Seit den Wahlen 2011 ist Mike Hansen (LSAP) Mitglied des Escher Gemeinderats. Vor sechs Jahren hat der 35-Jährige die Präsidentschaft des Escher «Syndicat d’initiative et de tourisme» (SIT) übernommen, das nicht nur den «Kleeschen»-Umzug, den «Krëschtmoart» und die «Escher Fuesent» organisiert, sondern auch das «City Tourist Office» am Stadthausplatz betreibt und ein wichtiger Ansprech- partner für die Vereine ist. Am Mittwoch hielt das SIT seine ordentliche General- versammlung ab. Wir haben uns im Vorfeld mit Mike Hansen unterhalten.
Von Luc Laboulle
Tageblatt: Vor ziemlich genau sechs Jahren haben Sie die Präsidentschaft des SIT von Evry Wohlfarth übernommen. Was haben Sie in dieser Zeit umgesetzt?
Mike Hansen: Es ist viel passiert. Die erste große Änderung war, dass wir den «Krëschtmoart» selbst organisieren. Als weitere Neuerung veranstalten wir seit einigen Jahren ein Sommerfest zum Abschluss der Badesaison in den «Bains du parc». Ferner sind wir kürzlich einem Netzwerk beigetreten, um ab dem nächsten Jahr Besichtigungen unserer Kirchengebäude durchführen zu können. Mit der Grenzer Kirche haben wir ein Jugendstil-Gebäude, das sich sehen lassen kann. Auch die Josephskirche wird für Gäste von außerhalb geöffnet. Zudem haben wir unsere geführten Besichtigungen im Stadtzentrum noch ausgebaut.
Zurzeit planen wir, auch geführte Besichtigungen für Kinder durchzuführen. Das ist die große Neuerung in diesem Jahr. Die Kinder sollen Esch kennenlernen. Wenn man in einer Stadt lebt, sollte man auch die Bedeutung der Orte dieser Stadt verstehen. Das ist wichtig für das Miteinander. Ansonsten lebt der eine nur neben dem anderen.
Welche Art von Touristen kommt nach Esch?
Es sind vor allem Tagestouristen. Das SIT sieht sich eher in einer Vermittlerrolle. Wir versuchen, die Vereine logistisch zu unterstützen, damit sie Dinge umsetzen können. So haben wir zum Beispiel zusammen mit der «Entente Roude Léiw» und dem Förster im «Ellergronn» Wanderwege angelegt, die bis nach Rümelingen führen. Auf diesen Wegen werden seit drei Jahren internationale Volkswanderungen veranstaltet. Wir unterstützen den Verein auch bei der Organisation des Mittelaltermarkts im «Ellergronn». Wir haben uns auch mit «Rosa Lëtzebuerg» zusammengesetzt, um dafür zu sorgen, dass das «Gaymat» in Esch bleibt. Manchmal sind es nur Kleinigkeiten, die es den Vereinen aber erleichtern, in Esch etwas zu organisieren.
Natürlich haben wir auch Sachen weitergeführt oder leicht verändert, die es bereits vorher gegeben hat. Bei der «Fuesent» haben wir Live-Auftritte eingeführt und den Umzug des «Kleeschen» haben wir weiterentwickelt.
Wie funktioniert das SIT?
Der ganze Vorstand besteht aus Ehrenamtlichen. Im Escher «City Tourist Office» am Stadthausplatz arbeiten drei Angestellte, die von der Gemeinde bezahlt werden.
Wie viele Touristen kommen jährlich nach Esch?
Seit 2014 haben sich schätzungsweise mehr als 2.500 Menschen pro Jahr zum «City Tourist Office» begeben. Zudem haben wir einen sehr gut besuchten Campingplatz und auch die 2017 eröffnete Jugendherberge zählt viele Gäste.
Wir beobachten, dass immer mehr Besucher kommen. Das hat vermutlich auch mit der Uni zu tun. Studenten und ihre Familien kommen vorbei, um Informationen einzuholen.
Wo sehen Sie noch touristisches Potenzial in Esch?
