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ForumWunsch und Wirklichkeit der koxischen Wohnungspolitik

Forum / Wunsch und Wirklichkeit der koxischen Wohnungspolitik
 Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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„Den Equiliber ass aus dem Gläichgewicht“1, mit diesen Worten kommentierte der Wohnungsbauminister Henri Kox unlängst die luxemburgische Wohnungskrise. Wobei Wohnungskrise? Mit diesem Begriff scheint der Minister sich nicht so recht anfreunden zu können. „No der ganz katastrophaler Kris, déi elo am Moment amgaangen ass, wëlle mir net nach weider an eng Logementskris rutschen“2 oder „D’Urgence ass am Ament bei 2.000 bis 3.500 Leit“3 sind zwei Aussagen, mit denen der Wohnungsbauminister offenkundig durchblicken lässt, dass für ihn der Begriff Wohnungskrise eine Übertreibung der Situation darstellt.

Die Tatsache, dass wir unmittelbar auf eine gesamtgesellschaftliche Wohnungskrise zusteuern und Wohnen in Luxemburg – ohne finanzielle Unterstützung von Dritten – für breite Teile der jungen Generation längst ein Luxus geworden ist, sollte bei einer Preissteigerung von +16,7% im letzten Jahrunbestreitbar sein. Der Begriff Wohnungskrise würde die aktuelle Situation und vor allem die Dringlichkeit des politischen Handelns also gut beschreiben. Auch wenn es sich hierbei primär nur um einen Unterschied in der Begrifflichkeit handelt, sollte man aber nicht außer Acht lassen, dass, genauso wie in der Klimapolitik, nur der, der die Dringlichkeit des Problems erkennt, auch gewillt und in der Lage ist, angepasste Maßnahmen zu ergreifen!

Um diese Dringlichkeit des politischen Handelns in der Wohnungspolitik zu untermauern, lohnt sich ein Blick in die Statistik. Im Jahr 2010 bezahlte man für eine 80-m2-Wohnung im Landesdurchschnitt 325.920 Euro. Im Jahr 2020 bezahlt man im Landesdurchschnitt für 80 mWohnfläche 619.480 Euro (+ 90,07 %).5 Im gleichen Zeitraum 2010-2020 ist das jährliche Durchschnittseinkommen von 61.416 Euro auf voraussichtlich 80.031 Euro gestiegen (+30,31%)6. Für die gleichen 80 m2 könnte man im Jahr 2030, bei einem weiteren Preisanstieg von +7% pro Jahr7, über 1,2 Millionen Euro zahlen – somit würden die aktuellen Preismissstände in Luxemburg-Stadt in Zukunft nationaler Durchschnitt.

Das zunehmende Auseinanderdriften zwischen Wohnkosten und Einkommen scheint Minister Kox verstanden zu haben, so schrieb er unlängst: „Une augmentation des prix du patrimoine immobilier de plus de 10% par an ne peut pas être compensée par des augmentations de revenus de la même envergure.“8 Sein Lösungsansatz scheint aber weder die Dringlichkeit noch die gesamtgesellschaftliche Dimension des Wohnungsproblems widerzuspiegeln: „pour faire revenir l’évolution des prix immobiliers dans des sphères raisonnables, nous devons agir urgemment sur l’offre en logements abordables destinés en priorité aux  ménages ayant les revenus les plus modestes “9. Auch in einem Interview mit dem Radio 100,7 argumentierte der Wohnungsbauminister, dass für ihn die absolute Priorität seiner Amtszeit darin bestehe, erschwinglichen Wohnraum zu bauen.10

Die aktuelle Strategie von Minister Kox begrenzt sich also hauptsächlich auf den staatlich subventionierten Wohnungsbau (Pacte Logement 2.0. sowie die angekündigte Reform des Wohnungsbeihilfegesetzes aus dem Jahr 1979 gehören auch zu dieser „sozialen Baustrategie“). Dabei verkennt der Minister komplett, dass das Wohnungsproblem längst ein gesamtgesellschaftliches Problem ist, bei dem der Ausbau des staatlichen Wohnungsbaus wohl Teil einer breiteren Strategie sein muss, aber nicht der einzige gesellschaftliche Lösungsansatz sein kann!

