. Der Thriller, der im Frühjahr die Menschen in Luxemburg gefesselt hat, geht in die zweite Runde: Am Sonntag kommen die Sozialpartner erneut auf Schloss Senningen zusammen – zur zweiten Tripartite in diesem Jahr. Das Thema ist das gleiche wie Ende März: die Inflation, die Energiepreise – und der Index.
Ab Herbst 2021: Steigende Energiepreise bereiten Sorgen
Nicht erst mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine waren die Energiepreise in Luxemburg auf ein hohes Niveau geklettert. Ende Oktober 2021 erreichte der Preis für Diesel (mit 1,418 Euro pro Liter) den höchsten Stand seit Beginn der Datenreihe auf dem Kraftstoff-Portal petrol.lu. Rund eine Woche später folgte dann der Preis für Super 98 und noch einige Tage später auch der Preis für Super 95. Nach einer leichten Beruhigung im Dezember geht es seit Anfang 2022 jedoch wieder stetig aufwärts mit den Preisen.
Am 16. Februar meldet die Statistikbehörde Statec in ihrem monatlichen Inflationsbericht, dass die Benzinpreise allein im Januar um 12,3 Prozent gestiegen sind – und, dass eine Indextranche „schon im zweiten Trimester“ des Jahres fällig wird. „Dies lässt sich zum einen durch den Anstieg der Preise für Brent und Gas auf den internationalen Märkten und zum anderen durch die Erhöhung der Steuer auf Erdöl und Erdgas erklären“, schreibt Statec.
28. Februar: „Der Frieden hat seinen Preis“
Die Energiepreise waren bereits vorher auf hohem Niveau – aber mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar erwartete man einen weiteren Preisschub. Am 28. Februar, vier Tage nach Kriegsbeginn, trifft sich die Regierung mit den Energieunternehmen des Landes zum „Energiedësch“. In einer Pressekonferenz stellen Premierminister Bettel, Wirtschaftsminister Fayot, Energieminister Turmes und Familienunternehmen Cahen „Maßnahmen zur Abfederung der Energiepreissteigerungen“ vor. Es sei absehbar, dass die Energiepreise künftig weiter zulegen werden, sagte Bettel. Das werde alle Bürger und Unternehmen treffen. „Aber wir werden versuchen, die Auswirkungen so klein wie möglich zu halten.“
Der Staat soll einen Teil der Netzkosten beim Gas übernehmen, der Strompreis für Haushaltskunden soll stabilisiert werden, sozial benachteiligten Haushalten soll zusätzlich unter die Arme gegriffen werden – mit einer Energieprämie. Die Unternehmen sollen später mit anderen Hilfen bedacht werden, um die Energiepreise zu meistern, sagt Wirtschaftsminister Fayot. Energieminister Claude Turmes erklärt, dass man sich um die Versorgungssicherheit in Sachen Gas in Luxemburg keine Sorgen machen müsse, da Luxemburg nur wenig Gas von Gazprom erhalte. Glücklicherweise habe Europa, nachdem Putin vor rund zehn Jahren bereits einen Gas-Krieg gegen die Ukraine geführt hatte, richtige Maßnahmen getroffen: Das Netz der Pipelines sei erneuert worden und ermögliche den Transport von West nach Ost, zudem seien LNG-Terminals gebaut worden. Das alles rette uns heute, sagt der Energieminister.
Die Kosten der Maßnahmen für die Haushalte werden bei 75 Millionen Euro angesetzt. Die Gewerkschaften werden später beklagen, dass sich ein Teil dieser von der Regierung beschlossenen Maßnahmen auch im Tripartite-Abkommen findet.
4. bis 10. März: Preisexplosion an den Tankstellen
Am 3. März erklärt Luxemburg, gemeinsam mit anderen Mitgliedsstaaten, die strategischen Ölreserven anzuzapfen, um die Preisrallye auf den Rohölmärkten zu stoppen. Die Ölpreise waren seit Jahresbeginn um 45 Prozent gestiegen, wegen des Ukraine-Kriegs erreichen sie astronomische Höhen.
