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Zerrissen zwischen Ost und West: Moldawien bleibt gespalten – und in Oligarchenhand

Zerrissen zwischen Ost und West: Moldawien bleibt gespalten – und in Oligarchenhand

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Aus der Parlamentswahl in der Republik Moldau sind wie erwartet die pro-russischen Sozialisten als stärkste Partei hervorgegangen. Doch klare Mehrheitsverhältnisse sind in dem zwischen Ost und West zerrissenen Staat nicht in Sicht.

Von unserem Korrespondenten Thomas Roser, Chisinau

Wenig Neues in Europas Armenhaus. Aus der Parlamentswahl in Moldawien sind die pro-russischen, bisher oppositionellen Sozialisten (PSRM) zwar wie erwartet als stärkste Partei hervorgegangen. Doch die Regierungsbildung dürfte sich mangels klarer Kräfteverhältnisse als schwierig erweisen.

Während in Chisinau mit einem mühsamen Koalitionspoker der pro-russischen und pro-westlichen Kräfte gerechnet wird, ist ein Aufbruch in bessere Zeiten für das zwischen Rumänien und der Ukraine gelegene Land kaum zu erwarten: Die Geißel der Korruption und Oligarchenwirtschaft wird den von Armut und Massenemigration gebeutelten EU-Anwärter auch künftig plagen.

Drei gleich starke Parteien

Drei annähernd gleich starke, aber sich wenig gewogene Parteien teilen im neuen Vierparteien-Parlament die Karten aus. Die PSRM des klar nach Moskau orientierten Staatschefs Igor Dodon ist zwar die stärkste Kraft, aber mit 31 Prozent der Stimmen deutlich hinter den Vorwahlprognosen von bis zu 40 Prozent zurückgeblieben. Zweitstärkste Partei ist das pro-europäische Parteienbündnis ACUM, das auf 26 Prozent der Stimmen kam. Es folgen die bisher regierenden, als pro-europäisch geltenden Demokraten (PDM) des millionenschweren Oligarchen Wladimir Plahotniuc (24 Prozent) vor der pro-russischen PS des schillernden Geschäftsmanns Ilan Shor (8,5 Prozent).

Weder für eine Bildung einer pro-russischen noch einer proeuropäischen Regierung ist vorläufig eine Parlamentsmehrheit in Sicht. Das sich dem Kampf gegen die Korruption verschriebene ACUM-Bündnis hatte im Stimmenstreit eine Koalition mit der bisher regierenden PDM resolut ausgeschlossen: Die eher liberal orientierten ACUM-Parteien werfen der mit der Sozialistischen Internationalen (SI) assoziierten Oligarchenpartei Vetternwirtschaft, Pressegängelung und die Aushebelung des Rechtsstaats vor.

Tauziehen und Drohungen

Ein zähes Koalitionstauziehen gilt als ausgemacht, ein Scheitern der Regierungsbildung als möglich: Staatschef Dodon hat bereits mit Neuwahlen gedroht, falls die Vereidigung einer neuen Regierung nicht innerhalb von 45 Tagen gelingen sollte. In Chisinau wird nicht ausgeschlossen, dass die Russland-freundliche PSRM und die pro-europäische PDM ungeachtet ihrer außenpolitischen Gegensätze gemeinsam ins Regierungsboot steigen könnten: Schon bei der Verabschiedung der von der EU kritisierten, aber für die beiden Großparteien vorteilhaften Wahlreform hatten die vermeintlichen Erzfeinde 2017 erstaunlich effizient miteinander kooperiert.

Auch die neunte Parlamentswahl seit der Unabhängigkeit 1991 wurde von Manipulationsvorwürfen überschattet. So warfen die bisher regierenden Demokraten den Sozialisten vor, Bewohner des abgespaltenen Transnistrien für Geld zum Urnengang gekarrt zu haben. Umgekehrt reichte auch die PSRM bei der Wahlkommission Beschwerden wegen Stimmenkaufs durch die PDM ein. „Diese Wahlen waren weder frei noch korrekt noch demokratisch“, klagt die ACUM-Politikerin Maia Sandu.

Egal, wie das Tauziehen um eine Regierungsbildung auch endet: An den tristen Zuständen im ärmsten Land Europas dürfte sich kaum etwas ändern. Noch immer ist nicht aufgeklärt, in welchen tiefen Taschen die Milliarde Dollar an Staatsgeldern verschwunden ist, die 2014 auf ausländische Offshore-Konten geflossen ist. Statt an der Urne stimmen derweil immer mehr Moldauer mit den Füßen ab. Die niedrige Wahlbeteiligung von 49 Prozent zeugt auch von den Folgen der anhaltenden Emigration: Zwischen einer halben und einer Million der offiziell 3,5 Millionen Moldawier sollen ihrem Land bereits den Rücken gekehrt haben.