Doch um jegliche blinde Kritik zu vermeiden, blicken wir zuerst im Detail auf die aktuelle Strategie des Ministers.

Die aktuelle Strategie: „Bauen, bauen, bauen … aber erschwinglich“

Das nationale Statistikamt beziffert den Bedarf an neuen Wohnungen bis 2030 auf 6.000 bis 8.000 Wohnungen pro Jahr. Aktuell werden aber nur 4.000 bis 5.000 Wohnungen gebaut.11 Damit die staatliche Wohnungsbaustrategie des Ministers also Erfolg haben kann, sollte ihr längerfristiges Ziel sein, die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage, die irgendwo zwischen 1.000 bis 4.000 fehlender Wohnungen pro Jahr liegen dürfte, bestmöglich zu schließen. Um herauszufinden, ob diese Strategie also den erhofften Erfolg haben kann, lohnt sich ein Blick in die Auftragsbücher der öffentlichen Hand und ihrer Partner.

Für die Jahre 2021 bis 2025 geht das Wohnungsbauministerium davon aus, zusammen mit seinen Partnern, 4.300 Wohnungen auf den Markt bringen zu können, dies entspräche einem Durchschnitt von 860 Wohnungen pro Jahr.12 Für die Zeitspanne 2025 bis 2030 ist es schwer, einen jährlichen Durchschnitt zu errechnen, da die Fertigstellung einzelner Großprojekte erst für das Jahr 2042 vorgesehen ist und das Wohnungsbauministerium zu besagtem Zeitraum nur schreibt: „il est estimé que de nouvelles conventions seront signées pour 8.200 logements, dont la livraison est prévue au-delà de 2025“13, ohne dass eine reelle Schätzung des Fertigstellungszeitraums vorliegt.

Analysiert man die Liste der in Aussicht stehender Projekte und berücksichtigt deren Dauer, kann man, als notorischer Optimist, davon ausgehen, dass in dem Zeitraum 2025 bis 2030 bis zu 7.165 weitere Wohnungen von der öffentlichen Hand auf den Markt kommen könnten14.

Summa summarum könnten also in den nächsten zehn Jahren im allerbesten Fall (!) 11.465 Wohnungen von der öffentlichen Hand und ihren Partnern gebaut werden. Dies entspräche einem jährlichen Durchschnitt von 1.146 Wohnungen.

Hierbei muss aber bedacht werden, dass die voraussichtliche Fertigstellung der Projekte wohl ohne Gewähr ist und bei einzelnen Projekten das Fertigstellungsdatum noch verschoben werden kann. So ging das Wohnungsbauministerium bis 2020 zum Beispiel noch von einer Fertigstellung des Projekts „Wunne mat der Wooltz“ (833 Wohnungen) bis spätestens 2038 aus15. Heute, knapp ein Jahr später, wird eine Fertigstellung bis 2042 angestrebt16.

Ob das Ministerium in Zukunft noch viel mehr bauen kann, ist eine Frage des Baulands: Erwirbt die öffentliche Hand heute mehr Bauland, kann sie auch in Zukunft mehr bauen. Auf die Frage, wie viel Bauland das Ministerium und seine Partner pro Jahr erwerben möchten, antwortete Minister Kox: „Alles, was geht“17. Mit dieser „Alles, was geht“-Politik hat das Ministerium im Jahr 2020 durch den „Fonds spécial de soutien au développement du logement“ 1.300 Ar an Bauland erworben18. Dies klingt erst mal nach sehr viel, doch ist zu unterstreichen, dass auf besagtem Bauland nur etwas mehr als 400 Wohnungen errichtet werden können19. Somit ist auch nicht zu erwarten, dass die sehr optimistisch geschätzte Anzahl um 1.100 Wohnungen pro Jahr mittel- oder langfristig signifikant gesteigert werden kann.

