Unter großem öffentlichen Interesse wurde am zweiten Verhandlungstag des sogenannten SREL-Prozesses der ehemalige Staatsminister Jean-Claude Juncker als Zeuge gehört. Dabei stand vor allem die Frage im Mittelpunkt, ob der frühere Premier im Januar 2007 die Abhöraktion des Luxemburger Geheimdienstes gegen den Geschäftsmann Loris Mariotto genehmigt hatte oder nicht. Der ehemalige Chef des „Service de renseignement de l’Etat“ (SREL) Marco Mille unterstrich erneut, dass dies der Fall gewesen sei. Jean-Claude Juncker hingegen betonte, dass er sich als politischer Verantwortlicher nicht mehr an dieses Gespräch erinnern könne.
Wegen dieser Abhörmaßnahmen müssen sich Mille, der ehemalige Operationschef Fränk Schneider und Ex-Geheimagent André Kemmer derzeit vor der 12. Strafkammer des Bezirksgerichts Luxemburg verantworten. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen, dass das Trio Loris Mariotto im Januar 2007 illegal angezapft und abgehört haben soll. In anderen Worten: Eine offizielle Erlaubnis habe nicht vorgelegen. Die drei Angeklagten sehen sich jedoch nicht in der Schuld.
Von Mille, Schneider und Kemmer erfuhr das interessierte Publikum zunächst, wie es zu den Geschehnissen vor 13 Jahren kommen konnte. Einzeln erhielten alle drei die Möglichkeit, sich erstmals vor den Richtern zu den Vorwürfen zu äußern. Stein des Anstoßes soll demnach ein Gespräch gewesen sein, das im Dezember 2005 zwischen dem Geheimagenten André Kemmer und Loris Mariotto stattgefunden habe. Dabei habe der technisch versierte Geschäftsmann dem ehemaligen Polizisten von einem brisanten Gespräch berichtet, das im Büro des Großherzogs aufgenommen worden sei.
Zwei Mitarbeiter des Hofes hätten ihm einen Datenträger zugespielt, auf dem Regierungschef Jean-Claude Juncker und Großherzog Henri zu hören seien, habe Mariotto Kemmer damals berichtet. Dabei habe es sich im Kern um einen Zeugen im „Bommeleeër“-Dossier gehandelt, der den Bruder des Großherzogs mit der Affäre in Verbindung gebracht habe, berichtete Kemmer am Mittwoch. Er habe natürlich sofort seinen Vorgesetzten Marco Mille informiert, der wiederum dem damaligen Premier Bericht erstattet habe. Ein Jahr lang habe man im Anschluss versucht, an den Datenträger zu kommen. Erst im Januar 2007 habe die Übergabe endlich geklappt.
Noch am selben Tag kam die Ernüchterung: Der Datenträger sei leer gewesen, wie Mille und Kemmer übereinstimmend berichteten. Wegen der Brisanz des angeblichen Inhalts habe man sich aber dazu entschlossen, Mariotto nochmals telefonisch unter Druck zu setzen, das Gespräch aufzunehmen und seine Leitungen anzuzapfen. Schließlich habe man zu diesem Zeitpunkt von zwei gravierenden Möglichkeiten ausgehen müssen, erinnerte sich Marco Mille, der sich zuvor noch nie öffentlich zu den Vorkommnissen geäußert hatte.
Entweder handele es sich um eine undichte Stelle im Umkreis des Staatschefs und des Premierministers oder um einen bewussten Versuch, die „Bommeleeër“-Affäre zu beeinflussen, so der ehemalige SREL-Chef. Außerdem habe er sehen wollen, wie Jean-Claude Juncker auf den Vorschlag reagiert, den Geschäftsmann zunächst unter Beobachtung zu stellen, betonte Mille. Dieser habe dem Antrag aber über Telefon stattgegeben, was auch dem üblichen Prozedere in dringenden Fällen entspricht.
Juncker wundert sich über Gedächtnislücke
In diesem Zusammenhang erfuhr das Gericht, wie der Geheimdienst im Allgemeinen mit Abhörmaßnahmen umzugehen pflegt. Solche Aktionen werden in der Regel beim Direktor beantragt, der den entsprechenden Antrag dann einem Richtergremium unterbreitet. Fällt dieser Bescheid positiv aus, wird er dem Staatsminister vorgelegt, der den Antrag dann schriftlich bewilligt. Gewöhnlich werden die Anträge gesammelt und alle drei Monate beim Gremium eingereicht. In äußerst dringenden Fällen aber kann eine Abhörmaßnahme zunächst vom Premier genehmigt, muss im Anschluss aber unverzüglich dem Richtergremium vorgelegt werden. Zumindest Ersteres sei im Januar 2007 auch der Fall gewesen, wie Mille betonte.
Nur dass sich der ehemalige Premierminister Jean-Claude Juncker nicht mehr an ein solches Gespräch vor 13 Jahren erinnern kann. „Was nicht weiter verwunderlich ist“, so Juncker. Er habe an jenem Tag viel um die Ohren gehabt, wie ein Blick in seinen Terminkalender im Nachhinein ergeben hätte. Er wolle es nicht ausschließen. Es sei plausibel, dass Mille ihn kontaktiert habe. „Nur kann ich mich nicht mehr konkret daran erinnern“, so der ehemalige EU-Kommissionspräsident.