Insbesondere wegen der Uni und Unternehmen wie ArcelorMittal und der RBC auf Belval oder den Start-ups im Technoport müssten wir uns noch mehr auf den Konferenztourismus spezialisieren. Für Familien mit Kindern können wir zum Beispiel den Stadtpark und den «Déierepark» mit seinen Baumhäusern auf dem Galgenberg anbieten.
Das touristische Angebot kann man aber nicht auf Esch begrenzen. Wir müssen es im Rahmen des regionalen Tourismusbüros ORT zusammen mit unseren Nachbargemeinden entwickeln. Beim Red-Rock-Trail für Mountainbike-Fahrer hat das schon sehr gut funktioniert.
Wir müssen die gemeinsame Strategie aber noch weiter vorantreiben und Standorte wie den Fonds-de-Gras und das Science Center in Differdingen, die Hochöfen und das Resistenzmuseum in Esch sowie das Bergbaumuseum in Rümelingen besser miteinander verbinden.
Die Südregion war lange Zeit industriell geprägt. Welche Rolle könnte die Industriekultur künftig für den Tourismus spielen?
Die Industriekultur ist unsere DNA. Als «Minetter» sind wir stolz auf unsere rote Erde, wo der Reichtum Luxemburgs entstanden ist. Wenn die Industriestandorte gut angepasst werden, kann daraus ein ganz interessanter touristischer Faktor werden. Ein «Centre national de la culture industrielle», das offen und an die Wünsche und Bedürfnisse von Kindern angepasst ist, wäre auf jeden Fall ein Pull-Faktor für Besucher.
Wir haben aber auch viel Natur hier. Vor allem für Menschen, die in Großstädten wohnen, ist das interessant. Esch hat eigentlich beides zu bieten. Die Stadt hat ein urbanes Zentrum, doch man ist auch schnell in der Natur, wenn man will. Nimmt man dann noch Initiativen wie die Pop-up-Ausstellungen des Cueva-Kollektivs dazu, ist man auf der gewonnenen Seite. Wir haben zwar kein Wellnessbad oder eine Micky-Maus-Achterbahn, doch dafür hat Esch viele andere Vorzüge.
Wie klappt die Zusammenarbeit mit dem neuen Schöffenrat?
Wir haben uns bereits einige Male getroffen. Ich sehe da keine Probleme. Genau wie alle Schöffenräte will das SIT im Sinne der Stadt Esch aktiv werden und Veranstaltungen organisieren, die Besucher anziehen. Zusammen mit der Gemeinde veranstalten wir im Sommer das «Cinéma du quartier» für die Menschen, die nicht in den Ferien wegfahren. Im Rahmen der Fußballweltmeisterschaft organisiert die Gemeinde ein Public Viewing auf dem Brillplatz. Zwischendurch zeigen wir auf dieser Leinwand Filme.
Wir sind auch offen für Kritik, wenn etwas nicht so gut laufen sollte. Mir ist es wichtig, dass wir noch zusätzliche Ehrenamtliche bekommen, denn Hilfe wird immer gebraucht.
Wie finanziert sich das SIT?
Die Gemeinde stellt uns ein Budget zur Verfügung, das im Rahmen des kommunalen Haushalts votiert wird. Wir müssen aber vorher eine Kostenaufstellung für das folgende Jahr einreichen, aufgrund derer unser Budget festgelegt wird. Der Betrag liegt bei rund 90.000 Euro. Damit können wir nicht alle unsere Ausgaben abdecken. Deshalb nehmen wir für die großen Veranstaltungen immer private Sponsoren mit an Bord. Unser Vizepräsident Pedro Oliveira und unser Vorstandsmitglied Pascal Schwickert sind sehr aktiv und richtig gut bei der Sponsorensuche.
Es fällt auf, dass in den Zeitungsläden in Esch zwar Postkarten und Souvenirgegenstände mit Symbolen aus der Hauptstadt und aus Clerf verkauft werden, aber das Angebot an Escher Souvenirs ist inexistent. Wieso gibt es keine Andenken, die Touristen oder Studenten aus Esch mitbringen können?