Ab dem 5. März schlagen sich die Rohölpreise mit Wucht an den Luxemburger Tankstellen durch. Innerhalb von nur fünf Tagen steigt der Preis für Diesel um 56,9 Cent. Am 9. März erklärt die zuständige Stelle im Energieministerium, dass Diesel am nächsten Tag um 38,4 Cent teurer wird und damit mit 2,112 Euro einen historischen Höchststand erreichen wird. Am Abend zuvor bilden sich lange Schlangen vor den Tankstellen in Luxemburg. Die Preisanstiege seien Folge der Unsicherheiten auf dem Ölweltmarkt wegen des Ukraine-Kriegs, sagt der Luxemburger Kraftstoff-Interessenverband GPL.
22. März: Erste Tripartite, erste Runde
Am 10. März beruft die Regierung offiziell die Tripartite ein. „Angesichts des derzeitigen starken Inflationsdrucks, der unter anderem durch den galoppierenden Anstieg der Energiepreise verursacht wird, hat der Premierminister und Staatsminister Xavier Bettel beschlossen, die Sozialpartner zu einer Sitzung des dreigliedrigen Koordinierungsausschusses einzuladen.“ Es soll um Lösungen gehen, die sowohl „Haushalte als auch die Unternehmen angesichts der finanziellen Auswirkungen der Situation auf die Einkommen“ entlasten. Und: Die Maßnahmen, die bereits beim Energiëdesch zwischen Regierung und Energieunternehmen vereinbart wurden, sollen „fortgesetzt“ werden.
Am 22. März tritt die Regierung, vertreten durch Premierminister Xavier Bettel, den Vizepremiers François Bausch und Paulette Lenert sowie den Ministern Cahen, Hansen, Turmes, Delles, Fayot und Backes, mit den Sozialpartnern im Schloss von Senningen zusammen. Die Statistikbehörde Statec prognostizierte neben der April-Tranche nun eine weitere für August. Am ersten Tag schlagen die Arbeitgeber vor, auf beide Index-Tranchen zu verzichten und Gering- und Mittelverdienern stattdessen mit einer jährlichen Prämie zu helfen. Die Gewerkschaften OGBL und LCGB prangern einen solchen Angriff auf den Indexmechanismus an.
Am Mittwoch, 23. März, also einen Tag später, wird für 18 Uhr zur Pressekonferenz gerufen. Die Sozialpartner und Vertreter der Regierung treten gemeinsam auf. Das Bild, das Staatsminister Bettel vermittelt: Es herrscht Einvernehmen. Die für April vorgesehene Tranche solle tatsächlich fallen. Es sei jedoch geplant, die Fälligkeit einer Indextranche auf eine pro Jahr zu beschränken, um die Liquidität der Unternehmen zu schützen. Die für August vorgesehene Tranche würde auf April 2023 verschoben, die ärmsten Haushalte sollen dafür durch selektive Maßnahmen in Form von Steuergutschriften unterstützt werden. Dasselbe System soll 2023 gelten. Die Regelungen soll sowohl Haushalten als auch Unternehmen in unruhigen Zeiten „Berechenbarkeit“ ermöglichen. Die Gewerkschaften betonen in der Pressekonferenz vor allem die Vitalität des Sozialdialogs – und die Rettung des Indexmechanismus. „Viele Fragen sind noch offen“, sagt OGBL-Präsidentin Nora Back im Anschluss an die Pressekonferenz.
Die nächsten Tage seien mit „technischen Terminen“ gespickt. Für den 31. März wird die Unterzeichnung eines „Accord“ angesetzt.
30. März: „Die Verhandlungen sind gescheitert“ …
Überraschenderweise finden sich die Sozialpartner bereits am Mittwoch, 30. März, wieder auf Schloss Senningen ein. Um 17 Uhr setzen sich die Verhandler dort wieder an den Tisch. Am Morgen waren sie im Finanzministerium zusammengekommen, dort hatten sich offenbar Klüfte aufgetan. Der Nationalvorstand des OGBL hatte die Kompromisslösung, die in der Woche zuvor angedeutet wurde, nicht gutgeheißen. Kurz vor Mitternacht dann die Meldungen: Die Verhandlungen sind gescheitert. Für den OGBL sei eine rote Linie überschritten worden, die man nicht habe mittragen können, sagte OGBL-Chefin Nora Back. Michel Reckinger vom Unternehmerverband UEL meint hingegen, der OGBL habe die Verhandlungen aufgrund blinder Ideologie zu Grabe getragen.
