Die Bestgen-Mühle ist ein beeindruckendes Gebäude. Außen wie innen. Seit über 200 Jahren prägt sie das Gesicht der Stadt Schifflingen. Irgendwann ist ihr die Alzette abhanden gekommen. Dafür ist aber die ganze Mühlenanlage im Haupthaus komplett erhalten. Nun soll die Mühle renoviert und zum Kinder- und Jugendheim umgebaut werden.
Von Marco Goetz
Mittwochmorgen. Ortstermin in Schifflingen. Besichtigung der Bestgen-Mühle. Gemeinsam mit Bürgermeister Paul Weimerskirch. Das über 200 Jahre alte Gebäude dürften viele kennen, vom Vorbeifahren oder wegen des Café-Restaurants „El Molino“, mit seiner einladenden Terrasse und dem gemütlichen Innenraum. Auf der dem Naturschutzgebiet Brill zugewandten Rückseite des Gebäudes ist besonders ein von Architekt François Valentiny hinzugefügter Turm interessant. „Leider muss der Turm abgerissen werden“, erklärt der Bürgermeister. Auch wenn sich der Anbau fast nahtlos an die historische Bausubstanz anfügt, muss er weichen – weil in seinem Innern kein Aufzug eingebaut werden kann, was aber hinsichtlich der zukünftigen Benutzung der Mühle zwingend notwendig ist. Später bei der Besichtigung verstehen wir, warum.
Das Innenleben der Mühle hält, was das imposante Äußere verspricht. Mit etwas Mühe gelingt es einem Beamten der Gemeinde, die Tür des Haupthauses zu öffnen. Spinnweben sind allgegenwärtig. Es riecht modrig. Hier scheint niemand mehr gewesen zu sein, seitdem die Beschäftigungsinitiative OPE („Objectif Plein Emploi“) 2013 ausgezogen ist. Eine gewisse Spannung liegt in der Luft. Die Tür rechts ist verschlossen. Links ist die Küche. Ziemlich modern. So eine hat nicht jeder zu Hause. An der Wand hängt ein Kalender von 2013.
Filigrane Holzkonstruktion
Die eigentliche Überraschung lauert zwei Meter weiter: Bei der filigran anmutenden Konstruktion aus Holz handelt es sich um den Teil der Mühle, aus dem das fertig gemahlene Mehl rauskam. Im obersten Stockwerk sind die Behälter, in welche die Körner hineingeworfen wurden, nachdem sie mit einer Winde an der Außenfassade nach oben befördert wurden. Zwischen Erdgeschoss und dem Speicher warten Stockwerk für Stockwerk weitere Teile der Mühle. Ein solides Fabrikat aus Deutschland, 19. Jahrhundert. Alles ist bestens erhalten, so als würde hier noch täglich Korn gemahlen. Anscheinend wurde die Anlage vor nicht allzu langer Zeit mal renoviert.
Abgesehen von der Mühlenanlage befinden sich unzählige Räume im Gebäude. Deutlich ist zu erkennen, dass hier Büros waren. Überall hängen Kabel mit diversen Anschlüssen aus den Wänden, vermutlich für Computer und sonstiges elektrisches Gerät. Vereinsamte Bücherregale sind zu sehen und abgenutzte Teppichböden. Aber, oh Wunder, die Beleuchtung des Hauses funktioniert, sehr zur Freude der kleinen Entdeckergruppe.
Das Innenleben dieser Mühle ist ein Kleinod. Da beruhigt es, dass Bürgermeister Weimerskirch darauf hinweist, dass nicht nur das Gebäude, sondern die gesamte historische Innenausstattung geschützt ist, also nicht entfernt werden darf, ganz gleich, was in Zukunft hier entsteht.
Apropos Zukunft: Der Valentiny-Turm ist als Anbau für das Treppenhaus konstruiert worden. Da passt kein Lift rein und die Treppe entfernen, ohne den Turm zu beschädigen, geht auch nicht. Deshalb soll der Turm ganz abgerissen werden, aber durch einen neuen ersetzt werden.
Eine Mühle fern dem Fluss
1803 wurde die Mühle gebaut. Zumindest ist das die Jahreszahl, die im Türstein eingemeißelt ist. Damals, unter der nachrevolutionären französischen Herrschaft, waren die feudalen Rechte abgeschafft und die Errichtung einer Privatmühle konnte mit der Genehmigung der Zentralregierung leichter erlaubt werden. So ist es zumindest in einer alten Broschüre nachzulesen. Erster Mühlenbesitzer, laut Kataster von 1824, war Nicolas Olinger, ein Landwirt aus Lallingen. Später folgten ihm sein Sohn Jakob und dessen Frau Marie Eleringer.
