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KunsteckeZum dritten Mal „Störende Wahrheiten“ in Lorentzweiler – mit einer „Tauschpromenade“ am 29. Juli

Kunstecke / Zum dritten Mal „Störende Wahrheiten“ in Lorentzweiler – mit einer „Tauschpromenade“ am 29. Juli
„Fontana Di Lussemburgo“ von Jeremy Palluce Foto: Fernand Weides

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Der Parcours „Störende Wahrheiten“ geht in diesem Jahr in seine dritte Edition. Stand die zweite Auflage 2019 unter dem Motto „Flagge zeigen“, so setzt sich diese ungewöhnliche gemeinschaftliche Kunstaktion dieses Jahr mit dem „Eigentum“ auseinander. Vier Einzelkünstler und ein Künstlerduo beschäftigen sich auf unterschiedliche Weise mit dem, was der Politikwissenschaftler und Philosoph Daniel Loick verkürzt als „Durchsetzung seiner individualistischen Weitsicht“ bezeichnet. Elisabeth Schilling lädt im Rahmen ihres Projektes „Evaluemotion“ am Samstag, dem 29. Juli, ab 11.00 Uhr zu einer „Tauschpromenade“ in der Gemeinde Lorentzweiler ein.

Haben Skulpturenwege in der Gemeinde Lorentzweiler Tradition, so wurde vor vier Jahren das Projekt „Störende Wahrheiten“ im öffentlichen Raum ins Leben gerufen. Die Gemeinde soll als „moderne, offene Gemeinschaft“, in der „zeitgenössische Kunst“ ihren Platz hat, präsentiert werden. Debatten sind erwünscht. Grundlage jeder Edition ist ein „aktuelles gesellschaftliches Thema“. Im ersten Jahr war dies das „Anthropozän“, also die von Menschen „verursachte Transformation der Natur“. Letztes Jahr ging es darum, „Flagge zu zeigen“, und heuer nehmen Elisabeth Schilling, Keong-A-Song, Jeremy Palluce, Marc Pierrard und das Künstlerduo toitoi das Eigentum unter die Lupe.

„Evaluemotion“

Die seit dem 20. Mai eingerichteten Werke werden noch bis zum 30. September an ihren Standorten sichtbar sein, wobei Elisabeth Schilling ihre Kunstaktion in vier Teile aufgegliedert hat. Von „Fotos des Lieblingsgegenstands bis hin zu Postkarten, Installationen mit Gedanken der Bevölkerung“ bis hin zu einer Vitrine, die „zum Tausch von Dingen einlädt“ und einer Tauschpromenade, die am 29. Juli stattfindet, reicht ihre „Evaluemotion“.

Um an der Promenade teilzunehmen, kann man sich bis zum 27. Juli an der untenstehenden E-Mail-Adresse anmelden. Von Haus zu Haus soll zum Tausch von Objekten eingeladen werden, so wie dies auch den ganzen Sommer lang im bereits zitierten Schaukasten vor dem Rathaus der Fall ist. Es geht darum, über den Wert des Besitzes und lieb gewonnene Objekte nachzudenken.

Kanaldeckel als Selbstdarstellung

Das Künstlerduo toitoi bestehend aus den Künstlern Roland Quetsch und Christian Frantzen hat sich mit der Operation Kanaldeckel etwas Eigenartiges einfallen lassen. Wer betrachtet schon „Schachtabdeckungen“ als schöne, künstlerisch ausdrucksstarke Objekte, dies, obwohl manche „Kanaldeckel“ nicht nur die Besitzverhältnisse, etwa der Post oder einer Gemeinde wiedergeben, sondern auch schon mal originelle Bildgestaltungen annehmen. Die Künstler haben diese Deckel extra entworfen, ein Selfie eingebaut, um so mit „der Idee der Selbstdarstellung und Identität im Zeitalter der sozialen Medien“ zu spielen. So „verwandelt sich kommunales Eigentum in eine Plattform zur Selbstdarstellung“. Die Urheber fügen hinzu: „Unser Projekt zeigt, wie Kunst an unerwarteten Orten gefunden werden kann und uns herausfordern kann, die Welt um uns herum auf neue und aufregende Weise zu sehen.“ Zwei dieser aus Guss gestalteten Deckel sind auf dem Parkplatz des Rathauses und bei der Grundschule der Ortschaft zu entdecken.