Schaut man auf die Kluft zwischen Angebot und Nachfrage, somit fehlen in Zukunft, wie oben erwähnt, zwischen 1.000 bis 4.000 Wohnungen pro Jahr. Uns ist leider nicht ersichtlich, wie viele staatliche Wohnungen hier auf der Angebotsseite eingerechnet wurden, und deshalb wäre es sicherlich illusorisch, diesen staatlichen Wohnungsbau als einzig ausreichende Antwort auf die gesamtgesellschaftliche Wohnungskrise zu glorifizieren. Zusätzlich muss bedacht werden, dass die Sozialwohnungen, die Teil dieses staatlichen Angebots sind, nicht für die gesamte Gesellschaft zugänglich sein werden.

Der Minister hat jedoch seine Strategie für die Wohnungsfrage festgelegt: mehr Sozialwohnungen, mehr erschwinglicher Wohnraum – also mehr staatlichen Wohnungsbau. Aber was passiert in den Gemeinden, in denen sich Widerstand gegen Bauprojekte regt? Wird der Minister sein gesamtes politisches Gewicht in die Waagschale werfen, in Bürgerversammlungen seine Vision des zukünftigen Zusammenlebens in Luxemburg verteidigen und so seine Vision auch gegen Widerstände mit der Waffe der politischen Überzeugung durchsetzen?

Ein umstrittenes Wohnprojekt gibt es in der Gemeinde Bech. Am 9. Juni 2021 kam es zu einer öffentlichen Bürgerversammlung, in der der Bürgermeister Camille KOHN und der Präsident der „Fondation pour l’accès au logement“, Gilles HEMPEL, den aufgebrachten Bürgern Rede und Antwort standen. Es ging um ganze sechs Sozialwohnungen20, die im Dorf entstehen sollen und für reichlich Aufruhr sorgen. Der Gegenwind war stramm und der Mann, dessen große politische Vision hier im Mittelpunkt der Kritik stand, glänzte durch Abwesenheit. Gespannt wartet man bis heute, ob der Minister sein politisches Gewicht in die Waagschale werfen wird oder weiter nach bester Vogel-Strauß-Politik schweigen wird.

 Foto: Anouk Flesch

Trotz des unermüdlichen Einsatzes der sozialen Bauträger und einzelner Gemeinden sollte man realistisch bleiben und feststellen, dass eine gesamtgesellschaftliche Wohnungskrise nicht nur einiges mehr an staatlichen Wohnungsbau erfordert, sondern auch gesamtgesellschaftliche Maßnahmen verlangt. Außerdem sollte man nicht außer Acht lassen, dass eine Strategie, die sich nur auf den staatlichen Wohnungsbau konzentriert, die zukünftige Preisentwicklung auf dem privaten Immobilienmarkt kaum beeinflussen wird. Die Eigentumsbildung wird so dramatisch erschwert und die zukünftigen Generationen werden zu Wohnungsbittstellern gegenüber dem Staat degradiert – es sei denn sie erben Wohnungseigentum.

Wohnungspolitik: an welchen Schrauben drehen?

„Als Ingenieur weiß ich: Wenn ich an zwei Schrauben gleichzeitig drehe, kann ich keine Aussage machen. Ich kann nur an einer Schraube drehen und dann eine Aussage machen. Momentan weiß ich noch nicht einmal, welche Schrauben wir überhaupt haben“21, so Minister Kox im Interview mit dem Luxemburger Wort. Nachfolgend also mal ein paar Schrauben, an denen es sich zu drehen lohnt.