Damals heißt die Mühle noch Schifflinger Mühle, von verschiedenen wird sie auch „Frantzen-Millen“ genannt. Sie ist neben der Neumühle die zweite Mühle in Schifflingen. – Aber Moment mal, wir reden hier andauernd von einer Mühle. Doch wo ist das Wasser, mit dem das große Wasserrad angetrieben wurde? Die Alzette fließt doch viel weiter weg durch das heutige Naturschutzgebiet! Paul Weimerskirch kann die Sache aufklären. Damals, so erklärt er, hatte die Alzette einen anderen Verlauf, und zwar ist sie genau unter der Mühle hindurchgeflossen. Dort, wo heute der Weg in den Hof der Mühle führt, war früher der Fluss und der Eingang lag genau gegenüber vom Haupthaus. Über eine Brücke kam man zur Mühle. Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Das alte Flussbett wurde zugeschüttet.
Mahlen nach feiner Pariser Art
In einer offiziellen Bestandsaufnahme der Mühlen in Luxemburg aus dem Jahr 1809 heißt es: „In der Schifflinger Mühle wird Weizen, Roggen, Mischler und Gerste gemahlen. Es gibt zwei Mahlgänge mit je einem horizontalen Wasserrad. Das Mahlverfahren geschieht „à la Parisienne“, wobei ein Mehlsieb und ein Mehlbeutel benutzt werden. Dieses Verfahren ergibt ein feineres Mehl als die gröbere Methode „à la Lyonnaise“. Die Schifflinger Mühle kann acht Doppelzentner in 24 Stunden vermahlen. Die Mühlsteine stammen aus Châlons-sur-Marne.“
In einem Informationsblatt der Schifflinger Gemeinde wird darauf hingewiesen, dass zwischen 1892 und 1905 umfangreiche Modernisierungsarbeiten stattfanden. Höchstwahrscheinlich ist ein größerer Brand der Auslöser gewesen. Turbinen ersetzten dann die Wasserräder. Zu den beiden Mahlgängen mit den französischen Mühlsteinen kamen zwei Walzenstühle hinzu.
Nach der Heirat der Müllerstochter Elisabeth Cäcilia Müller mit Nicolas Emile Bestgen 1899 taucht der Name „Bestgenmühle“ auf. Dem Handel mit Futtermitteln und Dünger kommt beim Einkommen für den Müller in der Folgezeit eine immer größere Bedeutung zu, während die Herstellung von Mehl immer mehr abnimmt. Folglich wurde 1930 der Mahlbetrieb eingestellt. Bis 1935 wurde aber noch geschrotet. Nach einer kurzen Wiederinbetriebnahme während des Zweiten Weltkriegs kam dann 1947 das endgültige Aus für den Mahlbetrieb. Die Mühle diente fortan als Lager für Futtermittel und chemische Dünger.
3,5 Millionen Euro werden nicht ausreichen
1985, nach dem Tod von Arwin Bestgen, haben die Erben dem Staat das alte Mühlengebäude überlassen. Der ließ es vom Architekten Valentiny restaurieren. Ab 1988 wurde es zunächst von der Vereinigung „Action locale pour jeunes“ und anschließend bis zum Jahr 2013 vom „Objectif Plein Emploi“ (OPE) genutzt. Seit Februar 2018 ist die Mühle ein historisch geschütztes Gebäude. Die Zukunft des größten Teils der Mühle gehört den „Staatlech Kannerheemer“ (siehe Drei Fragen an …). So spannend das Innenleben der Mühle auch anmutet: Klar ist, dass viel Arbeit in die Renovierung des alten Gemäuers gesteckt werden muss.
Der 2017 für den Umbau beschlossene Kostenvoranschlag belief sich auf 3,5 Millionen Euro und wird aufgrund der Preisentwicklung im Bausektor nicht ausreichen. Deshalb soll dem Gemeinderat im Herbst ein überarbeitetes Projekt vorgelegt und ein zusätzlicher Kredit gestimmt werden. Mit den Arbeiten könnte dann Ende 2019 schon begonnen werden.
Übrigens: Die Zukunft des Café-Restaurants „El Molino“ ist gesichert. Ganz im Sinne auch der Idee, dass Kinderheime keine Ghettos sein sollen, sondern dorthin gehören, wo das Leben pulsiert.
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