Eines der Aufregerthemen waren die Entschädigungsforderungen für den Index-Ausfall, die laut Patronats- und Regierungsseite vom OGBL gestellt werden. Es kursiert die Zahl, dass verlangt wird, Jahreseinkommen von bis zu 160.000 Euro zu entschädigen. „Keiner von uns drei wird ein Entschädigungsmodell, bei dem Monatsgehälter von bis zu 13.000 Euro Kompensationen erhalten (ungefähr 160.000 Euro Jahresgehalt, Anm. d. Red.), unterstützen“, sagt Premier Bettel auf der Pressekonferenz nach Mitternacht. OGBL-Chefin Nora Back erklärte später: Die „zirkulierenden Gerüchte“, dass der OGBL eine Entschädigung bis zu einem Einkommen von 160.000 Euro gefordert haben soll, seien nicht wahr.
Fakt ist jedoch: Alle Forderungen sind von den drei Gewerkschaften OGBL, LCGB und CGFP gemeinsam an Patronat und Regierung herangetragen worden. Knackpunkt waren nicht die Entschädigungsforderungen der Gewerkschaften, sondern die Verschiebung weiterer Indextranchen nach 2023, die der OGBL nicht mittragen wollte.
31. März: … aber ein Abkommen wird dennoch unterzeichnet
Dennoch kommt es zur Unterzeichnung des Abkommens – ohne den OGBL. Am Donnerstag, 31. März, unterschreiben die Vertreter von Regierung, Arbeitgebern sowie der beiden anderen Gewerkschaften LCGB und CGFP den „Accord“, der auf den Namen „Solidaritéitspak – Fir Kafkraaft a staark Betriber“ getauft wurde. „Die Tripartite lebt, sie ist nicht kaputt, sonst würden wir hier nicht zusammen stehen“, sagt Bettel. Wenn die Inflation hoch sei, gebe es „Gott sei Dank“ den Index, sagt LCGB-Präsident Patrick Dury. „Aber wenn der Index in Zeiten von Krise und Inflation zu mehr Tranchen führt, wissen wir, dass durch die Probleme, die wir jetzt haben, noch eine weitere Belastung auf die Betriebe zukommen kann.“ Es sei richtig gewesen, dass die Tripartite einberufen wurde, sagte CGFP-Chef Romain Wolff. „Wir wissen auch, dass schon passiert ist, dass dabei nichts herausgekommen ist.“ Aber dieses Mal sei ein Kompromiss herausgekommen.
OGBL-Präsidentin Nora Back bezeichnet in einem Tageblatt-Interview am 1. April die Pressekonferenz nach der ersten Tripartite-Runde als „Show der Regierung“. An jenem letzten Verhandlungstag der ersten Runde sei die Regierung „kurz vor Ende der Gespräche“ mit der Idee gekommen, auch eine mögliche Tranche im Jahr 2023 ins Paket aufzunehmen. Der OGBL habe das abgelehnt. „Wir verließen die Verhandlungen in der Gewissheit, dass noch nichts entschieden ist, dass noch etliche Punkte analysiert werden müssten“, sagt Back. Bei der Pressekonferenz sei „das Ganze“ so rübergekommen, als sei schon alles geregelt. Die Tripartite sei gescheitert, weil es eine „Index-Tripartite“ war, sagt Back.
Was steht im Abkommen? Die zweite Indextranche für 2022, die Statec während der Tripartite-Verhandlungen für August prognostizierte, soll auf April 2023 verschoben werden. Sollte im Jahr 2023 eine weitere Indextranche fällig werden, soll diese um zwölf weitere Monate, also auf April 2024, verschoben
werden. Gerade letzterer Punkt soll in den kommenden Wochen für Diskussionen sorgen – und ein überraschendes Ergebnis.