Um die Explosion der Wohnungspreise einzudämmen, muss man auch dafür sorgen, dass die Leute, die auf dem Wohnungsmarkt auf der Suche nach einem Zuhause für ihre Familie sind, Vorrang haben, und dies vor all jenen Leuten, die lediglich auf der Suche nach einer weiteren Investitionsmöglichkeit zur Geldvermehrung sind!

Um diese Investitionsnachfrage grob einschätzen zu können, ist es interessant zu wissen, dass zwischen 2015 und 2019 im Ganzen 8.200 Wohnungen als „Ventes en état futur d’achèvement“ verkauft wurden. 40% dieser Wohnungen, also genau 3.341 Wohnungen, wurden von Leuten erworben, die nicht die Absicht hatten, diese zu bewohnen.22 Es ist also klar, diese Investitionsnachfrage ist nicht zu unterschätzen und sollte durchaus gebremst werden. Genauso richtig ist aber auch die Aussage des Ministers, „et ass net ewéi ëmmer gesot gëtt (…), dat sinn déi auslännesch Investoren, déi sech hei alles ënnert den Nol räissen“23.

Deshalb sollte erstens die inländische Investitionsnachfrage gesteuert werden und dies tut man am besten über eine Anpassung der Besteuerung. Die aktuelle Besteuerung ist kontraproduktiv, wie der Steuerexperte Keith O’DONNELL im Lëtzebuerger Land Interview perfekt illustrierte: „Si j’achète un appartement d’une valeur de 750.000 euros pour le louer, le gouvernement va me donner des ,subsides‘ fiscaux en tant que bailleur qu’on chiffre à plus de 110.000 euros. En revanche si on veut acheter le même appartement et l’habiter, l’Etat n’en donne que 70.000. C’est une concurrence déloyale.“24

Ein progressives und frühzeitig angekündigtes Auslaufen des „Taux d’amortissement accéléré“ wäre hier sicherlich angebracht, anstatt von Jahr zu Jahr an den Abschreibungssätzen herumzubasteln. Solche steuerlichen Vorteile treiben mehr Investoren in den Markt und vor allem solche, die insbesondere ihre steuerliche Belastung reduzieren möchten. Aktuell erhöht diese Abschreibung bloß die schon erhöhte Nachfrage, was wiederum zu einer Steigerung der Wohnungspreise führt.

Auch bei der Reform der Grundsteuer, die zweifelsohne ein Eckstein einer nationalen Wohnungsbaustrategie sein muss, sollen erste Fortschritte zu erkennen sein. Auch wenn es mir unklar ist, was der Wohnungsbauminister genau meint, wenn er, in einem Anfall Stoiber’scher Satzbildung, zur Grundsteuerreform sagt: „De Grondsockel ass gestalt, fir d’Grondsteier ze besteieren“25, sollte man als notorischer Optimist dies durchaus positiv bewerten. Wenn der „Grondsockel“ steht, könnte es ja, nach Jahren der Untätigkeit und politischer Verschleppung, irgendwann doch noch zu einer solchen Reform kommen, deren primäres Ziel in der Mobilisierung des unbebauten Baulandes bestehen muss. Hierfür sollte ein Steuersatz auf unbebautem Bauland von 7% bis 10% des Marktwerts des Baulandes jährlich im Falle eines nicht Bebauens anfallen und so den ökonomisch hypothetischen Mehrwert, der pro Jahr durch das nicht Bebauen entsteht, abschöpfen26.