Wir haben sehr schöne Andenken und Postkarten aus Esch, die es im «City Tourist Office» zu kaufen gibt. Unsere T-Shirts der «I love Esch»- und der «Universitéits-Stad»-Kampagne gingen weg wie warme Semmeln. Aber es ist schwierig, die Zeitungsläden davon zu überzeugen, unsere Souvenirs in ihr Sortiment aufzunehmen. Wir denken zurzeit eifrig über neue Kampagnen nach und versuchen, herauszufinden, wie und wo wir die «Fanartikel» anbieten können.
Esch ist bekannt für seine Fußballklubs Jeunesse und Fola. Trotzdem gibt es in ganz Esch, außer bei Heimspielen im Stadion, keine Trikots oder Fanartikel zu kaufen. Wie ist das möglich?
Die Vereine verwalten ihre Merchandise-Artikel selbst. Die Jeunesse verkauft zum Beispiel Fanartikel in einem Hotel in Foetz. Ich glaube nicht, dass das die vorrangige Rolle des «City Tourist Office» ist. Ich bin aber offen dafür, eine Ecke mit Fanartikeln im «City Tourist Office» einzurichten, wenn die Vereine dieses Bedürfnis haben und auf uns zukommen. Wir haben uns auch schon Gedanken darüber gemacht, wie wir das Touristenbüro besser gestalten können. Bislang hat aber noch kein Verein angefragt.
Zurzeit laufen die Planungen für die Europäische Kulturhauptstadt 2022. Ist das SIT an diesen Planungen beteiligt?
Bislang nicht. Ich denke, es ist noch zu früh. Wenn es aber zur konkreten Umsetzung kommt, sind wir natürlich gerne dazu bereit, mitzuarbeiten. Das habe ich dem Bürgermeister auch schon gesagt. Wir sind sozusagen der Fanklub von Esch. Wenn wir nicht an Esch glauben, wer dann?
Wir sind überzeugt von dem, was wir tun und anbieten. Wir sind jedenfalls bereit, mit anzupacken, sobald wir gebraucht werden.
Die Südregion soll in das «Man and Biosphere»-Programm der Unesco aufgenommen werden. Wie beurteilen Sie dieses Projekt im Hinblick auf den Tourismus?
Es ist immer interessant, wenn eine Region oder eine Stadt auf einer Karte auftaucht, auf welcher die Besucher zusätzliche Informationen über diesen Ort finden können. Jede Aktion in jedem Bereich ist von Bedeutung.
Es ist auch wichtig, dass die Escher Sportvereine an internationalen Wettbewerben teilnehmen. Bei Heimspielen bringt das neue Besucher. Auch die internationalen Jugendturniere der Vereine ziehen Leute an. Das ist ebenfalls eine Form des Tourismus. Esch ist der Champion in den Mannschaftssportarten. Viele Klubs sind dem SIT angeschlossen. Wir sehen uns ein bisschen als lokalen Verband für die Vereine und unsere Aufgabe ist es, diese Vereine bestmöglich zu unterstützen.
Allgemein sind es Synergien in zahlreichen Bereichen, die dazu führen, dass Besucher nach Esch kommen. Und all diese Bereiche sind gleichermaßen wichtig.
Ein Kritikpunkt der Jury bei der Vergabe der Europäischen Kulturhauptstadt war der Mangel an bezahlbaren Schlafplätzen im Süden. Wie kann dieser Mangel Ihrer Meinung nach behoben werden?
In Esch gibt es einige Hotels und eine Jugendherberge, aber es reicht noch nicht. Wenn das Projekt Kulturhauptstadt konkret anläuft, müssen sich Staat und Gemeinden sicher noch Gedanken über zusätzliche Unterkünfte machen. Andererseits liegt der Süden nicht weit von der Hauptstadt entfernt, wo es mehr Übernachtungsmöglichkeiten gibt. Wobei ich jetzt nicht sagen will, dass alle in die Stadt Luxemburg gehen sollen.
Es besteht sicherlich noch Bedarf an Hotels im Süden, doch schlussendlich hängt es vom politischen und kommerziellen Willen ab, ob in diesem Bereich noch etwas passiert.
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