Mit insgesamt 837 Millionen Euro schlagen die Maßnahmen des „Solidaritéitspak“ laut Regierung im Staatshaushalt zu Buche. „Mehr ist nicht drin, weil wir nicht wissen, wie es weitergeht“, sagt Finanzministerin Yuriko Backes bei der Vorstellung des Pakets. 440 Millionen Euro veranschlagt der geplante Steuerkredit, der über acht Monate ausgezahlt werden soll. Weiter Maßnahmen: Wohnbeihilfen, Energiebeihilfen, Studienbeihilfen, ein Einfrieren der Mieten, eine Überarbeitung der Prime House – und die Senkung der Kraftstoffpreise. Unternehmen, die besonders von den Preissteigerungen am Energiemarkt betroffen sind, will die Regierung mit insgesamt 225 Millionen Euro unterstützen. Damit sollen 30 bis 70 Prozent der zusätzlichen, durch die steigenden Energiepreise anfallenden Kosten gedeckt werden, sagt Wirtschaftsminister Fayot. Und: „Wir wollen für Unternehmen, die aufgrund von Liquiditätsproblemen Kredite aufnehmen müssen, staatliche Garantien in Höhe von 500 Millionen Euro stellen“, kündigt Fayot an.
19. April: Tripartite-Kommission nimmt Arbeit auf – und Statec aktualisiert seine Inflationsprognose
Der Sozialpakt kommt in der Chamber an. Das Parlament muss den von der Regierung erarbeiteten Gesetzesvorschlag in geltendes Recht umwandeln. Dazu wird ein Sonderausschuss gegründet: Die „Commission spéciale Tripartite“ nimmt am 19. April ihre Arbeit auf. In den ersten Sitzungen gibt es vor allem für die Opposition mehr offene Fragen als Antworten. Das alles vor dem Hintergrund einer immer schneller galoppierenden Inflation. Am 29. April reicht die Regierung das Gesetz 8000 im Parlament ein, das bis auf den Spritrabatt die Sozialpakt-Maßnahmen umfasst.
Am 4. Mai dann die nächste Hiobsbotschaft: Die Statistikbehörde Statec veröffentlicht – wie alle drei Monate – eine Inflationsprognose. Und die hat es in sich: Die nächste Indextranche könnte nicht erst im August, sondern bereits im Juli ausgezahlt werden. „Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine und die strengen Beschränkungsmaßnahmen in China dürften eine Reihe von Rohstoffen weiter verteuern und die Versorgungsketten weiter unterbrechen“, schreiben die Statistiker. Nur: Die Inflationsdaten, die den Tripartite-Verhandlungspartnern im März vorlagen, basierten laut Statec auf einer „fragmentierten Anpassung“ älterer Daten vom 16. Februar – also vor Kriegsausbruch. Die Statistiker konnten laut einer Statec-Ökonomin für die Tripartite zwar „partielle Daten aktualisieren, aber das ganze makroökonomische Szenario dahinter war noch immer das von Februar“. Die makroökonomischen Daten erhalte das Luxemburger Statistikamt nur einmal pro Trimester vom externen Anbieter Oxford Economics. Laut Statec war die Inflation im April auf dem höchsten Niveau seit 40 Jahren. Die Modelle, die die Behörde nutzt, reichten nur 20 Jahre zurück. Sie würden also eine Inflation von der Höhe nicht kennen, wodurch die Berechnungen auch an Präzision verlieren würden.
Würde die nächste Indextranche fallen, ohne dass es ein Gesetz zur Verschiebung ihrer Auszahlung gibt, würde sie ausgezahlt werden. Die Tripartite-Kommission muss den Solidarpakt also schneller als gedacht verabschieden. „Deshalb müssen wir uns ja auch beeilen“, sagt Kommissionspräsident Gilles Baum (DP).
