Der Ort steht bis heute für die größte Nuklearkatastrophe der Menschheit. Mittlerweile ist Tschernobyl allerdings zu einem beliebten Touristenziel geworden. Eine Reportage aus der Sperrzone von unserem Korrespondenten Christian Biewer (Text und Fotos).
Der 26. April 1986 war ein Tag, der in die Geschichte eingehen sollte. Das Bizarre daran war lediglich, dass die Welt davon zu dem Zeitpunkt noch nichts wusste. Als es in Reaktorblock vier des Kernkraftwerks Tschernobyl zu einer Explosion kam, wollte das damalige sowjetische Regime den Zwischenfall zu Beginn geheim halten. Über 33 Jahre später ist die historische Stätte zu einem beliebten Ausflugsort für Touristen aus aller Welt geworden.
Laut Aussagen eines Reiseführers, der regelmäßig Rundgänge durch die Sperrzone um den Reaktor herum durchführt, erwarten die Veranstalter im Jahr 2019 80.000 Besucher. Die US-amerikanische Miniserie „Chernobyl“, die aktuell auf dem Sender HBO ausgestrahlt wird und hervorragende Kritiken erhält, dürfte wohl zu weiter ansteigenden Besucherzahlen in naher Zukunft sorgen. Erstmals wurden vor 13 Jahren Touren durch das Sperrgebiet organisiert. Fanden diese zuerst vereinzelt statt, sind sie heute zu einem boomenden Geschäft geworden.
Das Sicherheitsrisiko direkt am Unfallreaktor vier ist heute minimal. Strahlungen, die wenige Dutzend Meter vor dem Gebäude messbar sind, übersteigen kaum den Normalbereich in einer typischen Großstadt und sind vor allem niedriger als beispielsweise auf einem gewöhnlichen Linienflug im Flugzeug. Im Jahr 2018 wurde der havarierte Reaktor mit einer neuartigen Metallummantelung abgedeckt, die zusätzlichen Schutz gewährt. Die anliegende Stadt Prypjat, Wohnort vieler Arbeiter der Nuklearzentrale, ist nach der Katastrophe und der damit verbundenen anschließenden Evakuierung zu einer kompletten Geisterstadt verkommen.
Solarzellen bei Reaktor vier
Die 1970 gegründete Siedlung galt als Vorzeigeort der damaligen Sowjetunion. Die Stadt bot den ersten Supermarkt des Landes und kurz nach dem unerwarteten Katastrophenfall hätten ein Sportstadion sowie das weltbekannte Riesenrad eingeweiht werden sollen. Dazu sollte es allerdings nie kommen. Verlässt man die Stadt in Richtung Grenze des Sperrbezirks, dann überschreitet man zuerst die sogenannte „Brücke des Todes“. Mythen zufolge sollen mehrere Menschen auf dieser Brücke durch starke Bestrahlung verunglückt sein. Beweise hierfür gibt es nicht und Ortskundige zweifeln diese Geschichten zumindest stark an.
Die darauffolgende Straße verläuft entlang des sogenannten Roten Waldes, einer der gefährlichsten und kontaminiertesten Orte der Welt. Kraftfahrzeugführer sind angewiesen, mit so hoher Geschwindigkeit wie möglich zu fahren. Fenster zu öffnen oder gar aus dem Auto auszusteigen, ist strikt verboten. Selbst in einem schützenden Fahrzeug zeigt der Geigerzähler dort teilweise über 50 Mikrosievert an, etwa 100 Mal so viel wie direkt vor Reaktor vier. Das Sperrgebiet Tschernobyl ist heute eine Gedenkstätte an die unzähligen Opfer, die bei der größten nuklearen Katastrophe der Menschheitsgeschichte ums Leben kamen. So verlassen die Sperrzone auch sein mag, ist auch hier der Klimawandel ein Thema. Neben dem Unglücksreaktor vier werden Solarzellen aufgebaut.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können