In puncto Optimismus bei der Grundsteuerreform muss man aber auch auf eine Aussage des engsten Beraters des Wohnungsbauministers verweisen. „Ich glaube nicht, dass wir die Grundsteuer so gestalten können, dass sie Grundbesitzer dazu bringt, unbebautes Land zu entwickeln“27, gab Mike Mathias, erster Regierungsrat im Wohnungsbauministerium, in einem Interview zu verstehen. Eine durchaus erstaunliche Aussage, sieht das Koalitionsabkommen doch eine Reform der Grundsteuer „zur Bekämpfung von Bodenspekulation“28 vor. Unter Bodenspekulation ist nichts anderes zu verstehen, als bebaubare Grundstücke unbebaut zu lassen, dies über eine längere Zeit und ohne ersichtlichen Grund. Die Frage ist also gestattet, ob im Koalitionsabkommen unrealistische Träumereien stehen oder ob hohe Beamten schon eine Exit-Strategie für ihre Minister planen, da die Grundsteuerreform an kleinpolitischem Parteigeplänkels zu scheitern droht. Wird die inländische reine Investitionsnachfrage gebremst, besteht ein reelles Risiko, dass das hinterlassene Vakuum vermehrt durch ausländische Investoren gefüllt wird.

Das internationale Finanzprodukt „lëtzebuergesch Wunneng“

Kommen wir also nun zu der ausländischen Investitionsnachfrage nach luxemburgischen Wohnungen und zur Frage, wie man eine solche Nachfrage bremsen könnte. Meines Erachtens bestehen hier zwei Möglichkeiten: höhere Steuern oder strengere Regulierungen. Beide Lösungsansätze sollten offen diskutiert werden. Vor einer Entscheidung müssen die Auswirkungen auf die luxemburgische Wirtschaft ernsthaft simuliert und projiziert werden.

Vorab jedoch einige interessante ausländische Modelle, an denen sich ein Wohnungsbauminister orientieren könnte: In Vancouver muss seit August 2016 jeder, der nicht kanadischer Staatsbürger ist oder seinen ständigen Wohnsitz nicht in Kanada hat, eine „zusätzliche Grunderwerbssteuer“ in Höhe von 20% auf Immobilienkäufe in der Region Vancouver zahlen. Eine ähnliche Steuer wurde 2017 in Toronto und Umgebung eingeführt. In Australien müssen ausländische Käufer eine zusätzliche Gebühr für den Kauf einer Immobilie entrichten, die etwa 1% des Wertes der Immobilie entspricht. Außerdem wird der Erwerb von Wohnimmobilien durch ausländische Käufer durch Vorschriften eingeschränkt. Die Schweizer Regierung schränkt seit Jahren den Erwerb von Immobilien durch ausländische Käufer durch ein Genehmigungssystem ein, die sogenannte Lex Koller.29

Meines Erachtens sollte ein Genehmigungsverfahren nach Schweizer Vorbild die bestmögliche Steuerungsoption sein. Natürlich sollte der Erwerb eines Zuhauses, also einer Wohnimmobilie (in der Einzahl versteht sich) für jedermann, unabhängig seiner Nationalität, hier in Luxemburg weiterhin möglich sein. Die luxemburgische Offenheit, auch die des luxemburgischen Wirtschaftsstandorts, können wir nur in Zukunft sicherstellen, wenn die Wohnkosten nicht aus dem Ruder laufen. Deshalb müssen wir die reine ausländische Investitionsnachfrage nach dem Finanzprodukt „Luxemburger Wohnung“ intelligent eindämmen!

Immer wieder wird in Luxemburg darauf verwiesen, dass die langen Genehmigungsprozeduren, um aus einem Bauvorhaben Realität werden zu lassen, ein Hauptbestandteil des Wohnproblems sind. Genehmigungsprozeduren werden immer mehr zu administrativen Pilgerfahrten von Verwaltung zu Verwaltung … Hier muss ein Umdenken eintreten. Ab dem Moment ab dem die Allgemeinheit, also die Gemeinde, Land als Bauland ausgewiesen hat, sollte hier ohne administrativen Wirrwarr eine Bebauung möglich sein. In den Niederlanden gilt bei Bauanträgen Folgendes: Wenn man nach sechs Wochen nichts vom Amt gehört hat, darf man mit dem Bauen beginnen.30 In Luxemburg sollte diese Mentalität auch Standard sein. Es ist nicht am Bauherrn, der Verwaltung in unzähligen Studien zu beweisen, dass er auf seinem Bauland bauen darf, sondern die Beweislast sollte auf der Seite der Verwaltung liegen. So sollte es ihr, in einem kurzen Zeitrahmen und mit stichhaltigen Argumenten versteht sich, obliegen zu belegen, warum Bauland in jenem Moment nicht bebaut werden kann. Das Warten auf Genehmigungen, das Durchführen unzähliger Studien sowie die Abstimmung mit den Bauämtern kostet die Projektentwickler Zeit, Nerven und auch völlig unnötiges Geld. Diese komplett unnötigen Kosten werden letztlich auf die Käufer der Neubauten übertragen. Hier muss seitens der Verwaltungen ein Umdenken eintreten.