5. Mai: Ärger mit Projekt 8000
Im Tripartite-Abkommen hatten die Sozialpartner vereinbart, dass jede zusätzliche Tranche in 2023 um zwölf Monate verschoben wird: „Il décide en outre de décaler de 12 mois toute tranche indiciaire supplémentaire potentielle en 2023.“ Im nun vorliegenden Gesetzesprojekt 8000 zum „Solidaritéitspak“ wird festgehalten, dass alle zusätzlichen Indextranchen am 1. April 2024 ausbezahlt werden sollen: „Toutes les tranches déclenchées et non appliquées en vertu du dispositif transitoire de l’alinéa précédent, le seront au 1er avril 2024 […].“
Der Passus war angesichts der neuen Statec-Prognosen problematisch: Alle weiteren Indextranchen, die zwischen dem 1. April 2022 und dem 1. April 2024 ausgelöst würden, hätten allesamt am 1. April 2024 ausbezahlt werden müssen – aufgrund der vorgesehenen Regelung, dass mindestens zwölf Monate zwischen zwei Auszahlungen von zwei Indextranchen liegen müssen. Ein Szenario, bei dem am 1. April 2024 gleich mehrere Indextranchen fällig wären, wirkte angesichts der angepassten Statec-Prognosen nicht mehr unwahrscheinlich. Zudem war eine solche Regelung nicht im Tripartite-Abkommen vorgesehen: Gemäß „Solidaritéitspak“ sollte im Falle weiterer Indextranchen die Tripartite wieder zusammenkommen und keine automatische Verschiebung auf den 1. April 2024 stattfinden.
24. Mai: Staatsrats-Avis und ominöse Textänderungen
Der Staatsrat sendete sein Gutachten zum Gesetz 8000 am 24. der Chamber. Das Gremium empfiehlt eine Aufteilung des Gesetzes, weil das Kapitel zu den Mietzuschüssen einen „homogenen Rechtsakt bildet, der in einem eigenen Gesetz geregelt werden müsste“ – und „Sammel- oder Mosaikgesetze“ zu vermeiden seien. Aus einem Gesetzesprojekt werden so die zwei: Die Regelungen zum „Logement“ werden deshalb in Gesetz 8000B transferiert und an die entsprechende Wohnungsbaukommission im Parlament übergeben. Der Gesetzestext 8000A beschäftigt sich hingegen weiter mit den Maßnahmen rund um den Index.
Die Veränderung blieb weitgehend unter dem Radar, hatte aber auch inhaltliche Folgen: Mit der Aufteilung auf zwei Gesetze wurde auch die Zwölf-Monate-Klausel im Index-Artikel gestrichen. Denn: Der Staatsrat bemängelte in seinem Gutachten zwar die technische Umsetzung der Klausel im Gesetz, nicht aber deren Prinzip an sich. Trotzdem finden sich nach der Aufteilung auf zwei Gesetze nur noch folgende Bestimmungen zur Verschiebung des Index im Gesetzestext: „La première adaptation déclenchée après le 1er avril 2022 est effectuée le 1er avril 2023. Toute adaptation additionnelle déclenchée entre le 1er avril 2022 et le 1er avril 2024 est effectuée le 1er avril 2024.“ Will heißen: Jede Indextranche, die zwischen dem 1. April 2022 und dem 1. April 2024 ausgelöst wird, soll am 1. April 2024 ausgezahlt werden. Ausnahme bleibt die verschobene „Sommertranche“, die am 1. April 2023 ausgezahlt wird.
Doch wie genau ist es zu dieser Änderung gekommen? Denn weder der Staatsrat noch eine von der Regierung eingereichte Gesetzesänderung sind für diese Streichung verantwortlich – diese wäre
nämlich dann auf der Chamber-Seite dokumentiert worden. Wer nun die Initiative ergriffen hat, um
den entsprechenden Passus streichen zu lassen, konnte – oder wollte – keiner der vom Tageblatt befragten Parlamentarier öffentlich sagen. Laut Tageblatt-Informationen soll aber insbesondere der ehemalige LSAP-Arbeits- und Vizepremierminister Dan Kersch seine Finger im Spiel gehabt haben. Der Vertreter des linken LSAP-Parteiflügels meint auf Tageblatt-Anfrage: „Ich habe geholfen, die Regierungsmitglieder zu überzeugen.“ Das Abkommen müsse umgesetzt werden und das Gesetz das Abkommen entsprechend wiedergeben. „Ich habe die Rolle gespielt, die mir als Abgeordneter zufällt“, so Kersch.