Keong-A Song, mit ihrem Werk beim ehemaligen Creos-Trafo auf der anderen Seite des Schienenstrangs, geht von der Idee aus, „dass ein Lebewesen in Lorentzweiler, einer verschlafenen Gemeinde, ankommt, um sich dort auszuruhen“. Das diesbezüglich kunstvoll geschaffene Wesen ragt aus einem „verlassenen Anwesen“ heraus. Die Anwohner hören es, doch sein Zustand völliger Armut stört sie nicht, da sie nicht wissen, „wozu es in der Lage ist und wie es aussieht“.

Luxusgüter und Lebensader

Bleiben entlang der Hauptstraße von Lorentzweiler, die einmal mehr dazu umfunktioniert wurde, unbequeme Wahrheiten zu hinterfragen und künstlerisch brisante Themen wie den Stellenwert des Eigentums anzugehen, noch zwei Standorte, diesmal in Bofferdingen. Vor der Kapelle hat Marc Pierrard auf einer Stange eine kleine Plattform mit einem Glaskasten errichtet. Gut geschützt durch die Höhe der Einrichtung und eine Glaskuppel ist eine Louis-Vuitton-Handtasche zu sehen. Diese wurde speziell für diese Aktion gekauft und zeugt in luftiger Höhe für die meisten Zeitgenossen sozusagen von „unerreichbarem“ Gut. Der Künstler zeigt sich besorgt „über die Bedeutung des Aussehens und die gleichzeitige Überbewertung des privaten Eigentums in unserer heutigen Gesellschaft.“ Das Kunstwerk „A Spotlight on Madness: The Excess of Consumption“ ist, so Mark Pierrard, „eine kritische Untersuchung von Materialismus und Konsumgewohnheiten, die uns gefangen halten“. Es geht etwa darum, „das Irrationale des Verhaltens in den Fokus“ zu rücken. Wer dann zur Kenntnis nimmt, dass die Branche der Luxusgüter derzeit trotz allgemeiner Krisenstimmung brummt, der weiß, was der Künstler mit seiner Arbeit ausdrücken möchte.

Schräg gegenüber im Park des Altersheimes Bofferdingen hat Jeremy Palluce seine „Fontana Di Lussemburgo“ eingerichtet, ein weiße „Wanne“, in der etwas Wasser sprudelt, sichtbar, aber fast wie eine Illusion erscheinend. Für ihn geht Eigentum über das „Physische“ hinaus. „Eigentum ist für mich mentaler Reichtum in Form von Träumen, Visionen, Liebe und Hoffnung“, darum soll sein Beitrag „die physische und mentale Ebene vereinen“, unterstreicht der Künstler.

Wer Interesse an dieser Initiative hat, der kann am Samstag an der „Tauschpromenade“ von Elisabeth Schilling teilnehmen und/oder sich die fünf Standorte entlang der „Route der Erkenntnis“ ansehen (ein übersichtliches Faltblatt wird in zahlreichen kleinen Kästchen an Leuchtmasten angeboten). Die Objekte sind jeweils mit lesbaren Informationstafeln über Künstler und Werk ausgestattet, dies wohl um neben dem Erleben der Werke auch ein Nachdenken darüber anzuregen, denn, so besagt das Faltblatt, stellen sich im Grunde in der Reflexion über die „bestehende Gesellschaftsordnung und Eigentumsverhältnisse“ die vier kantischen Fragen von neuem: „Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?“ Ein interessante Denkaufgabe in diesen sommerlichen Zeiten.

Schaukasten als Basis für individuelle Tauschobjekte von Elisabeth Schilling
Schaukasten als Basis für individuelle Tauschobjekte von Elisabeth Schilling Foto: Fernand Weides
Litfaßsäule als Wegweiser für „Störende Wahrheiten“
Litfaßsäule als Wegweiser für „Störende Wahrheiten“ Foto: Fernand Weides

Info

Anmeldungen zur Tauschpromenade via evaluemotion@stoerende-wahrheiten.com
Mehr zur Initiative auf www.stoerende-wahrheiten.com

Robert Hottua
28. Juli 2023 - 7.00

Im jetzigen Bofferdinger Altersheim war, ich glaube von 1941 bis 1944, eine "Lebensborn"-Einrichtung für geraubte "rassisch wertvolle" Kinder aus Osteuropa. Im Schloss in Colmar-Berg war eine "NAPOLA" ("Nationalpolitische Lehranstalt") für "rassisch wertvolle luxemburger Bürgerinnen. Nur Frauen wurden aufgenommen. Und etwas weiter an derselben Straße lag die Institution für "wertgeminderte" luxemburger BürgerInnen.
MfG
Robert Hottua