Der Wohnungsbauminister sollte neue Vorschläge in die festgefahrene Wohnungsbaupolitik der Regierung einfließen lassen und sich weniger dem Wohnungsbau und mehr der gesamten Wohnungspolitik widmen. An einem „Logementsdësch“, mit Vertretern von Wirtschaft, der Gewerkschaften, der Zivilgesellschaft … und natürlich auch Experten der Universität, um die nötigen Auswirkungen zukünftiger Reformen simulieren zu können, sollten weitere Maßnahmen ausgearbeitet und schnellstmöglich umgesetzt werden.

Das Argument des Rechtsstaats

Um seine Untätigkeit, denn Machtlosigkeit kann es als Minister nicht sein, zu verschleiern, verweist der Wohnungsbauminister immer öfters auf den Rechtsstaat: „Mir sinn an engem Rechtsstaat, wou ech stolz drop sinn, dat mir an deem Rechtsstaat sinn, wou keen diktéiert. A mir hunn d’Liberté de commerce an eiser Verfassung stoen, den Artikel 11 ass do ganz fest dodran …“31. Doch keine der aktuell diskutierten Maßnahmen würden den Rechtsstaat, auf den ich eben so stolz bin, oder das Privateigentum antasten.

Dieses Rechtsstaat-Argument ist also nur eine Scheindebatte, mit der der Minister sich bei konservativen Wählern anbiedern möchte. Dabei minimiert er jedoch leider seinen eigenen politischen Handlungsspielraum, indem er Diskussionen mit dem Argument des Rechtsstaats frühzeitig abwürgt. Letztendlich ist es vor allem ein Versuch, von einem eigenen möglichen Versagen in der Wohnungsfrage schon mal prophylaktisch abzulenken.

Ein Umdenken und Handeln des Staates und der politischen Verantwortlichen, allen voran des Wohnungsbauministers, ist zwingend notwendig, um die nötigen Schritte heraus aus der Wohnungskrise sorgfältig vorzubereiten. Die Zeit der wohnungspolitischen Zauderer und Zweifler muss endlich vorbei sein!

1 Zitat von Henri KOX in: Riicht eraus, Radio 100,7, 3. April 2021.

2 Zitat von Henri KOX in: Invité vun der Redaktioun, RTL Radio, 1. Oktober 2020.

3 Zitat von Henri KOX in: Riicht eraus, Radio 100,7, 3. April 2021.

4 Statec, Ministère du Logement, Observatoire de l’habitat, Le logement en chiffres, April 2021.

5 Dies berechnet auf den Durchschnittspreis der alten und neuen Wohnungen. Quelle: Observatoire de l’habitat, Prix de vente enregistrés des appartements 2007-2021, Liser.

6 Für das Jahr 2020 haben wir die durchschnittliche Lohnsteigerung der Jahre 2010-2019 eingerechnet (+2,9%/Jahr), da die offizielle Berechnung noch aussteht. Dies ist aber durchaus optimistisch. Siehe: „82% des résidents n’ont pas connu de dégradation de leur revenu, pour 16% il a diminué et pour 2%, il a augmenté“ aus Statec, Regards N° 9 „L’impact financier du confinement : la baisse du revenu globalement contenue“, juillet 2020. Quelle: Statec, Revenu mensuel disponible et niveau de vie (en EUR) 2003-2019 (version révisé).