10. Juni: Der Verwirrung letzter Teil
In der Kommissionssitzung am 10. Juni 2022 wird eine Gesetzesänderung der Regierung angenommen. Sie hatte diese am 2. Juni, also eine Woche vor der Sitzung, eingereicht. Demnach wurde der Passus, der die Auszahlung aller weiteren Indextranchen vorsah, die vormals am 1. April 2024 vorgesehen war, ebenfalls aus
dem Gesetz gestrichen. Die Sozialpartner sollten sich in dem Fall wieder an einen Tisch setzen, hieß es im Anschluss an die Kommissionssitzung.
Was heißt dies also konkret? Die Artikel zum Index im Tripartite-Gesetz betreffen nur jene Tranche, die im Sommer 2022 fällig sein wird – und nicht, wie ursprünglich im Gesetzentwurf vorgesehen, all jene, die bis April 2024 ausgelöst werden könnten. Im Falle einer weiteren Indextranche – wie etwa die vom Statec
fürs erste Quartal 2023 prognostizierte Tranche – werden weitere Tripartite-Verhandlungen nötig sein. Und im Falle einer erneuten Aufschiebung auch ein neues Gesetz. Somit wird – mit Ausnahme der Zwölf-Monate-Regelung – genau jene Regelung umgesetzt, wie sie ursprünglich im Tripartite-Abkommen vorgesehen war.
Das Parlament verabschiedet das Gesetz, das auf Projekt 8000A basiert, schließlich am 15. Juni mit 52 Stimmen. Piraten, „déi Lénk“ und ADR stimmen dagegen. Die Gewerkschaft OGBL protestiert während der Chambersitzung vor dem Parlamentsgebäude gegen das Gesetz. Am 29. Juni wird das Gesetz im Memorial veröffentlicht – und ist damit gültig. Nur zwei Tage später, am 1. Juli, berichtet Statec dann, dass die Schwelle zur automatischen Lohnindexierung im Juni überschritten wurde, die Tranche aber wie geplant verschoben wird.
3. August: Statec prognostiziert weitere Indextranchen
Die Luxemburger Statistikbehörde Statec veröffentlicht am 3. August abermals eine Inflationsprognose. Diese geht von noch schlechteren Vorzeichen aus als die vom Mai. Bis Mitte 2023 könnten bis zu drei weitere Indextranchen fallen: eine bereits im vierten Quartal 2023, eine im ersten Quartal 2023, eine im zweiten Quartal 2023. Angetrieben wird die Inflation von den Energiepreisen. Im schlechtesten Szenario könnte es zu einem „Gaspreisschock“ kommen – und somit die Preise für den Rohstoff noch bis Herbst/Winter dieses Jahres um 140 Prozent steigen. „Statec nimmt daher eine Aufwärtskorrektur seiner Inflationsprognose für 2022 und 2023 vor“, schreibt die Behörde. Auch im mittleren Szenario soll die nächste Tranche noch im vierten Quartal fallen, eine weitere im zweiten Quartal 2023. Die Szenarien berücksichtigen dabei auch, dass im April 2023 jene Tranche ausgezahlt wird, die diesen Sommer nach einem aufreibenden politischen Prozess verschoben wurde.
Premierminister Bettel erklärt am selben Tag über Twitter, dass Statec für September mit neuerlichen Berechnungen beauftragt wurde, auf deren Basis er eine weitere Tripartite einberufen werde. Am 19. August lädt der DP-Politiker die Sozialpartner zu „bilateralen Konsultationen“ ein.
Mir behalen d’Entwécklunge bei der Präisdeierecht an den Energiepräisser weider genee am Aen. D’Regierung huet de STATEC gebieden seng neiste Berechnunge fir Ufank September ze aktualiséieren. Op Basis vun dëse Berechnunge wäert ech eng Tripartite aberuffen.
