Alttestamentarische Thematiken aus zeitgenössischen und historischen musikalischen Perspektiven standen im Mittelpunkt des Konzertabends mit Anna Prohaska, Sopran, Nicolas Altstaedt, Cello, und Francesco Corti, Cembalo, Orgel, Celesta und Klavier, wobei ich mich vor allem für die Werke von Wolfgang Rihm und Jörg Widmann begeistern konnte. Anna Prohaskas Lieder- oder Arienabende weichen sehr oft von der Tradition ab und geben sich gerne experimentell.
Von Geistern, Hexen und Schwester Tod
In ihrem Konzert vom Mittwoch begann sie in beiden Konzerthälften jeweils mit einem Lied aus dem Akkmatova-Zyklus von John Taverner. Es folgten dann frühbarocke und barocke Stücke von Franz Tunder, Vincenzo Bonizzi und Georg Friedrich Händel. Dazwischen durften sich Francesco Corti und Nicolas Altstaedt ebenfalls in Instrumentalwerken von Pancrace Royer, Alexander Tcherepnin, Marin Marais und Heinrich Scheidemann beweisen. Das homogene und außergewöhnliche Programm endete in jeder Konzerthälfte mit einem wirklichen Paukenschlag. Sowohl Wolfgang Rihms „Gebet der Hexe von Endor“ wie auch Jörg Widmanns Unterweltszene „Schwester Tod“ aus seiner Oper Babylon – beides sind hoch spannende und extrem reich komponierte Stücke von großer Expressivität.
Vor allem Widmanns Opernszene hat es in sich und wird von den drei Musikern hervorragend dargebracht. Überhaupt waren die musikalischen Umsetzungen allererster Güte. Francesco Corti erwies sich als Meister der Tasteninstrumente und insbesondere sein Cembalospiel war überragend. Der warme Klang seines Cellos und die auf der einen Seite nuancierte, auf der anderen Seite oft brutal schneidenden Interpretationen von Nicolas Altstaedt bildeten einen idealen Klangraum für Anna Prohaskas packende Darstellung der Lieder, Arien und Szenen. Zwar klang die Stimme bei den ersten beiden Liedern (Taverner, Tunder) noch etwas steif und angestrengt, danach aber war die Sopranistin warmgesungen und begeisterte sowohl in sängerischer wie in deklamatorischer Hinsicht. Zum Schluss gab es begeisterten Applaus für die drei Musiker. Ein Konzert, das wieder einmal zeigte, wie aufregend und stimulierend es doch sein kann, bekannte Pfade zu verlassen und Neues zu wagen.
Gimenos Höllenritt
Einen äußerst starken Auftritt hatte das Orchestre Philharmonique du Luxembourg am vergangenen Donnerstag mit der Aufführung der 6. Symphonie von Gustav Mahler, die einem regelrechten Höllenritt gleichkam. Das stark besetzte Orchester (im Idealfall verlangt die Sechste 110 Musiker) unter der Leitung von Gustavo Gimeno präsentierte dem Publikum einen wahren musikalischen Höllenritt. Bereits der stampfende Rhythmus der tiefen Streicher im Kopfsatz war hektisch und zerrissen und man war als Hörer somit sofort mitten im Geschehen. Gimeno dirigierte die Musik ziemlich zügig, sodass die Spannung nie abfiel und der Adrenalinpegel hoch blieb. Die Rhythmen werden von Gimeno sehr stark akzentuiert, sodass sich bewusst nie ein natürlicher Atem einstellen kann. Einzig die kleine Idylle mit Herdenglocken vermag etwas Ruhe ins Geschehen zu bringen. Aber auch hier spürt man in jedem Augenblick die nahende Katastrophe.
Nach dem düsteren und bedrohlichen 1. Satz lässt Gimeno an zweiter Stelle das Andante spielen. Diesen ruhigen, wunderschönen Satz mit seinem lyrischen Gestus spielt das OPL mit einem schwebenden, silbrigen Klang, während der Ausdruck selbst allerdings zurückhaltend bleibt. Überhaupt lässt Gimeno in seiner Interpretation wenig interpretative Gefühle zu. Und das ist auch gut so. Diese Musik spricht aus sich selber, weitere Emotionen würden das Werk aus dem Gleichgewicht bringen. Mit seinem zügigen, präzisen und äußerst dramatischen Dirigat zieht Gimeno gleich mit Dirigenten wie Boulez, Abbado, Tennstedt oder Solti und schafft mit seiner Interpretation eine quasi archaische Skulptur.
Das typische Mahler-Scherzo mit seiner Vielfältigkeit bleibt vom Grundduktus her unruhig und schattenhaft. Immer wieder begeistern in dieser Aufführung die einzelnen Soli der OPL-Musiker, die allesamt als Ensemble keinen Vergleich mit den großen Elite-Orchestern zu scheuen brauchen. Intensiv und ergreifend dann auch der gewaltige Schlusssatz, der mit seiner Dauer von rund 30 Minuten zu den längsten und anspruchsvollsten Sätzen der Musikliteratur gehört. Das Orchester ist in jedem Moment auf der Höhe und vermag auch hier, und das bis zur letzten Sekunde, absolut erstklassig, intonationsschön und packend zu spielen. Gimenos glückliche Hand, selbst ein derart massives Orchesterbild fein, transparent und sehr räumlich erklingen zu lassen, setzt der ganzen Aufführung die Krone auf.
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