7 Dies ist die jährliche Steigerung zwischen 2010 und 2019. „La hausse annuelle des prix des terrains à bâtir s’est élevée en moyenne à +7,0% entre 2010 et 2019.“ in: Statec, Ministère du Logement, Observatoire de l’habitat, Le logement en chiffres, April 2020, S. 5.

8 Préface Henri KOX in: Ministère du Logement, Fonds spécial de soutien au développement du logement – Rapport annuel 2020, S. 3.

9 Idem.

10 Siehe: Riicht eraus, Radio 100,7, 3. April 2021.

11 Siehe: Maxi PESCH, Acceleréiert Hausse vun de Logementspräisser, Radio 100,7, 8. April 2021.

12 Ministère du Logement, Fonds spécial de soutien au développement du logement – Rapport annuel 2020, S. 27.

13 Idem. S. 29.

14 Siehe: Ministère du Logement, Fonds spécial de soutien au développement du logement – Rapport annuel 2020, Annexe 7.3. Liste des projets en perspective, S. 59-66. Hier führt das Ministerium im Ganzen 9.017 Wohnungen an. Für meine grobe Schätzung ging ich von der Annahme aus, dass zehn Jahre für die Fertigstellung kleinerer Bauprojekte ausreichend sein würden (dies ist sicherlich zu optimistisch). Für die größeren Bauprojekte (Quartier de l’Alzette – Mersch; Cité Syrdall – Wecker; Neischmelz – Düdelingen; Cité Manertchen – Echternach; Wunne mat der Wooltz – Wiltz; Projet Elmen – Kehlen; Bonnevoie/Itzegerknuppp – Luxemburg) errechnete ich eine hypothetische Fertigstellung pro Baujahr und rechnete diese somit in die Fertigstellung bis 2030 mit hinein. Die Projekte der SNHBM in Harlange und An der Fuerel (Belval-Nord) im Ganzen 135 Wohneinheiten werden bis 2025 fertiggestellt, somit berücksichtige ich diese nicht für meine Schätzung. Es handelt sich somit um eine hypothetische, durchaus extrem optimistische Schätzung. Die effektive Fertigstellung sollte unter dieser liegen. Außerdem können weitere Projekte hinzukommen, aber große Sprünge in puncto wirklicher Fertigstellung sind hier nicht zu erwarten.

15 Commission du logement, Procès-verbal de la réunion du 2 octobre 2020, Présentation de l’encours et des perspectives sur base des données au 1er septembre 2020, S. 35.

16 Die Anzahl der Wohnungen blieb bei 833 Wohnungen. Auch das Projekt „Bonnevoie/Itzegerknupp“ in Luxemburg war 2019 noch in der Planung mit 450 Wohnungen und sollte spätestens 2028 fertiggestellt sein. Heute wird eine Fertigstellung bis 2033 anvisiert, dies jedoch mit einem Plan, in diesem Zeitraum 34 weitere Wohneinheiten zu bauen. Auch das Projekt „Cité Manertchen“ in Echternach bekam fünf Jahre Fertigstellungsverzug, wobei die Anzahl der Wohnungen hier von 215 (Stand 2019) auf 214 zurückging.

17 Zitat Henri KOX in: Michèle GANTENBEIN, Die öffentliche Hand ist gefordert, Luxemburger Wort, 23 Oktober 2019.

18 Ministère du Logement, Fonds spécial de soutien au développement du logement – Rapport annuel 2020, S. 22.

19 Idem.

20 Diese sechs Wohnungen sind Teil der staatlichen Wohnungsbaustrategie, siehe: Ministère du Logement, Fonds spécial de soutien au développement du logement – Rapport annuel 2020, Annexe 7.3. Liste des projets en perspective, S. 59.