— Xavier Bettel (@Xavier_Bettel) August 3, 2022
11. August: Enovos und Sudenergie verkünden massive Erhöhung der Gaspreise
Ein Teil der Statec-Projektionen scheint Realität zu werden. Die beiden großen Gasversorger Encevo und Sudenergie kündigen für Oktober drastische Preiserhöhungen beim Gas an. Der Energiekonzern Encevo, der über seine Tochterunternehmen Enovos und LEO das Gas für 49,5 Prozent der ans Gasnetz angeschlossenen Privathaushalte stellt, erklärt: „Aktuell gehen wir von Preiserhöhungen um die 80 Prozent aus (für Durchschnittskunden).“ Sudenergie-Direktor Alain-Fürpass kündigt eine Erhöhung an, die „zwischen 80 und 90 Prozent“ liegen wird. Einen Tag später wird bekannt, dass auch die Strompreise steigen werden – um 35 Prozent ab 2023. Am 14. September wird sich Alain Fürpass korrigieren: Die Preise fürs Gas steigen wohl noch höher – „um 110 Prozent“.
25. August: Bilaterale Sondierungsgespräche
Die Regierung trifft sich mit Gewerkschaften und Arbeitgebern zu ersten Vorbereitungsgesprächen für die kommende Tripartite. Der Index sei nicht angesprochen worden, genauso wenig seien Forderungen geäußert oder Lösungen diskutiert worden, sagt OGBL-Chefin Nora Back im Anschluss. Viel mehr geht es um eine Bestandsaufnahme in Sachen Energie. „Die Situation hat sich verschlimmert“, so LCGB-Präsident Patrick Dury. Arbeitgeber-Präsident Michel-Reckinger sagt: „Die Vertreter der verschiedenen Bereiche haben die wirtschaftlichen Aussichten für die nächsten sechs bis zwölf Monate vorgestellt.“ Die Zahlen der Patronatsvertreter hätten sich mit den von der Regierung vorgestellten Bilanzen gedeckt. Die Regierung selbst will die Gespräche nicht kommentieren – und verweist auf den 14. September, wenn den Sozialpartnern die aktualisierte Inflationsprognose präsentiert werden soll. Am 2. September erklären Xavier Bettel und Energieminister Claude Turmes, dass die Tripartite definitiv stattfindet – vom 18. bis zum 20. September auf Schloss Senningen.
14. September: Statec prognostiziert bis zu vier Indextranchen in zehn Monaten
Premierminister Xavier Bettel stellt die neuen, aktualisierten Statec-Prognosen Arbeitgebern und etwas später den Gewerkschaften vor – und am Abend schließlich der Presse. Die Projektionen erweisen sich als dramatisch. Im wahrscheinlichen, „zentralen“ Entwicklungsszenario erwartet Statec eine Inflation von 6,6 Prozent für 2022 und ebenfalls 6,6 Prozent für 2023. Dabei würde der Grenzwert für eine weitere Indextranche wahrscheinlich in diesem November überschritten. Zwei weitere würden 2023 fällig: im März und im September. „Und zusätzlich kommt ja die Indextranche, die dieses Jahr auf April 2023 verschoben wurde“, sagt Bettel.
Im „hohen“, pessimistischen Szenario würden sogar vier weitere Indextranchen fällig werden. Die Inflation läge bei 6,8 Prozent in diesem Jahr und 8,5 Prozent im kommenden. Die Tranchen würden im vierten Quartal 2022, im Februar 2023, im April 2023 und im dritten Quartal 2023 fallen. „Mit der, die verschoben wurde, würde es bis nächsten September fünf Tranchen geben – vier plus eine“, sagte Bettel. Auch das optimistische Szenario von Statec rechnet mit einer hohen Inflation: 6,4 Prozent in diesem Jahr, 4,4 für 2023. Und auch dann wären Tranchen fällig: „Eine im Januar nächsten Jahres, eine im Juli nächsten Jahres“, sagte Bettel. „Plus die, die auf April 2023 verrückt wurde.“ Die Regierung wolle zusammen mit den Sozialpartnern auch neue Lösungen finden, die an diese Situation angepasst sind.
Alt geet ëtt ërem virun mat Analysen,Feststellungen,mir mussen,
ëtt kann nëtt sinn,asw. nëmmen lauter warm Loft an Geplapper,
méi könnt do ërem nëtt eraus.Een konzeptloses Gedeessems
sonnergleichen.
Dat get awer da mat 200% Iwerstonnen bezuhlt oder