Allerdings wundere er sich heute über seine eigene Gedächtnislücke: „Ich war fest dazu entschlossen, Mariotto abhören zu lassen“, so Juncker. Wegen des brisanten Inhalts des Datenträgers habe er vorgehabt, einem entsprechenden Antrag stattzugeben, sollte er denn im Voraus vorgelegt werden. „Deshalb denke ich, mich daran erinnern zu können, einen solchen Befehl erteilt zu haben“, so Juncker weiter.
Gegenstand der Verhandlung am Mittwoch war auch das Gespräch zwischen Mille und Juncker wenige Tage später, das vom Geheimdienstchef mit einer präparierten Uhr aufgezeichnet wurde. Mille begründete seine Tat – die inzwischen verjährt ist – mit der Brisanz der ganzen Affäre. Außerdem sei ein früheres Gespräch mit Juncker in Anwesenheit von Fränk Schneider und André Kemmer „nicht optimal“ verlaufen. Deshalb habe er sich absichern wollen, so Mille.
„Ich müsste dich feuern!“
Juncker selbst sei aus allen Wolken gefallen, als er zwei Jahre später von der Aufnahme erfuhr. „Das hat mich umgehauen“, so der Ex-Premierminister. Bis dahin sei die Zusammenarbeit außergewöhnlich gut verlaufen. „Deshalb hätte ich mir das auch nie vorstellen können. Der Vertrauensbruch war damals sehr schmerzlich und schmerzt auch noch heute“, so Juncker. „Ich müsste dich feuern!“, habe er dem Chef des Geheimdienstes in einer ersten Reaktion entgegnet. Davon habe er allerdings abgesehen, da eine solche Maßnahme Wellen in der internationalen Welt der Nachrichtendienste geschlagen hätte. „Luxemburg wäre dann außen vor gewesen“, begründete Juncker seine Entscheidung.
Zuvor hatte Marco Mille bereits zu Protokoll gegeben, dass er später aus eigenen Stücken den Geheimdienst verlassen habe. Auch nahm der ehemalige SREL-Chef die beiden Mitangeklagten unter Schutz: „Alle unsere Aktivitäten waren legal. Was die Abhörmaßnahme angeht, so haben Schneider und Kemmer nur ihre Pflicht erfüllt und auf meinen Befehl hin agiert“, so Mille eingangs der Sitzung.
Tatsächlich erhielten alle drei Angeklagte die Möglichkeit, sich ein erstes Mal zu den Vorwürfen zu äußern, werden jedoch nach sämtlichen Zeugenaussagen nochmals die Gelegenheit dazu haben. In diesem Zusammenhang stritt auch der ehemalige Operationschef Fränk Schneider die Vorwürfe ab. Er habe weder an einer illegalen Abhörmaßnahme teilgenommen, noch sei die Maßnahme illegal gewesen. „Wenn mein Chef mir sagt, dass die Genehmigung vorliegt, habe ich das nicht zu bezweifeln“, so Schneider, der auf Befehl hin gehandelt habe. Ähnlich argumentierte auch André Kemmer: Er selbst habe nur als Kontaktmann zwischen Loris Mariotto und dem Geheimdienst agiert, mit der Abhörmaßnahme aber nichts am Hut gehabt.
Die Verhandlung wird am Donnerstag mit der Aussage eines ehemaligen SREL-Technikers fortgesetzt. Anschließend wird das Gespräch zwischen Jean-Claude Juncker und Marco Mille vom 31. Januar 2007 in öffentlicher Sitzung abgespielt.
Jaja JCJ,wir kommen in ein Alter wo man sich mehrmals in der Woche denselben Film anschauen kann weil man die Story vergessen hat und man trifft auch immer neue Leute beim Familientreffen. Hat viele Vorteile.
Sou wéi en op der 'Auer' gelallt huet ass dat och kee Wonner.
ERSTAUNLICHE Gedächtnislücke. Und das sollen wir glauben, da Herr Jean-Claude Juncker sich sonst über alles so gut erinnern kann. Für mich handelt es sich dabei um eine diplomatische Gedächtnislücke. Es besteht kein Zweifel, dass Herr Jean-Claude Juncker ein guter Diplomat war, der gut reden konnte um die Menschen vom Kern der Sache abzulenken.
Ca...on soll do hëllefen, soën se! Bei Wäschmaschine jiddefalls.
Er ist aber der einzige der sich wundert, wir haben es schon seit Jahren erwartet.
"Bei Gedächtnislücken bitte wenden sie sich an ihren Arzt oder Apotheker." Aber Ulk beiseite. Die Bezeichnung " Geheimdienst" beinhaltet wohl die Tatsache,dass Agenten einer Art Immunität unterliegen.So wie Politiker von ihrer Unantastbarkeit profitieren
werden es wohl auch die Agenten eines Geheimdienstes sein.
Kann man wirklich erwarten,dass ein Auftraggeber seinen Agenten verrät,sollte es denn so gewesen sein? Schweigepflicht. Es sei denn man schließt eine Batterie an empfindliche Körperteile an....aber das ist ein anderes Kapitel.
Aslso heisst das im Klartext doch wohl: in dubio pro reo und die Angeklagten sind frei zu sprechen......
Ja, ja, der Suff.