21 Zitat Henri KOX in: Michèle GANTENBEIN, Die öffentliche Hand ist gefordert, Luxemburger Wort, 23 Oktober 2019.

22 Commission du logement, Procès-verbal de la réunion du 17 octobre 2019, S. 6-7.

23 Henri KOX, Riicht eraus, Radio 100,7, 3. April 2021.

24 Pierre SORLUT, „A un point d’inflexion“, d’Lëtzebuerger Land vom 3. Januar 2020.

25 Zitat von Henri KOX in: Kloertext RTL – Brauch et den „Noutstand“ am Logement?, 20. Mai 2021.

26 Hier nur grobe Züge, Freibeträge und spezielle Steuersätze sind natürlich auch vorzusehen. Im Oktober wird über dieses Thema ein längerer Artikel von mir erscheinen.

27 Zitat von Mike MATHIAS in: Interview mit Sam TANSON (Wohnungsbauministerin) und Mike MATHIAS (Regierungsrat) zur Boden- und Wohnungsfrage in Luxemburg in Florian HARTWECK (Hg.), Architektur auf gemeinsamem Boden – Positionen und Modelle zur Bodenfrage, Lars Müller Publishers/Universität Luxemburg, S. 380.

28 Koalitionsvertrag 2018-2023, S. 32.

29 Siehe: Resolution Foundation, Home Improvements – Action to address the housing challenges faced by young people, S. 33-35.

30 Siehe: Michael Voigtländer, Luxusgut Wohnen – Warum unsere Städte immer teurer werden und was jetzt zu tun ist, Springer, 2. aktualisierte Auflage, S. 95-99.

31 Henri KOX, Riicht eraus, Radio 100,7, 3. April 2021; siehe auch: Henri KOX, „Quand l’audace fait perdre le nord“ Réplique de M. KOX à l’éditorial de Bernard THOMAS, Lëtzebuerger Land vom 16. April 2021.

Stiwi
4. September 2021 - 17.31

Ich gebe dem Sepp recht, kommt ihr ehrlichen Politiker lasst die Katze aus dem Sack.Bitte der Ehrlichkeit wegen und Transparent. Den mit den Gehälter wo gehen die hin zur Bank;)) Pustekuchen Steine kaufen

werner
4. September 2021 - 15.16

@Romain

"Wenn schon Wohnungsnot vorhanden ist, warum dann noch nicht EU Bürger eine Wohnerlaubnis geben."

Weil es keine 'Wohnerlaubnis' gibt, nehme ich mal an.
Wenn die Leute ein Visa haben, können die so viele Wohnungen kaufen oder mieten wie ihnen lustig ist.

Louis
3. September 2021 - 10.58

Ass de séiersten Wee net Groussgrondbesetzer zum bauen ze beweegen wéi lo kléng Privatpersounen? Besteierung ass ee vu villen Mesuren déi kennen geholl ginn, niewt zum Beispill enger Ierfschaftsstéier. D'Gemengen an de Staat mussen vill méi aktiv Terrainen kaafen an vun hierem Virkafsrecht notzen huelen an net d'Präisser dem fräien Maart iwwerloossen..

schullerpiir
2. September 2021 - 23.45

Net nemmen Plitiker eleng. Och nach anerer aus denen Kréesser. Dei wellen eis just fir domm verkaafen! Dir geift staunen, wann der weisst weivill den greissten Immobilienhai vun hinen huet.

Romain
2. September 2021 - 15.23

Wenn schon Wohnungsnot vorhanden ist, warum dann noch nicht EU Bürger eine Wohnerlaubnis geben.

Sepp
2. September 2021 - 11.45

Frot de Statec mol dass se sollen eng Statistik rausginn wéivill Politiker méi wéi 1 Wunneng hunn. Schonn ass de Problem erkannt firwat sech näischt bewegt.